rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Änderung eines bestandskräftigen Vollabhilfebescheides wegen rückwirkender Neuregelung der Abziehbarkeit von Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer. Keine gerichtliche Änderung des Zusammenveranlagungsbescheides wenn Voraussetzungen für Zusammenveranlagung nicht vorliegen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Mit Erlass des Vollabhilfebescheids ist das Einspruchsverfahren in der Hauptsache erledigt.

2. Das FA darf das Schweigen des Einspruchsführers auf einen Vollabhilfebescheid als Erledigungserklärung verstehen.

3. Die Nutzung eines Arbeitszimmers ist keine neue Tatsache i. S. d. § 173 AO, wenn der Steuerpflichtige die Aufwendungen in der Steuererklärung ausdrücklich erklärt hat.

4. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Norm stellt keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i. S. von § 173 AO dar.

5. Die nachträgliche Änderung der rechtlichen Beurteilung eines unverändert bestehenden Sachverhalts führt nicht zu einer Berichtigungsmöglichkeit nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO.

6. § 52 Abs. 12 S. 9 EStG sieht keine Änderungsmöglichkeit für bestandskräftige Bescheide vor, da die Änderung eines Bescheids nicht nur eine für den Steuerpflichtigen materiell günstige Rechtslage, sondern auch die verfahrensrechtliche Möglichkeit zur Änderung des Bescheids voraussetzt.

7. Wird im Laufe eines Verfahrens festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nicht vorliegen, kann der Bescheid über die Zusammenveranlagung nicht geändert, sondern nur aufgehoben und ein neues Veranlagungsverfahren durchgeführt werden; denn Einzel- und Zusammenveranlagung sind wesensverschiedene Veranlagungsformen. Mit einer Bescheidaufhebung ginge das Gericht jedoch in unzulässiger Weise über das Klagebegehren des Klägers hinaus und verstieße damit gegen § 96 Abs. 1 S. 2 FGO.

 

Normenkette

AO § 367 Abs. 2 S. 3, § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b, § 52 Abs. 12 S. 9; BVerfGG § 79 Abs. 2; FGO § 96 Abs. 1 S. 2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger war im Streitjahr (2007) mit Frau B verheiratet und wurde mit ihr vom Beklagten (dem Finanzamt –FA–) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.

In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 beantragten der Kläger und seine Ehefrau Zusammenveranlagung. Daneben gab der Kläger an, als Lehrer tätig zu sein. Auf der Anlage N trug er auf Seite 2 diagonal ein: „Pauschale einsetzen!”. In Zeile 51 zum Thema „Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer” gab der Kläger außerdem an: „siehe Anlage 1” und trug bei der Kennziffer 74 den Betrag „1216” ein. In der Anlage 1 zur Einkommensteuererklärung heißt es u.a.: „Aufwendungen für Arbeitsmittel” „Werbungskostenpauschale einsetzen”. „Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer: Gesamtwohnfläche 60 qm, Größe des Arbeitszimmer 16 qm (= 26,7%). Aufwendungen für die gesamte Wohnung im Jahr 2007: … Zwischensumme: 3.138,18 EUR. davon 26,7% = 837,89 EUR. Direkt zurechenbar: selbst beschaffte Brennstoffe (Fahrtkosten 15 × 84 km × 0,3 EUR) 378,00 EUR. Summe 1.215,89 EUR.”

Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 vom 10. Juli 2008 führte das FA antragsgemäß eine Zusammenveranlagung durch. Bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigte das FA statt der erklärten Werbungskosten nur den Werbungskosten-Pauschbetrag in Höhe von damals 920 EUR (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes –EStG–). In den Erläuterungen zum Bescheid heißt es dazu: „Die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer einschließlich dessen Ausstattung (jedoch mit Ausnahme von Arbeitsmitteln) konnten nicht (mehr) berücksichtigt werden, weil das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt Ihrer gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit darstellt.” Der Bescheid erging außerdem gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO a.F. vorläufig hinsichtlich der beschränkten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen, der Anwendung der Vorschriften zur Entfernungspauschale, der Nichtabziehbarkeit von Steuerberatungskosten als Sonderausgaben sowie der Nichtberücksichtigung pauschaler Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben in Höhe der steuerfreien Aufwandsentschädigung nach § 12 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Bundestagsabgeordneten (AbgG).

Mit seinem Einspruch vom 11. Juli 2008 brachte der Kläger gegen den Bescheid (lediglich) vor, das FA habe die Absetzungen für Abnutzung (AfA) für ein Vermietungsobjekt in Mainz zu Unrecht gekürzt. Weitere Einwendungen erhob der Kläger mit seinem Einspruch nicht. Diesem Einspruch half das FA durch den auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) gestützten Änderungsbescheid vom 4. August 2008 ab. In den Erläuterungen heißt es: „Hierdurch erledigt sich ihr Einspruch/Antrag vom 11. Juli 2008.” Weiter heißt es auch hier: „Die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer einschließlich dessen Ausstattung (jedoch mit Ausnahme von Arbeits...

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