Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch eines „berechtigt erwerbstätigen” Asylbewerbers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine „berechtigte Erwerbstätigkeit” i. S. d. § 62 Abs. 2 Nr. 3b EStG liegt vor, wenn ein Asylbewerber eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG besitzt und für gemeinnützige Arbeiten unter den Beschränkungen des § 5 AsylbLG eingesetzt wird, wenn der Asylbewerber stetig zum Dienst erschienen ist und in den Arbeitsalbauf integriert war.

2. Der Wortlaut des § 62 Abs. 2 Nr. 3b EStG stellt keine Anforderungen an Art und Umfang der Tätigkeit.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 2 Nr. 3b; AsylbLG § 5; AufenthG § 25 Abs. 5

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 04.01.2018; Aktenzeichen III R 63/12)

 

Tenor

1. Unter Aufhebung des Verwaltungsakts vom 14. Juni 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2011 wird der Klägerin Kindergeld für die Monate März und Mai bis Juli 2010 gewährt.

2. Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, trägt die Klägerin die Kosten des Verfahrens; im Übrigen trägt die Kosten die Beklagte.

3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann die Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin hat eine Tochter (A, geb. am 05. August 2002). Die Klägerin ist kongolesische Staatsangehörige und war vom 03. Februar 2004 bis zum 04. März 2010 im Besitz einer Aufenthaltsgestattung zur Durchführung eines Asylverfahrens. Am 07. März 2010 erhielt sie eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Ihre Tochter lebt in ihrem Haushalt und erhielt vom 03. Februar 2004 bis zum 09. April 2008 eine Aufenthaltsgestattung. Seit dem 09. April 2008 ist sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufentG. Seit September 2010 ist die Klägerin bei der Gebäudereinigungsfirma X beschäftigt. Im Zeitraum von Juni 2006 bis einschließlich Juli 2010 war sie in einem Kindergarten und einer Krankenhausküche für gemeinnützige Arbeiten eingesetzt. Diese Tätigkeit war ihr explizit von der zuständigen Behörde (Landratsamt B) mit an den Y Kindergarten gerichtetem Schreiben vom 12. Juni 2006 erlaubt worden (Akte I, Blatt 91 der beigezogenen Sozialgerichtsakten). In dem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass der zeitliche Umfang von 20 Wochenstunden (monatlich höchstens 100 Stunden) nicht überschritten werden dürfe, da nach § 5 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) eine vollständige Arbeit nicht entstehen dürfe. Für die Arbeitsgelegenheit sei nach § 5 Abs. 2 AsylbLG eine Entschädigung von 1,05 EUR je Stunde zu bezahlen, die vom Landratsamt B übernommen werde. In der Folge kam es auch zu Überschreitungen der Arbeitszeit, die jedoch gebilligt wurden. Über die geleisteten Arbeitsstunden existieren handschriftliche Aufzeichnungen, auf deren Grundlage die Vergütung erfolgte. Für den streitbefangenen Zeitraum existieren für die Monate März bis Juli 2010 (mit Ausnahme des April) entsprechende Arbeitsstundennachweise. Danach wurden Arbeitsstunden wie folgt geleistet:

März

97

April

kein Arbeitsstundennachweis in Akte

Mai

76

Juni

100

Juli

102

Mit Verwaltungsakten vom 14. Juni 2011 wurde der Klägerin Kindergeld ab September 2010 gewährt und für den Zeitraum Januar bis August 2010 die Gewährung abgelehnt.

Der dagegen form- und fristgerecht eingelegte Einspruch mit dem Antrag, auch für den Zeitraum von März bis August 2010 Kindergeld zu gewähren, wurde durch Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 2011, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, mit der vorliegenden Klage.

Zur Begründung wird im Wesentlichen sinngemäß vorgetragen, dass die Klägerin bereits in diesem Zeitraum die Voraussetzungen nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 c) i.V.m. Nr. 3 b) Einkommensteuergesetz (EStG) erfüllt habe, insbesondere sei sie berechtigt erwerbstätig gewesen. Die geleistete gemeinnützige Arbeit sei insoweit ausreichend.

Die Klägerin beantragt,

den Verwaltungsakt vom 14. Juni 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr Kindergeld auch für den Zeitraum März und Mai bis Juli 2010 zu gewähren,

die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

Bei den von der Klägerin verrichteten gemeinnützigen Tätigkeiten habe es sich um keine Erwerbstätigkeit im Sinne von § 62 Abs. 2 Nr. 3b) gehandelt. Insoweit dürfte e...

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