Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnsitz des Kindes im Inland trotz Schulbesuch im Ausland. Familienleistungsausgleich

 

Leitsatz (redaktionell)

Geht ein sechsjähriges Kind mit deutscher und ägyptischer Staatsangehörigkeit für maximal drei Jahre in Ägypten zur Schule und hat es dort einen Wohnsitz bei der Mutter, so behält es aber beim Vater im Inland einen weiteren Wohnsitz –als Voraussetzung für dessen Kindergeldanspruch– bei, wenn es seine Geschwister und den Vater in Deutschland regelmäßig an den Oster- und Weihnachtsferien besucht, es in der Wohnung des Vaters gemeinsam mit einer Schwester ein Zimmer hat und nach Ablauf der drei Jahre von einer endgültigen Rückkehr nach Deutschland auszugehen ist.

 

Normenkette

EStG § 63 Abs. 1 S. 3; AO § 8; EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1

 

Tenor

Der Kindergeldbescheid vom … und die Einspruchsentscheidung vom …werden aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, Kindergeld für die Tochter Jasmin des Klägers für die Zeit ab Dezember 2001 in der gesetzlichen Höhe festzusetzen.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der zu vollstreckenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf Kindergeld für seine am 1995 geborene Tochter J. zusteht. Der Kläger hat des weiteren einen Sohn und eine 1989 geborene Tochter S. Der Sohn und die Tochter S. wohnen bei dem Kläger in B. (Deutschland), wo sie auch die Schule besuchen. Die Ehefrau des Klägers lebt vom Kläger getrennt, aber nicht geschieden, in Ägypten. Sowohl der Kläger als auch dessen Tochter J. sind deutsche Staatsangehörige. Die Tochter J. hat außerdem die ägyptische Staatsangehörigkeit.

Der Beklagte bestreitet den Anspruch des Klägers auf Kindergeld für die Tochter J. mangels eines Wohnsitzes bzw. gewöhnlichen Aufenthalts im Inland, weil J. sich in dem hier fraglichen Zeitraum bei der Mutter in Ägypten aufgehalten und dort auch die Schule besucht habe. Im einzelnen geht es um den folgenden Sachverhalt:

Am 2001 beantragte der Kläger bei dem Beklagten, ihm ab Dezember 2001 Kindergeld für J. zu zahlen. In einem Schreiben an den Beklagten vom 2001 führte er zu ihrem Aufenthalt in Ägypten aus:

„Ich betone ausdrücklich, dass dieser Aufenthalt nur für einen vorübergehenden Zeitraum erfolgt und von vornherein auf maximal 2-3 Jahre angelegt ist. J. … soll auf jeden Fall wieder auf Dauer in Bremerhaven leben. Ich weise in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hin, dass sowohl meine Tochter als auch ich die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.”

Mit Bescheid vom lehnte der Beklagte das beantragte Kindergeld ab. Zur Begründung führte er aus, von einer Beibehaltung des Wohnsitzes im Inland während der schulischen Erstausbildung in Ägypten könne nicht ausgegangen werden, weil J. keinen Wohnsitz in Deutschland beibehalten habe. Maßgeblich seien die tatsächlichen Verhältnisse und nicht die polizeiliche Anmeldung.

Hiergegen legte der Kläger am 2002 durch seinen Bevollmächtigten Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 2002 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Der Beklagte führte aus, der Kläger habe nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG ab Dezember 2001 keinen Anspruch mehr auf Kindergeld für seine Tochter J. Nach dieser Vorschrift würden Kinder, die weder einen Wohnsitz i.S. von § 8 AO noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt i.S. von § 9 Abs. 1 AO im Inland hätten, beim Kindergeld nicht berücksichtigt. Die Tochter J. wäre im Jahr 2001 in Deutschland schulpflichtig gewesen. Ihre schulische Erstausbildung erfolge nun ausschließlich in Ägypten. Deshalb und weil sich das Kind in Ägypten in der Obhut der Mutter befinde und sich seine familiären Bindungen nicht ausschließlich auf Deutschland bezögen, werde J. eher von der Kultur Ägyptens geprägt als von der deutschen Kultur. Von der Beibehaltung des Wohnsitzes des Kindes beim Kläger oder von dem gewöhnlichen Aufenthalt bei ihm könne nach alldem nicht mehr gesprochen werden, auch wenn es bei ihm polizeilich gemeldet sei.

Hiergegen richtet sich die am 2002 erhobene Klage.

Der Kläger bezieht sich auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 30. September 1996 (10 RKg 29/95) und trägt vor, J. sei ebenso wie er selbst deutsche Staatsangehörige. Die Auffassung, J. habe keinen Wohnsitz in Deutschland, sei unzutreffend. J. habe gemeinsam mit ihrer am 9. Oktober 1989 geborenen Schwester S. ein Zimmer in seiner Wohnung in B. (Deutschland). J. halte sich nur vorübergehend in Ägypten auf, um dort in Wort und Schrift Arabisch zu lernen. Der Versuch bei seinem Sohn und seiner weiteren Tochter S., Arabisch in Deutschland zu lernen, sei fehlgeschlagen. Seine Tochter J. solle zweisprachig aufwachsen. Ihr Aufenthalt in Ägypten sei von vornherein zeitlich begrenzt. Die Situatio...

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