rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Steuerbefreiung der von einer GbR als Betreiberin einer Seniorenresidenz erzielten Umsätze aus dem Hausnotrufsystem und aus der Betreuungspauschale. Gleichbehandlung mit anerkannten Wohlfahrtsverbänden

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die von einer Seniorenresidenz-GbR gegenüber den Heimbewohnern erbrachten Betreuungsleistungen und der Hausnotruf sind keine Nebenleistungen zur Wohnraumvermietung und teilen daher deren Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 UStG nicht.

2. Die Bundesrepublik Deutschland ist der Verpflichtung, alle in Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL genannten Umsätze von der Umsatzsteuer zu befreien, auch mit der Neufassung des § 4 Nr. 16 UStG zum 1.1.2009 nicht (vollständig) nachgekommen. Es eröffnet sich auch nach der Neufassung die Möglichkeit für Steuerpflichtige, die die Voraussetzungen der Steuerfreiheit für Umsätze nach § 4 UStG nicht erfüllen, sich unmittelbar auf die Befreiungsvorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL zu berufen.

3. Eine Seniorenresidenz-GbR, die keine von der BRD anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter ist, kann sich nicht unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL berufen.

4. Die streitigen Leistungen sind auch nicht nach dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität deshalb steuerfrei zu stellen, weil auf anerkannte Wohlfahrtsverbände die Vorschrift des § 4 Nr. 18 UStG anwendbar ist.

 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 16 Buchst. k, Nrn. 12, 18; EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. g

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 03.08.2017; Aktenzeichen V R 52/16)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die von der Seniorenresidenz GbR erzielten Umsätze aus dem Hausnotrufsystem und aus der Betreuungspauschale gemäß § 4 Nr. 16 Umsatzsteuergesetz in der für die Streitjahre geltenden Fassung –UStG– oder aufgrund der Anwendung von Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe g) Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie, Amtsblatt der Europäischen Union –ABl.EU– Nr. L 347 Seite 1) – MwStSystRL – umsatzsteuerfrei sind.

Die Seniorenresidenz GbR war eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß §§ 705 ff Bürgerliches Gesetzbuch –BGB–. Ihre Gesellschafterinnen waren die B… GmbH und die A… GmbH. Im Jahre 2014 wurde die B… GmbH im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöscht, so dass die A… GmbH als alleinige Gesellschafterin der Seniorenresidenz GbR verblieb und nunmehr als Gesamtrechtsnachfolgerin Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits ist.

Die Seniorenresidenz GbR meldete zum 01.02.2007 beim zuständigen Gewerbeamt den Betrieb einer Senioreneinrichtung als gewerbliche Tätigkeit an. Mit Gesellschafterbeschluss vom 30.09.2010 wurde ihre Liquidation beschlossen.

In den Streitjahren betrieb die Seniorenresidenz GbR auf einem gepachteten Grundstück die Seniorenresidenz C…-straße in D…. Die Anlage besteht aus acht Häusern mit insgesamt 153 seniorengerechten Wohnungen. Diese Wohnungen vermietete die Seniorenresidenz GbR an die jeweiligen Bewohner. Nach den Regelungen in Abschnitt 99 Umsatzsteuer-Richtlinie 2008 beziehungsweise Abschnitt 4.16.5 Abs. 5 Umsatzsteuer-Anwendungserlass war die Seniorenresidenz als Altenwohnheim einzuordnen.

Die Seniorenresidenz GbR bot den Bewohnern ein umfangreiches Getränke- und Verpflegungsangebot, welches Frühstück, Mittag- und Abendessen beinhaltete. Dafür wurden eigene Speiseräume und überwiegend eigenes Küchen- und Hauswirtschaftspersonal vorgehalten. Die pflegerischen Leistungen wurden zusätzlich von einem Pflegedienst erbracht. Mit diesem wurde eine Kooperation eingegangen, um die notwendigen und gewünschten grund- und behandlungspflegerischen Leistungen entsprechend den Richtlinien des Sozialgesetzbuches –SGB– XI und SGB V zu erbringen und mit den Kostenträgern abzurechnen. Eine Verpflichtung der Seniorenresidenz GbR gegenüber den Bewohnern zur Erbringung von Pflegeleistungen bestand nicht. Der Pflegedienst erbrachte diese Leistungen in eigener Verantwortung gegenüber den Bewohnern und rechnete diese Leistungen auch selbständig gegenüber den Bewohnern ab.

Daneben erbrachte die Seniorenresidenz GbR eine Vielzahl von Serviceleistungen an die Bewohner. Dies waren: Beratung und Information an der Rezeption, Freizeitgestaltung im Haus, Durchführung von Veranstaltungen, Organisation und Durchführung regelmäßiger Ausflüge, Essen im hauseigenen Restaurant mit Menüauswahl, Vermittlung von Ärzten und Terminabsprachen, Rezeptbestellung, Einkaufsservice, Postempfang und -versand, Notrufsystem und ambulanter Pflegedienst im Haus, Reinigung der Wohnungen, Wäschedienst, Hausmeisterservice, Blumenpflege, Speise- und Getränkeservice.

Für einen Bewohner betrugen die dafür berechneten Kosten für das Hausnotrufsystems monatlich 17,90 EUR und die Betreuungspauschale monatlich 75,00 EUR. Diese Lei...

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