Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine steuerrechtliche Anerkennung einer zivilrechtlich nicht wirksam begründeten, tatsächlich nicht entsprechend dem Gesellschaftsvertrag durchgeführten und später rückabgewickelten GmbH & atypisch Still

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine atypisch stille Beteiligung am Handelsgewerbe einer GmbH kann auch dann eine Mitunternehmerschaft i.S. von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG begründen, wenn der Vertrag über die Gründung der atypisch stillen Gesellschaft nicht zivilrechtlich wirksam zustande gekommen ist. „Gesellschaft” im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist jedes Rechtsverhältnis, kraft dessen ein Gewerbebetrieb für Rechnung mehrerer von diesen geführt wird. Unerheblich ist, ob dieses Rechtsverhältnis im Sinne des Gesellschaftsrechts als Gesellschaft zu qualifizieren ist oder nicht.

2. Voraussetzung für die steuerrechtliche Anerkennung einer beabsichtigten GmbH & atypisch Still als Mitunternehmerschaft ist u.a. die tatsächliche Durchführung des vereinbarten Gesellschaftsverhältnisses durch die Vertragsbeteiligten. Dafür genügt es nicht, dass der vermeintliche stille Gesellschafter seine vertraglich vereinbarte Einlage fristgerecht (ganz überwiegend) der GmbH zur Verfügung gestellt und diese mit dem Geld gearbeitet hat. Das Gesellschaftsverhältnis ist nicht tatsächlich durchgeführt worden, wenn z.B. keiner der beiden Vertragsbeteiligten zeitnah Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Einkünftefeststellung der GmbH & atypisch Still bei dem zuständigen Finanzamt eingereicht hat, die vertragliche Vereinbarung in der Buchführung und in den Jahresabschlüssen der GmbH von Anfang an nicht wie die Begründung einer GmbH & atypisch Still, sondern wie der Abschluss eines Darlehensvertrages (d. h. ohne Gewinn- oder Verlustbeteiligung) behandelt worden ist und die Vertragsbeteiligten später eine Rückabwicklungsvereinbarung getroffen haben, die dafür spricht, dass es zu keinem Zeitpunkt eine –auch nicht eine fehlerhafte– atypisch stille Gesellschaft gegeben hat.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2; AO §§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; HGB § 230

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob zwischen der Beigeladenen und dem Kläger in

den Jahren 1995 bis 1997 ein atypisch stilles Gesellschaftsverhältnis bestanden hat. Satzungsmäßiger Hauptgegenstand des Unternehmens der Beigeladenen war es in den Streitjahren, „Anwendungssoftware, vorzugsweise im Bereich des Gesundheitswesens und des Umweltschutzes, zu entwickeln und zu vertreiben und damit verbundene Dienstleistungen zu erbringen”. Das Stammkapital der Beigeladenen betrug im Jahr 1994 4 Mio. DM und wurde von folgenden Gesellschaftern gehalten:

B. mbH

1 000 000,00 DM

= 25 v. H.

L.mbH

1 000 000,00 DM

= 25 v.

H. K.-Gesellschaft

600 000,00 DM

= 15 v. H.

G. GbR

1 000 000,00 DM

= 25 v. H.

Dipl.-Kfm. M.

120 000,00 DM

= 3 v. H.

Dr.-Ing. P.

80 000,00 DM

= 2 v. H.

Dipl.-Ing. W.

80 000,00 DM

= 2 v. H.

Dipl.-Inf. H.

60 000,00 DM

= 1,5 v. H.

Dipl. Inf. A.

60 000,00 DM

= 1,5 v. H.

Summe

4 000 000,00 DM

= 100 v. H.

Umsatz und Betriebsergebnisse entwickelten sich wie folgt:

Umsatz:

Betriebsergebnis:

Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag:

1993: 33 569 900 DM

./. 41 100 DM

1994: 24 123 100 DM

./. 14 535 100 DM

10 255 236,74 DM

1995: 24 472 100 DM

./. 16 797 000 DM

27 052 235,88 DM

1996: 33 200 000 DM

./. 1 763 000 DM

28 815 631,10 DM

1997: 25 148 300 DM

5 517 461 DM

7 857 129,04 DM.

Die Beigeladene hatte ab 1. Oktober 1995 zwei alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer sowie einen fünfköpfigen Aufsichtsrat.

Am 12. Dezember 1995 unterzeichneten der Kläger und die Beigeladene, vertreten durch Mitgeschäftsführer M., den „Entwurf” eines „Gesellschaftsvertrages über die Errichtung einer atypisch stillen Gesellschaft”. Gemäß § 2 dieses Entwurfs sollte sich der Kläger mit einer Einlage in Höhe von 1 Mio. DM an dem Unternehmen der Beigeladenen als stiller Gesellschafter beteiligen. Weiter heißt es in dem „Entwurf”:

„…

§ 2 Fälligkeit der Einlage des stillen Gesellschafters

Die Einlage des stillen Gesellschafters ist in bar zu erbringen und bis spätestens 31.12.1995 in Höhe von TDM 800. Der Rest in Höhe von TDM 200 bis spätestens 31.03.1996.

§ 3 Dauer der Gesellschaft; Geschäftsjahr

(1) Die Gesellschaft beginnt mit Abschluss des Vertrages. Sie wird auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann mit einer Frist von 6 Monaten zum Schluß des Geschäftsjahres gekündigt werden.

(2) Der stille Gesellschafter nimmt am Ergebnis der Inhaberin für das gesamte Geschäftsjahr 1995 teil. …

§ 10 Ergebnisbeteiligung

An dem gem. § 9 ermittelten Ergebnis nimmt der stille Gesellschafter im Verhältnis des Werts seiner Einlage zum Gesamtwert des Unternehmens der Inhaberin teil. Die sich daraus ergebende Beteiligungsquote wird von den Beteiligten mit 20 % in 1995 und in den nachfolgenden Jahren im Verhältnis zum Stammkapital festgelegt. Verluste werden dem stillen Gesellschafter auch insoweit zugerechnet, als ...

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