rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtmäßigkeit eines digitalen Datenzugriffs der Außenprüfung auf eine von einem Apotheker im Rahmen eines elektronischen Warenwirtschaftssystems geführte Verkaufsdatei. Aufbewahrungspflichten nach § 147 Abs. 1 AO. Abgrenzung des Anwendungsbereichs des § 140 AO von § 144 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat ein Apotheker ein elektronisches Warenwirtschaftssystem (u. a. mit einer Verkaufsdatei, bestehend aus der Kassenzeile, den Einzeldaten und einer Bewegungsdatei) geführt, so ist es nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Prüfer bei einer Außenprüfung nach § 147 Abs. 6 AO zur Anforderung der Verkaufsdatei des Warenwirtschaftssystems in elektronischer Form berechtigt ist. Allgemein umfasst der Datenzugriff zwar nur die steuerlich relevanten Daten, d.h., die Daten der Finanz- Anlage- und Lohnbuchhaltung; soweit die Daten des Warenwirtschaftssystems jedoch Verkaufsdaten betreffen, sind sie steuerlich relevante Daten der Finanzbuchhaltung, für die eine Aufzeichnungspflicht besteht, und unterfallen daher dem Datenzugriff.

2.Soweit in der Literatur darüber gestritten wird, ob die Aufbewahrungspflicht aus § 147 AO eine unabhängig vom Bestehen einer Aufzeichnungspflicht bestehende steuerliche Pflicht darstellt, schließt sich der Senat der Rechtsprechung des BFH (Urteile v. 26.2.2004, XI R 25/02, sowie vom 24.6.2009 VIII R 80/06) an, der die Aufbewahrungspflicht vom Bestehen einer Buchführungspflicht abhängig macht.

3. Zu den aufbewahrungspflichtigen Unterlagen gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO zählen nicht nur die im Rahmen der Buchführung geführten, sondern alle für steuerliche Zwecke vorzunehmenden Aufzeichnungen. Gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO aufbewahrungspflichtig sind alle sonstigen, nicht bereits von § 147 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AO erfassten Geschäftsunterlagen in verkörperter Form oder als Datei, die im Unternehmen anfallen, Geschäftsvorfälle dokumentieren oder erläutern und dem Verständnis sowie der Kontrolle der gesetzlich vorgesehenen Aufzeichnungen dienen, z. B. Aussagen oder Teilaussagen über steuerlich relevante Vorgänge, Kassenunterlagen usw.

4. Die nach anderen als Steuergesetzen zu erfüllenden Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten sind insbesondere dann nach § 140 AO für die Besteuerung zu erfüllen, wenn sie für diese von Bedeutung sind; davon ist immer dann auszugehen, wenn sie zwar nicht darauf angelegt sind, steuerlich relevante Sachverhalte auszuweisen, ihnen aber solche zu entnehmen sind, so dass sie sich zur Verprobung der zu steuerlichen Zwecken geführten Bücher und Aufzeichnungen eignen.

5. Da die Regelung des § 140 AO darauf abzielt, insbesondere die sich aus anderen Gesetzen ergebenden Aufzeichnungspflichten zu steuerrechtlichen Pflichten zu erklären, und damit ein ausdrückliches Nebeneinander der Pflichten feststellt, ist auch ein Rückgriff auf § 238 HGB zur Bestimmung von Aufzeichnungspflichten zulässig. Es liegt darin keine Umgehung des § 144 AO, der lediglich positiv für bestimmte Gewerbetreibende eine zusätzliche, selbstständige, von handelsrechtlichen Buchführungspflichten unabhängige Aufzeichnungspflicht begründet.

 

Normenkette

AO § 147 Abs. 1 Nrn. 1, 5, Abs. 6, § 140; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; HGB § 238 Abs. 1; UStG § 22 Abs. 1

 

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Datenanforderung im Rahmen der Betriebsprüfung, insbesondere um den Umfang der in § 147 Abs. 6 Abgabenordnung (AO) geregelten Datenzugriffsrechte.

Der Antragsteller betreibt in B eine Apotheke und ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich, § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Derzeit findet bei ihm eine Betriebsprüfung wegen Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer der Jahre 2006 bis 2009 statt. In diesem Zusammenhang forderte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 17. Oktober 2011 zur Vorlage diverser Daten, nämlich der Verkaufsdatei bestehend aus der Kassenzeile, den Einzeldaten und der Bewegungsdatei, aus dem Warenwirtschaftssystem (WWS) der Fa. C in elektronisch verwertbarer Form auf.

Der Antragsteller legte gegen die Aufforderung zur Vorlage der Daten der einzelnen Verkäufe in der Apotheke mit Schreiben vom 22. Oktober 2011 Einspruch ein und begründete dies damit, dass der Antragsgegner zu einem digitalen Zugriff insoweit nicht berechtigt sei.

Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 16. März 2012 zurückgewiesen. Am 11. April 2012 hat der Antragsteller Klage erhoben, über die der Senat noch nicht entschieden hat.

Mit Bescheid vom 3. Mai 2012 lehnte der Antragsgegner den gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.

Er begründete dies damit, dass der Antragsteller als Istkaufmann nach § 1 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) gemäß § 238ff. HGB buchführungspflichtig sei, sich der Umfang der Buchführungspflicht aus den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) – bzw. den Grundsätzen ordnungsgemäßer datenverarbeitungsgestüt...

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