Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit einer Feststellungsklage. doppelte Rechtshängigkeit. Zitiergebot. keine Nichtigkeit rechtswidriger Verwaltungsakte. Existenz und Gültigkeit des Grundgesetzes nicht beweisbedürftig. Streitwert einer auf die Klärung der Gültigkeit von Rechtsnormen abzielenden Feststellungsklage und eines Nichtigkeitsfeststellungsverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Feststellungsklage ist unzulässig, wenn der Kläger seine Rechte mit einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage geltend machen kann oder hätte geltend machen können.

2. Mit der Klärung der Gültigkeit von Rechtsnormen wird letztlich eine gerichtliche Normenkontrolle angestrebt, die nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann.

3. Eine Identität des Streitgegenstandes und damit eine doppelte Rechtshängigkeit i. S. v. § 17 Abs. 1 S. 2 GVG ist erst dann gegeben, wenn das Klagebegehren – selbst wenn es in den betroffenen Verfahren unterschiedlich formuliert wurde – dem Inhalt nach auf dieselbe gerichtliche Entscheidung abzielt.

4. Das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG hat nur dann Bedeutung, wenn die Verfassung selbst ausdrücklich bestimmt, dass das jeweilige Grundrecht nur durch ein formelles Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt oder eingeschränkt werden darf.

5. Die Verletzung des Zitiergebotes kann grundsätzlich nur zur Nichtigkeit der betroffenen Einzelregelung führen, nicht aber zur Unwirksamkeit des ganzen Gesetzes, in dem die betroffene Vorschrift enthalten ist.

6. Die Existenz und die Gültigkeit des Grundgesetzes und der BRD bedürfen keines „Beweises”. Es handelt sich um feststehende Tatsachen.

7. Ein Verwaltungsakt kann nicht allein deshalb als nichtig angesehen werden, weil er der gesetzlichen Grundlage entbehrt. Dies muss zumindest dann gelten, wenn das als Rechtsgrundlage herangezogene Gesetz zwar für verfassungswidrig gehalten wird, aber noch nicht für verfassungswidrig erklärt wurde.

8. Da das finanzgerichtliche Verfahren nicht als Normenkontrollverfahren ausgelegt ist, es ein solches Verfahren aber in der Verwaltungsgerichtsbarkeit gibt, erscheint es gerechtfertigt, sich bei der Bemessung des Streitwertes insoweit an dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu orientieren.

9. Der Streitwert einer Nichtigkeitsfeststellungsklage ist in derselben Höhe anzunehmen wie der Streitwert einer auf ersatzlose Aufhebung des betreffenden Bescheides gerichteten Anfechtungsklage.

 

Normenkette

FGO § 41 Abs. 2 S. 1, § 40 Abs. 1; GVG § 17 Abs. 1 S. 2; GG Art. 19 Abs. 1 S. 2; GKG § 52 Abs. 1; AO § 125 Abs. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Der Streitwert für das Prozessverfahren beträgt 84.282,00 Euro.

 

Tatbestand

Der Kläger versteht sich als „Staatsbürger in den Grenzen des Deutschen Reichs vom 31. Dezember 1937.” Er wendet sich gegen zwei Einspruchsentscheidungen, mit denen seine Einsprüche wegen der Umsatzsteuer für 2007 und 2008 als unzulässig verworfen wurden, weil die Umsatzsteuerfestsetzung für die genannten beiden Jahre bereits Gegenstand des bei dem Senat anhängigen Klageverfahrens 5 K 294/11 ist.

Der Kläger war in den Jahren 2007 und 2008 mit einem Veranstaltungsservice unter dem Namen D.-B.-Büro gewerblich tätig. Das Finanzamt Y. erteilte ihm unter dem 04. Februar 2010 Umsatzsteuerbescheide für 2007 und 2008, die auf der Grundlage einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ergingen, weil Umsatzsteuererklärungen seitens des Klägers nicht eingereicht worden waren. Den gegen diese beiden Umsatzsteuerbescheide gerichteten Einspruch des Klägers wies das Finanzamt Y. mit Schreiben vom 20. Oktober 2010 als unbegründet zurück. Die dagegen gerichtete, am 09. März 2011 erhobene Klage wird bei dem Senat unter dem gerichtlichen Aktenzeichen 5 K 294/11 bearbeitet.

Am 07. Oktober 2014 wandte sich der Steuerberater Z. per e-mail an den Beklagten und bat für den Kläger um die Bescheide zur Umsatzsteuer 2007 und 2008. Der Beklagte übersandte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 24. Oktober 2014 Kopien der Umsatzsteuerbescheide für 2007 und 2008 vom 04. Februar 2010.

Mit Schreiben vom 28. November 2014 erhob der Kläger bei dem Beklagten „Widerspruch” gegen die Umsatzsteuerfestsetzungsbescheide 2007 und 2008.

Der Beklagte verwarf den „Widerspruch” des Klägers mit Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2015 als unzulässig. Der Einspruch sei unzulässig, denn der Kläger sei nicht beschwert, weil die Umsatzsteuerfestsetzung bereits Gegenstand des noch anhängigen Klageverfahrens 5 K 294/11 sei. Außerdem sei der Einspruch verfristet, weil die Einspruchsfrist bereits im März 2011 – mithin weit vor Eingang des Schreibens vom 28. November 2014 – abgelaufen sei. Hinzu komme, dass ihm – dem Kläger – mit Schreiben vom 24. Oktober 2014 lediglich Kopien der Umsatzsteuerbescheide und diese auch nur zu informatorischen Zwecken übersandt worden seien. Die Übersendung stelle mithin keine Bekanntgabe dar und habe deshalb keine Rechtsbehelfsfrist in Lauf gesetzt.

Der Kläger hat am ...

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