rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Abzweigung des Kindergeldanspruchs von Pflegeeltern an den Sozialleistungsträger

 

Leitsatz (redaktionell)

Nachdem Pflegeeltern gesetzlich nicht zum Unterhalt verpflichtet sind und damit eine Unterhaltspflichtverletzung, wie von § 74 Abs. 1 S. 1 EStG für eine Abzweigung von Kindergeld gefordert, ausscheidet, kommt eine Abzweigung gem. § 74 Abs. 1 S. 4 EStG an den Sozialleistungsträger nicht in Betracht (so auch FG Münster. v. 25.11.2004, 5 K 429/02 Kg, entgegen FG München v. 28.2.2003, 12 K 1690/02 und v. 28.1.2003, 12 K 2112/02).

 

Normenkette

EStG § 74 Abs. 1 Sätze 4, 1, § 32 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 1601, 1615a, 1741; SGB XII; SGB X § 104

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Abzweigung von Kindergeld für das behinderte Kind I. geboren … 1971. I. hat einen Grad der Behinderung von 100 und der unbefristete Schwerbehindertenausweis trägt die Merkzeichen G und H. Das Kind bezieht Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) XII, eine Rente wegen Erwerbungsunfähigkeit und Lohn aus der Werkstatt für behinderte Menschen.

Das Kind lebt im Haushalt seiner leiblichen Schwester, Frau K., der Beigeladenen, die auch durch das Amtsgericht K. zur Betreuerin bestellt wurde. Die Eltern des Kindes sind verstorben.

Mit Schreiben vom 02. Oktober 2006 meldete der Kläger einen Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff. SGB X an. Die Beklagte wies nachfolgend darauf hin, dass kein Kindergeldantrag der kindergeldberechtigten Person vorliegen würde und teilte sodann mit Schreiben vom 02. April 2007 mit, dass sie dem Erstattungsersuchen nicht nachkommen werde, da ein Antrag der Schwester nicht eingegangen sei und die Namen der leiblichen Eltern und deren Aufenthalt unbekannt seien.

Mit Schreiben vom 15. Oktober 2009 (und nochmals mit Schreiben vom 28. Oktober 2009) beantragte der Kläger die Auszahlung des Kindergeldes an sich mit dem Hinweis, dass er Sozialhilfe in Form von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel SGB XII in Höhe von monatlich derzeit 182,58 EUR zahle und damit Unterhalt i.S.v. § 74 Einkommensteuergesetz (EStG) leiste. Vorsorglich meldete der Kläger einen Erstattungsanspruch nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 SGB X an. Die Beklagte forderte daher die Beigeladene zur Antragsstellung auf, da bis dato kein Kindergeld gezahlt wurde.

Unter Vorlage einer Haushaltsbescheinigung und der Erklärung zu den Einkünften und Bezügen eines über 18 Jahre alten Kindes mit Behinderung beantragte daraufhin die Beigeladene Kindergeld. Die Beklagte gewährte der Beigeladenen sodann mit Bescheid aus März 2010 ab November 2006 nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 63 Abs. 1 Nr. 1 EStG Kindergeld.

Den Antrag des Klägers auf Abzweigung vom 15. Oktober 2009 lehnte der Beklagte mit Bescheid vom März 2010 mit der Begründung ab, dass das Kind im Haushalt des Berechtigten wohne und Pflegeeltern nicht zum unterhaltsverpflichteten Personenkreis gehören würden.

Hiergegen richtete sich der Einspruch des Klägers vom 22. März 2010. Der Kläger wies darauf hin, dass die Betreuerin gleichzeitig die Schwester des Kindes sei und es sich somit nicht um Pflegeeltern handeln würde. Darüber hinaus wies der Kläger darauf hin, dass die Familie der Beigeladenen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II erhalte und das Kindergeld für I. zur Bestreitung des Lebensunterhaltes bei der ARGE berücksichtigt werden müsse. Mit Schreiben vom 19. März 2010 bezifferte der Kläger nunmehr seinen Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff. SGB X.

Mit Bescheid über die Einstellung von Leistungen nach SGB XII vom 24. März 2010 hob der Kläger den bis dahin gültigen Leistungsbescheid ab dem 01. April 2010 wegen eigener Einkommen des Kindes auf. In die Einkommensermittlung bezog der Kläger das Kindergeld in gesetzlicher Höhe mit ein.

Mit Einspruchsentscheidung vom 31. Mai 2010 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und führte aus, dass eine Abzweigung ausscheide, da der Kindergeldberechtigte bereits dem Grunde nach nicht zum Kreis der gesetzlich Unterhaltsverpflichteten gehöre. Pflegeeltern seien nach § 1601 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht zum Unterhalt verpflichtet. Ein Pflegekindschaftsverhältnis könne – unabhängig vom Altersunterschied bei schwerer geistiger oder seelischer Behinderung – auch zwischen Geschwistern bestehen.

Am 21. Juni 2010 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben. Er ist der Ansicht, dass der Kindergeldberechtigten durch die Haushaltsaufnahme keine Unterhaltsleistungen entstehen und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, dass die Berechtigte Leistungen in Höhe des Kindergeldes erbringe, die über die Grundsicherungsleistungen hinaus gehen würden. Es fehle darüber hinaus an einer Ermessensentscheidung.

Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass eine analoge Abwendung des § 74 EStG bei Pflegekindern geboten sei. Ggf. liege sogar eine Gesetze...

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