rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachweis der Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne als Voraussetzung für den ermäßigten Steuersatz für außerordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 3 EStG durch ein erst nachträglich erstelltes amtsärztliches Attest
Leitsatz (redaktionell)
1. Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne als Voraussetzung für den ermäßigten Steuersatz für außerordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 3 EStG liegt gem. § 240 Abs. 2 S. 1 SGB IV vor, wenn die Erwerbsfähigkeit des Steuerpflichtigen wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist.
2. Der Nachweis der Berufsunfäigkeit kann auch durch ein erst Jahre nach Eintritt des Berufunfähigkeit erstelltes amtsärztliches Attest erbracht werden, das auf ein Gutachten des Hausarztes aus der Zeit des Eintritts der Berufsunfäigkeit Bezug nimmt. Weder § 34 Abs. 3 EStG noch die EStDV stellen erhöhte Anforderungen an die Nachweispflicht dahingehend, dass eine amtsärztliche Bescheinigung bereits vor dem Veräußerungsvorgang erstellt werden müsste; § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV ist insoweit nicht entsprechend anwendbar.
3. Nur weil der Steuerpflichtige nach der streitigen Veräußerung eines Mitunternehmeranteils noch Gesellschafter bei Personen- und Kapitalgesellschaften ist, bei denen andere Personen die Geschäfte führen, oder diesen Gesellschaften Darlehen gibt, ist nicht von einer für den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG schädlichen Fortführung der Berufstätigkeit auszugehen. Insoweit unschädlich ist auch eine in einem geringen zeitliche Umfang fortgeführte Geschäftsführertätigkeit bei einer GmbH.
Normenkette
EStG 2001 § 34 Abs. 3 S. 1; SGB IV § 240 Abs. 2 S. 1; EStDV § 64 Abs. 1 Nr. 2
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid 2001 vom 2. Februar 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 18. März 2008 werden dahingehend geändert, dass der Veräußerungsgewinn i.H.v. … DM gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG ermäßigt besteuert wird.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die ermäßigte Besteuerung eines Veräußerungsgewinns nach § 34 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) aufgrund einer dauernden Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne.
Der am 15. September 1950 geborene Kläger war Kommanditist und Geschäftsführer der A. GmbH & Co. KG. Er erzielte aus der Veräußerung seines Kommanditanteils, in deren Zusammenhang er auch seine Geschäftsführertätigkeit aufgab, im Streitjahr einen Veräußerungsgewinn i.H.v. … DM. Die Höhe ist unstreitig. Im Rahmen seiner im Jahr 2003 eingegangenen Steuererklärung erklärte er diesen als Veräußerungsgewinn, für den der ermäßigte Steuersatz des § 34 Abs. 3 EStG wegen dauernder Berufsunfähigkeit beantragt werde.
Daneben besaß der Kläger weitere Beteiligungen an Gesellschaften (mbH) sowie der Grundstückgemeinschaft B./B., die ein Wohn- und Geschäftshaus vermietete. Auf Grund einer Betriebsaufspaltung erzielte er aus dieser Gemeinschaft auch fortan Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Der Beklagte führte im Jahr 2006 beim Kläger und dessen Ehefrau eine Betriebsprüfung betreffend Einkommensteuer 2000 bis 2002 durch (Betriebsprüfungsbericht vom 14. August 2006).
Zum Nachweis der Berufsunfähigkeit legte der Kläger eine Bescheinigung seines Hausarztes (Praktischer Arzt sowie Facharzt für Chirurgie) vom 24. September 2002 vor. Bei diesem Arzt war der Kläger seit 7. August 1997 regelmäßig in Behandlung. Dieser diagnostizierte beim Kläger Chronische Cholezystitis, Cholezystolithiasis, Operation im November 1997, Chronische Pankreatitis, Chronische Bronchitis, Angina Pectoris, Hypercholesterinämie, Funktionelle Herzbeschwerden und HWS-Syndrom. Aufgrund dieser Erkrankungen sei – so das ärztliche Urteil – die physische und psychische Leistungsfähigkeit des Klägers stark eingeschränkt, weshalb dieser aus medizinischer Sicht nicht in der Lage sei, die Funktion eines Geschäftsführers zu übernehmen. Es bestehe eine Berufsunfähigkeit seit November 2000. Dem Kläger sei deshalb im November 2000 empfohlen worden, sich aus dem Geschäftsleben zurückzuziehen.
Ferner legte der Kläger eine Bescheinigung der Amtsärztin des Landkreises vom 3. Mai 2005 vor, in der diese bestätigt, dass aufgrund des ihr vorliegenden Gutachtens des Hausarztes des Klägers vom 17. März 2001 der Kläger dauerhaft berufsunfähig ist.
Die Prüferin gelangte zu der Auffassung, der ermäßigte Steuersatz gelte nicht (Tz. 33 des Berichts). Es sei keine Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtliche...