Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld. kein Unterhaltsanspruch des Kindes gegenüber dem Vater seines eigenen Kindes bei gemeinschaftlicher Kinderbetreuung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB lässt sich keine pauschale dreijährige Unterhaltspflicht des Kindesvaters gegenüber der das gemeinsame Kind betreuenden Mutter entnehmen. Maßgeblich für den Unterhaltsanspruch der Mutter ist vielmehr, dass das Kind in den ersten drei Lebensjahren tatsächlich in den Genuss der persönlichen Betreuung durch die Kindesmutter kommt.

2. Im Falle einer gemeinschaftlichen Kinderbetreuung durch die nicht miteinander verheirateten Kindeseltern sieht das Gesetz keine gegenseitige Unterhaltsverpflichtung vor.

3. Im Rahmen der eigenen Einkünfte und Bezüge eines in Ausbildung befindlichen Kindes ist kein Unterhaltsanspruch gegenüber dem Vater seines eigenen Kindes (Enkelkind des Kindergeldberechtigten) anzusetzen, wenn es das Kind nicht allein, sondern mit dem Kindesvater gemeinschaftlich betreut hat.

 

Normenkette

EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 32 Abs. 4 S. 2; BGB § 1615l

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.02.2015; Aktenzeichen XI R 14/13)

BFH (Urteil vom 25.02.2015; Aktenzeichen XI R 14/13)

 

Tenor

Der Bescheid vom 12. Juni 2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 8. August 2008 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für die Tochter der Klägerin für das Jahr 2006 zu Recht aufgehoben hat.

Die Klägerin ist die Mutter des Kindes B., geboren am 7. Juli 1981. Der Vater von B. verstarb im Januar 1997. B. ist Mutter der am 5. November 2004 geborenen D..

Jedenfalls mit Bescheid vom 28. April 2005 setzte die Beklagte für B. vor dem Streitzeitraum laufendes Kindergeld fest.

Ausweislich vorgelegter Studienbescheinigungen war B. jedenfalls von Wintersemester 2005/2006 bis Wintersemester 2006/2007 ordnungsgemäß an der Universität E. immatrikuliert und nicht beurlaubt.

Laut Lohnsteuerbescheinigung für 2006 erzielte B. in diesem Jahr einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 2.939,50 EUR. Ein Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 3. April 2006 weist für April 2006 bis einschließlich September 2006 eine monatliche Rente in Höhe von 150,07 EUR aus.

Mit Bescheid vom 12. Januar 2008 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung zu Gunsten der Klägerin für B. für den Zeitraum Januar 2006 bis Dezember 2006 auf und verlangte die Rückzahlung des für diesen Zeitraum gezahlten Kindergeldes in Höhe von 1.848 EUR. B. lebe mit dem Kindesvater in einem gemeinsamen Haushalt. Da dieser über ein hohes Einkommen verfüge, entfalle die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber B. und damit auch deren Kindergeldanspruch. Zudem habe B. in 2006 über Einkünfte und Bezüge verfügt, welche den maßgeblichen Grenzbetrag bei weitem überschritten hätten. Es sei zu unterstellen, dass sich die Kindeseltern das zur Verfügung stehende Einkommen geteilt hätten, weshalb B. als Unterhaltsleistungen des Kindesvaters 17.757,39 EUR zuzurechnen seien. Auf die Anlage zur Grenzbetragsberechnung wird ergänzend Bezug genommen,

Ihren gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch begründete die Klägerin damit, B. sei nicht durch die Betreuung von D. an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert worden, sondern durch die Weiterführung ihres Studiums. Die Voraussetzungen für eine Unterhaltspflicht des Kindesvaters gegenüber B. während der Dauer ihrer Ausbildung lägen ebenfalls nicht vor.

Mit Einspruchsentscheidung vom 8. August 2008 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Nach § 1615I Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erwerbe eine mit dem Vater ihres Kindes nicht verheiratete Frau aus Anlass der Geburt ihres Kindes einen Unterhaltsanspruch gegen den Kindesvater. Sofern der Kindesvater leistungsfähig sei, trete der gesetzliche Unterhaltanspruch der Eltern der Kindesmutter … hier B. – zurück. Wie bei verheirateten Kindern entfalle dabei mangels vorrangiger Unterhaltspflicht der Kindergeldanspruch.

Mit ihrer Klage vertritt die Klägerin die Auffassung, sie sei B. auch in 2006 zum Unterhalt verpflichtet gewesen, da B. sich in ihrer ersten Berufsausbildung befunden und eigenes Einkommen zur Deckung des Unterhaltsbedarfs B. nicht in ausreichender Höhe zur Verfügung gestanden habe. Andere Personen seien nicht vorrangig zum Unterhalt von B. verpflichtet gewesen. Einkommen und Bezüge von B. überschritten nicht den maßgeblichen Grenzbetrag von 7.680 EUR. Tatsächlich habe B. in 2006 lediglich Einnahmen in Höhe von 4.740,34 EUR erzielt, nämlich

Geringfügige Beschäftigung

netto

2.939,50 EUR

Halbwaisenrente

1.800,84 EUR

Gesamtsumme

4,740,39 EUR

Fik...

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