Entscheidungsstichwort (Thema)

Zinssatz von 6 % für Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 2012 im Zinszeitraum April 2014 bis April 2016 nicht verfassungswidrig

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Werden für einen Zinszeitraum von April 2014 bis April 2016 Nachzahlungszinsen nach § 233a AO auf die Einkommensteuernachzahlung für 2012 erhoben, begegnet die Höhe des Zinssatzes von sechs Prozent ungeachtet dessen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass der Basiszinssatz im streitigen Zinszeitraum bereits im Minusbereich lag (Anschluss an die bisherige Rspr. zur Rechtmäßigkeit des steuerlichen Zinssatzes von 6 %).

2. Der Gesetzgeber kann in § 238 Abs. 1 AO typisierend einen Zinssatz von 0,5 % pro Monat zu Grunde legen, weil nicht nur der vergleichbare Guthabenzinssatz zu berücksichtigen ist, sondern auch der Sollzinssatz für Dispositions- und Konsumentenkredite oder für die gesetzlichen Verzugszinsen nach § 288 Abs. 2 BGB heranzuziehen ist (hier: effektiver Jahreszinssatz für Konsumentenkredite im Zeitraum von Februar 2015 bis Februar 2016 von bis zu 6,5 %).

3. Der Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung und die Dauer der Bearbeitung der Steuererklärung haben keine weitere Auswirkung auf die Höhe der Zinsen, außer dass hierdurch das Ende des Zinslaufs beeinflusst wird. Ebenso ist unerheblich, ob und wie der Steuerpflichtige seinen Nachzahlungsbetrag zur Einkommensteuer im Zinszeitraum angelegt hat oder ob er einen Kredit im Zinszeitraum aufgenommen hat.

 

Normenkette

AO § 233a Abs. 1, 2 Sätze 1, 3, § 238 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger erzielte im Streitjahr 2012 sonstige Einkünfte als Rentner. Darüber hinaus erzielte er sonstige Einkünfte aus einem einmaligen Vermittlungsgeschäft (Grundstücksvermittlung) in Höhe von EUR 193.146,27. Er reichte die Einkommensteuererklärung für 2012 am 28. Februar 2014 oder – nach Darstellung des Klägers – am 10. April 2014 beim Beklagten ein; bei der Erstellung der Steuererklärung war er nicht durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe vertreten worden.

Mit Bescheid vom 08. April 2016 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2012 auf EUR 73.440,– und die Zinsen zur Einkommensteuer auf EUR 8.808,– fest.

Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein und richtete seinen Einspruch im Rubrum seines Einspruchsschreibens gegen den Einkommensteuerbescheid und in der Begründung gegen die Zinsfestsetzung. Er habe die Einkommensteuererklärung am 10. April 2014 in den Hausbriefkasten des Beklagten eingeworfen; der Beklagte habe aber fast zwei Jahre für die Veranlagung benötigt. Die festgesetzten Zinsen überstiegen zudem die potenziellen Guthabenzinsen, die er bei einer Bank im Fall der Anlage der Einkünfte erhalten würde. Außerdem beantragte der Kläger einen Erlass der Zinsen; diesen Antrag lehnte der Beklagte am 03. Mai 2016 ab.

Mit Einspruchsentscheidung vom 29. November 2016 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Zinsbescheid für 2012 als unbegründet zurück. Der Beklagte begründete dies damit, dass die Zinsfestsetzung unabhängig von einem Verschulden des Steuerpflichtigen oder des Finanzamts zu erfolgen habe. Die Verzinsung von Steuernachzahlungsbeträgen sei verfassungsgemäß, und zwar auch der Höhe nach.

Eine Billigkeitsfestsetzung nach § 163 AbgabenordnungAO – scheide aus, da die Zinsfestsetzung nicht sachlich unbillig sei. Dabei könne dahin gestellt bleiben, ob der Kläger die Einkommensteuererklärung bereits am 28. Februar 2014 oder erst am 10. April 2014 abgegeben habe. Denn allein eine lange Bearbeitungsdauer durch die Finanzbehörde begründe keine sachliche Unbilligkeit. Der Kläger hätte frühzeitig einen Antrag auf Festsetzung einer Einkommensteuervorauszahlung stellen können. Der Beklagte wies abschließend darauf hin, dass über den Erlassantrag gesondert entschieden werde.

Bereits vor Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, nämlich am 16. November 2016, hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben und darauf hingewiesen, dass eine Einspruchsentscheidung bislang unterblieben sei. Die Zinsfestsetzung sei rechtswidrig, weil die Bearbeitung der Steuererklärung fast zwei Jahre und damit zu lange gedauert habe. § 233a AO sei dahingehend auszulegen, dass ein Steuerpflichtiger, der seinen steuerlichen Pflichten nachkomme, nicht für eine verspätete Steuerfestsetzung verantwortlich gemacht werden dürfe.

Außerdem habe der Kläger angesichts der Niedrigzinsphase keine Liquiditätsvorteile gehabt. Angesichts der Nullzinsphase sei der Gesetzeszweck hinfällig geworden. Es bestünden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm, so dass eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht geboten sei. Eine Vorauszahlung habe der Kläger nicht leisten können, weil er nicht gewusst habe, wie hoch die Vorauszahlung sein würde.

Der Kläger beantragt,

den Zinsbescheid zur Einkommensteuer 2012 vom 08. April 2016 dahingehend zu ändern, dass die Zinsen zur ...

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