Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusammenveranlagung mit der in Polen wohnenden Ehefrau nach § 1a EStG. Anwendung des Progressionsvorbehalts auf Einkünfte aus der Vermietung einer in Polen gelegenen Immobilie

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Aus der Zusammenveranlagung über § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG folgt, dass (nur) sämtliche inländischen Einkünfte auf der Ebene der Bemessungsgrundlage in das gemeinsame Einkommen der Ehegatten eingerechnet werden.

2. Einkünfte der in Polen wohnenden Ehefrau eines im Inland unbeschränkt Steuerpflichtigen aus der Vermietung einer in Polen gelegenen Immobilie unterliegen im Falle der Zusammenveranlagung nach § 1a EStG dem Progressionsvorbehalt. Eine Subsumtion dieser Einkünfte neben § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG auch unter die Vorschrift des § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG erfordert eine grenzüberschreitende Konstellation, an der es vorliegend fehlt.

 

Normenkette

EStG § 32b Abs. 1 S. 1 Nrn. 3, 5, S. 2 Nr. 3, §§ 49, 26 Abs. 1 S. 1, § 1a Abs. 1 Nr. 2

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die steuerliche Behandlung von in Polen erzielten Einkünften.

Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Er erzielt aus einer in B… ausgeübten freiberuflichen Tätigkeit als Steuerberater Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Im Jahr 2018 (Streitjahr) unterhielt der Kläger am Kanzleisitz C…-straße, B… auch eine Wohnung.

Der Kläger ist verheiratet; seine Ehefrau ist polnische Staatsangehörige und wohnt in Polen. Sie erzielt in Deutschland Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Anstellung bei einer D… GmbH in B…) sowie gewerbliche Einkünfte aus dem Betrieb eines Übersetzungsbüros in B…. Die Eheleute leben nicht dauernd getrennt.

Für das Streitjahr gaben der Kläger und seine Ehefrau gegenüber dem Beklagten eine gemeinsame Einkommensteuererklärung ab und beantragten die Zusammenveranlagung. Zugleich gaben die Eheleute an, die Ehefrau habe in Polen Einkünfte in Höhe von 4.104 EUR erzielt, die nicht der deutschen Einkommensteuer unterlägen. Der Erklärung beigefügt war eine polnische Anlage EU/EWR; dieser zufolge hatte die Ehefrau im Streitjahr in Polen Lohneinkünfte in Höhe von 17.490 PLN = 4.104 EUR sowie Einkünfte aus der Vermietung einer in Polen gelegenen Immobilie in Höhe von 13.200 PLN = 3.089 EUR erzielt.

Der Beklagte veranlagte die Eheleute mit Bescheid vom 5. März 2020 gemäß § 26 Abs. 1 in Verbindung mit § 1a Abs. 2, § 1 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) antragsgemäß zusammen zur Einkommensteuer. Dabei unterwarf er die in der Bescheinigung EU/EWR ausgewiesenen Einkünfte der Ehefrau sämtlich dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG.

Der Kläger erhob hiergegen am 11. März 2020 Einspruch und trug vor, die aus Polen stammenden Einkünfte seiner Ehefrau seien falsch berücksichtigt worden; die Vermietungseinkünfte stünden gemäß § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG nicht unter dem Progressionsvorbehalt.

Mit Einspruchsentscheidung vom 3. März 2021 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück: Die Anwendung des Progressionsvorbehalts auf die Vermietungseinkünfte sei zutreffend erfolgt. Nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG seien Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen, die bei Anwendung von § 1 Abs. 3 EStG und § 1a EStG bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens unberücksichtigt geblieben seien, weil sie nicht der deutschen Einkommensteuer oder einem Steuerabzug unterlägen, dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen. Diese Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Die Ehefrau des Klägers werde gemäß § 1a Abs. 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt. Da ihre Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Polen wie auch ihre Einkünfte aus der Vermietung der in Polen gelegenen Immobilie in Deutschland nicht der Einkommensteuer unterlägen, seien sie dem Progressionsvorbehalt zu unterwerfen. Die vom Kläger angeführte Ausnahmeregelung des § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG sei nicht einschlägig, da die Steuerfreiheit der polnischen Vermietungseinkünfte im Streitfall nicht auf § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG, sondern auf § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG beruhe. Die Regelung wolle nach ihrem Wortlaut sowie nach ihrem Sinn und Zweck einen Ausgleich für die unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs. 1, § 1a EStG schaffen. Bei fiktiv unbeschränkt Steuerpflichtigen beruhe der Progressionsvorbehalt nicht auf einer Freistellung gemäß Doppelbesteuerungsabkommen, sondern auf dem Nichtvorliegen inländischer Einkünfte.

Der Kläger hat daraufhin am 8. April 2021 Klage erhoben.

Er ist der Auffassung, die von seiner Ehefrau im Streitjahr in Polen erzielten Vermietungseinkünfte unterlägen gemäß Art. 6 Abs. 1 des Abkommens vom 14. Mai 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA Polen) dem Besteuerungsrecht Polens a...

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