rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Entschädigungsanspruch nach § 107 AO 1977 bei Vorlageverpflichtung nach § 97 AO 1977. Nichterstattung einer Entschädigung gemäß § 107 Abgabenordnung (AO)

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei bestandskräftiger Inanspruchnahme als Vorlageverpflichteter nach § 97 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 besteht weder in direkter noch in analoger Anwendung von § 107 Satz 1 AO 1977 ein Anspruch auf Entschädigung der Aufwendungen.

 

Normenkette

AO 1977 § 107 S. 1, § 97 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 2, §§ 93, 147 Abs. 5

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 08.08.2006; Aktenzeichen VII R 29/05)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Frage, ob der Klägerin ein Entschädigungsanspruch nach § 107 Abgabenordnung in der im Streitzeitraum gültigen Fassung (AO) i.V.m. dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen in der im Streitzeitraum gültigen Fassung (ZSEG) gegen den Beklagten zusteht.

Mit Datum vom 25. März 2003 richtete der Beklagte ein ausdrücklich als „Vorlageersuchen an Dritte nach § 97 der Abgabenordnung (AO)” bezeichnetes Schreiben an die Klägerin. Darin forderte er im Rahmen einer Betriebsprüfung bei den Eheleuten … diverse Kopien von Unterlagen über die Eheleute bei der Klägerin an, da diese Unterlagen von den Eheleuten dem Beklagten trotz Aufforderung nicht vorgelegt worden waren. Der genaue Wortlaut des Ersuchens lautete:

„… Somit bitte ich im Rahmen des Besteuerungsverfahrens der Eheleute um die Übersendung folgender Unterlagen:

  1. Ich bitte um Zusendung von Kopien der Depotauszüge zu den Stichtagen 31.12.1998, 31.12.1999 und 31.12.2000 aller bei der Kreissparkasse … vorhandenen Wertpapierkonten.
  2. Ich bitte um Vorlage von Kopien der Auszüge sämtlicher bei der Kreissparkasse … geführten Sparbücher zu den Stichtagen 31.12.1998, 31.12.1999 und 31.12.2000.

Das Vorlageersuchen erfolgt aufgrund § 97 der Abgabenordnung….”

Mit Schreiben vom 11. April 2003 übersandte die Klägerin die geforderten Unterlagen und bat gleichzeitig um Erstattung der – unstreitig entstandenen – Kosten i.H.v. 38,60 EUR.

Eine Kostenerstattung lehnte der Beklagte ab.

Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage und begründet diese wie folgt:

Obwohl Kopien von Depotauszügen übersandt werden sollten und hierfür § 93 Abs. 2 bis 4 AO gelte, sei als gesetzliche Ermächtigungsgrundlage nur § 97 AO genannt worden, der aber allenfalls als Rechtsgrundlage für Textziffer 2 der Aufforderung vom 25. März 2003 in Frage komme.

Die Auskunftspflicht treffe zwar auch Dritte, jedoch sollten diese erst dann zur Auskunft herangezogen werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führe oder keinen Erfolg verspreche. § 97 AO dürfe als Zugriffsregelung gegenüber Dritten darüber hinaus nur angewendet werden, wenn eine versuchte Auskunft nach § 93 AO unzureichend und/oder nicht erteilt worden sei. Im Streitfall seien die Beteiligten zur Mitwirkung nicht bereit gewesen. Demzufolge sei die Klägerin ermessensgerecht zunächst nur über § 93 AO zur Auskunft, jedoch nicht sogleich zur Vorlage nach § 97 AO heranzuziehen gewesen. Bei dem Ersuchen vom 25. März 2003 handele es sich deshalb tatsächlich um ein kombiniertes Auskünfte- und Vorlagebegehren. Für ein derartiges Ersuchen sei jedoch Aufwendungsersatz zu gewähren.

Die Praxis des Beklagten, zur Kostenvermeidung bei Betriebsprüfungen an auskunfts- und vorlagepflichtige Dritte generell lediglich Vorlageersuchen nach § 97 AO zu richten, beruhe auf einer Anweisung der zuständigen Oberfinanzdirektion (AO-Kartei der OFD Magdeburg, § 97 Karte 1 vom 5. September 2003), die jedoch die gesetzlich normierte Subsidiarität des § 97 AO unzulässigerweise aufhebe.

Hilfsweise sei auch bei einem Vorlageersuchen nach § 97 AO eine Entschädigungspflicht gemäß § 107 AO analog gegeben.

Die Klägerin beantragt:

  1. Der Ablehnungsbescheid des Finanzamtes vom 20. Mai 2003 in Form der Einspruchsentscheidung vom 30. März 2004 ist aufzuheben.
  2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Kostenentschädigung in Höhe von 38,60 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nach § 107 AO seien nicht erfüllt.

§ 107 Satz 1 Alternative 1 AO billige in entsprechender Anwendung des ZSEG eine Entschädigung denjenigen Dritten zu, die von der Finanzbehörde als Auskunftspflichtige herangezogen worden seien. Im Streitfall jedoch sei die Klägerin nicht als Auskunftspflichtige i.S.v. § 93 AO sondern als Vorlageverpflichtete i.S.v. § 97 AO in Anspruch genommen worden. Dies sei auch zurecht geschehen. Zwar normiere § 97 Abs. 2 Satz 1 AO ein Subsidiaritätsverhältnis zwischen Auskunfts- und Vorlagepflicht dergestalt, dass die Vorlage von Unterlagen erst dann verlangt werden solle, wenn ein vorheriges Auskunftsersuchen durch den betreffenden Dritten nur unzureichend beantwortet worden sei. Allerdings gelte dieses Subsidiaritätsverhältnis in Sonderfällen, wie z.B....

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