Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Sechmonatsfrist für die rückwirkende Zahlung von Kindergeld

 

Leitsatz (redaktionell)

Stellt der von dem anderen Elternteil getrennte Kindergeldberechtigte, in dessen Haushalt die Kinder leben, erst - 24 Monate nach Einstellung der Kindergeldzahlungen an den anderen Elternteil - im Februar 1999 einen eigenen Kindergeldantrag, so kann das Kindergeld - beim Vorliegen der Voraussetzungen - rückwirkend längstens bis einschließlich Juli 1997 gezahlt werden. Die Regelung des mit Wirkung ab 1.1.1998 gestrichenen Absatzes 3 im § 66 EStG ist verfassungsgemäß (Ausführungen zur Wiedereinsetzungsfähigkeit der Sechmonatsfrist des § 66 Abs. 3 EStG, zum Bestehen einer Pflicht der Familienkasse mögliche Kindergeldberechtigte zur Antragstellung aufzufordern; Beratungspflicht und Vertrauensschutz).

 

Normenkette

EStG § 66 Abs. 3, § 52 Abs. 32b (jetzt Abs. 62)

 

Tatbestand

Streitig ist das Kindergeld für die Zeit von März bis Juni 1997.

Der Kläger (Kl) begehrt Kindergeld für seine drei Kinder (… geboren am … 1987, … geboren am … 1989 und … geboren am … 1989). Bis Februar 1997 wurde das Kindergeld aufgrund eines Antrags vom 24. Oktober 1989 der damaligen Ehefrau des Kl gewährt. Der Kl erklärte sich ausdrücklich damit einverstanden, dass das Kindergeld an die Ehefrau gezahlt wird. Der Kl stellte keinen eigenen Antrag auf Kindergeld. Das Kindergeld wurde auf ein Konto bei der … und nach einer Mitteilung der Ehefrau vom 4. Januar 1990 auf ein Konto bei der … gezahlt. Die Ehe wurde am 27. Januar 1994 rechtskräftig geschieden.

Am 17. Februar 1997 stellte der Bekl fest, dass die Kinder nicht im Haushalt der Mutter sondern im Haushalt des Vaters leben. Die Festsetzung des Kindergeldes an die Mutter wurde mit Verfügung vom 18. Februar 1997 mit Ablauf des Februars 1997 aufgehoben.

Am 4. Februar 1999 stellte der Kl selbst einen Antrag auf Kindergeld. Mit Bescheid vom 22. Februar 1999 setzte der Bekl das Kindergeld ab Juli 1997 auf monatlich DM 740 fest. Der Bekl erläuterte, Kindergeld könne nach § 52 Abs. 32 b Einkommensteuergesetz (EStG) nur ab Juli 1997 gezahlt werden, jedoch nicht für vorausgegangenen Monate. Dagegen legte der Kl-Vertreter für den Kläger am 10. März 1999 Einspruch ein mit der Begründung, das Kindergeld sei seit jeher auf das Konto des Kl gezahlt worden. Eine Aufhebung der Kindergeldzahlung sei zwar an die Mutter versandt worden, jedoch weder dem kindergeldberechtigten Vater mitgeteilt worden, noch sei diesem eine Aufforderung zugegangen, einen eigenen Kindergeldantrag zu stellen. Der Kl genieße daher Vertrauensschutz. Aus diesem Grund sei ihm Kindergeld auch für die Zeit von März bis Juni 1997 zu gewähren.

Mit der Einspruchsentscheidung vom 6. April 1999 wurde der Einspruch zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Klage vom 6. Mai 1999, mit der der Vortrag im Einspruchsverfahren wiederholt wurde. Der Kl sei ohne eigenes Verschulden nicht in der Lage gewesen, einen eigenen Kindergeldantrag zu stellen. Der Kl habe mit Schreiben vom 1. Dezember 1997 Widerspruch gegen die Festsetzung des Kindergelds wegen Bedenken gegen die Höhe des Kindergeldes aus verfassungsrechtlichen Gründen erhoben. Damals hätte das Arbeitsamt dem Kl mitteilen müssen, dass entweder von der Ehefrau der Einspruch erhoben oder vom Kl ein eigener Kindergeldantrag zu stellen sei. Zum damaligen Zeitpunkt sei dem Arbeitsamt bekannt gewesen, dass allein der Kl kindergeldberechtigt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 6. Mai. 22. Juni, 13. Juli, 12. August und 12. Oktober 1999 verwiesen.

Der Kl beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 6. April 1999 den Bescheid vom 22. Februar 1999 dahingehend abzuändern, dass auch für die Zeit von März bis Juni 1997 Kindergeld in Höhe von monatlich DM 740 festgesetzt wird.

Der Bekl beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die Einspruchsentscheidung. Den Eheleuten sei 1989 mitgeteilt worden, dass Kindergeld stets nur an eine Person gezahlt werden könne. Der Kl sei mit der Antragstellung durch die Ehefrau einverstanden gewesen und habe keinen Antrag gestellt. Deshalb sei der Bescheid vom 18. Februar 1997 an die frühere Ehefrau ergangen. Laut einem Vermerk in der Kindergeldakte für die Ehefrau seien im Februar 1997 Antragsunterlagen an den Vater versandt worden. Im übrigen sei es nicht Aufgabe des Bekl, die Familien über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung zu informieren. Im übrigen sei die Sechsmonatsfrist des § 66 Abs. 3 EStG keine wiedereinsetzungsfähige Frist i.S.d § 110 AO. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 7. Juli und 17. September 1999 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Nach § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Nach § 64 Abs. 2 EStG wird bei mehreren Berechtigten das Kindergeld demjenigen gezahlt, der das Kind in seinem Haushalt aufgenommen hat. Das gilt insbesondere, wenn sich die Eltern trennen und das Kind anschließend nur bei einem Berechtigten im ...

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