Entscheidungsstichwort (Thema)

Fortdauernder Insolvenzbeschlag (auch über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens hinaus) für die während der Dauer des Insolvenzverfahren entstandenen Einkommensteuererstattungsansprüche wegen des Vorbehalts der Nachtragsverteilung

 

Leitsatz (redaktionell)

Wirkt die Insolvenzbeschlagnahme aufgrund der im Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahrens hinsichtlich des während der Dauer des Insolvenzverfahrens insolvenzrechtlich entstandenen Anspruchs auf Erstattung der Einkommensteuer ausdrücklich vorbehaltenen Nachtragsverteilung fort, hat der Insolvenzverwalter Anspruch auf Auszahlung des Erstattungsanspruchs. Der Anspruch kann nicht durch Aufrechnung erlöschen.

 

Normenkette

AO §§ 226, 218 Abs. 2; InsO § 203 Abs. 1 Nr. 3, §§ 87, 35, 96

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.02.2012; Aktenzeichen VII R 36/11)

 

Tenor

Der Bescheid vom 15. Januar 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. September 2009 wird dahingehend geändert, dass festgestellt wird, dass die Klägerin Anspruch auf Erstattung der anteiligen Einkommensteuer 2006 in Höhe von 855,04 EUR hat.

Die Kosten des Verfahrens werden zu 75 % der Klägerin und zu 25 % dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts A vom 14. November 2003 zur Insolvenzverwalterin über das Vermögen des Herrn B bestellt. Mit Beschluss vom 31. Juli 2006 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben und die Nachtragsverteilung der während der Dauer des Insolvenzverfahrens begründeten Ansprüche auf Steuererstattungen vorbehalten.

Mit Schreiben vom 9. August 2007 bezifferte der Beklagte die insoweit entstanden Steuererstattungsansprüche wie folgt: 2004 – 1.151,53 EUR, 2005 – 1.554,16 EUR und 7/12 von 2006 855,04 EUR und bat die Klägerin um Angabe der Kontenverbindung. Nach Aktenlage erfolgte am 4. September 2007 seitens des Beklagten eine Aufrechnung mit Insolvenzforderungen. Die letztendlich mit Schreiben vom 5. Januar 2009 begehrte Auszahlung des Betrages für 2006 bzw. die Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheides (Abrechnungsbescheides) an die Klägerin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 15. Januar 2009 ab und wies den dagegen eingelegten Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 2. September 2009 als unbegründet zurück. Für eine Auszahlung des Betrages auf das Treuhandkonto der Klägerin gäbe es keinen Rechtsgrund. Die Nachtragsverteilung von Steuererstattungen sei mit Beschluss des Amtsgerichts lediglich vorbehalten. Nur im Fall einer wirksam angeordneten Nachtragsverteilung gemäß § 203 Abs.1 Insolvenzordnung (InsO), die auch die Steuererstattungsansprüche, die vor oder während der Dauer des Insolvenzverfahrens begründet wurden, erfasse, wäre das Recht des Insolvenzschuldners über den hier streitgegenständlichen Einkommensteuererstattungsanspruch zu verfügen, beschränkt gewesen. Es handele sich bei dem in Rede stehenden Anspruch um nachträglich ermittelte Gegenstände im Sinne des § 203 Abs.1 Nr. 3 InsO (BFH v. 7.6.2006 VII B 329/05, BStBl. II 2006, 641). Werde eine zur Insolvenzmasse gehörende Forderung des Schuldners – wie im Streitfall – erst nachträglich ermittelt, könne eine Nachtragsverteilung zwar auch dann angeordnet werden, wenn das Insolvenzverfahren bereits aufgehoben worden sei. Eine erneute Insolvenzbeschlagnahme träte aber erst mit dem Beschluss über die Anordnung der Nachtragsverteilung ein, dem keine Rückwirkung zukomme (BFH, Beschluss vom 4. September 2008, VII B 239/07, BFH/NV 2009, 6).

Mit der dagegen erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, im Beschluss über die Aufhebung des Insolvenzverfahren sei die Nachtragsverteilung für Steuererstattungsansprüche für die Zeit vor und während der Dauer des Insolvenzverfahren angeordnet worden.

Das führe dazu, dass der Insolvenzbeschlag für den Einkommensteuererstattungsanspruch zu Gunsten der Masse andauere. Die Anordnung der Nachtragsverteilung habe lediglich deklaratorische Wirkung. Insoweit werde auf die umfassende Kommentierung im Münchner Kommentar zu § 203 der Insolvenzordnung verwiesen. Sowohl in der Rechtsprechung des BGH als auch in der Rechtsprechung des BFH sei anerkannt, dass der Vorbehalt der Nachtragsverteilung ausreichend sei. Auf die Entscheidung des BFH vom 5. März 2008 (X R 60/04) werde verwiesen. Der Entscheidung liege ein Sachverhalt zu Grunde, in welchem ebenfalls die Nachtragsverteilung vorbehalten wurde. Die Klägerin hat ihr Klagebegehren mit Schreiben vom 28. Januar 2010 auf den anteiligen Erstattungsanspruch wegen der Einkommensteuer 2006 eingeschränkt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr zugunsten einen Abrechnungsbescheid über 855,04 EUR zu erlassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf die Gründe...

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