Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine beschrankte Steuerpflicht durch Nutzungsüberlassung von Kundenadressen mit Hinweisen auf das Konsumverhalten. Haftung für Körperschaftsteuer 1993 – 1995

 

Leitsatz (amtlich)

1. Überlässt eine ausländische Gesellschaft einem mit der Vermittlung von Adressen für die Direktwerbung beschäftigten inländischen Unternehmen entgeltlich elektronisch gespeicherte Kundenadressen und damit verbundene Informationen, die Aufschluss über das Konsumverhalten der betreffenden Kunden geben, zur Nutzung, so erzielt es dadurch keine zur beschränkten Steuerpflicht führenden „Sonstigen Einkünfte” i. S. des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG; insbesondere erfüllt diese Nutzungsüberlassung weder den Tatbestand der Überlassung „ähnlicher Erfahrungen, Kenntnisse und Fertigkeiten” noch ist sie mit den im Gesetz exemplarisch genannten „Plänen, Mustern und Verfahren” vergleichbar.

2. Die gesetzliche Regelung von § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst die Überlassung von Know-how (vgl. BFH-Rechtsprechung zum Begriff des Know-hows).

 

Normenkette

EStG § 49 Abs. 1 Nr. 9, § 22 Nr. 3, § 50a Abs. 5 S. 5, Abs. 4 Nr. 3; KStG § 2 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 13.11.2002; Aktenzeichen I R 90/01)

 

Tenor

1. Der Haftungsbescheid und das Leistungsgebot vom 30. Oktober 1997, jeweils in Form der Einspruchsentscheidung vom 19. April 1999 und des geänderten Bescheids vom 15. August 2000, werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, falls die Klägerin nicht ihrerseits Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, inwieweit die Klägerin als Schuldnerin von Vergütungen für einen ausländischen Vertragspartner für nicht einbehaltene und abgeführte Abzugssteuern haftet (§ 50 a Abs. 5 Satz 5 i.V.m. § 50 a Abs. 4 Nr. 3 Einkommensteuergesetz –EStG–, § 2 Nr. 1 Körperschaftsteuergesetz –KStG–, § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG).

Die Klägerin betreibt im Rahmen eines Firmenverbunds insbesondere die Vermittlung von Adressen für die sog. Direktwerbung. Dabei werden Anschriften von Kunden oder Interessenten, die beim Vertrieb von Waren, Publikationen oder Dienstleistungen sowie bei der Werbung auf unterschiedliche Weise gewonnen werden, zum einmaligen oder regelmäßigen Versand von Werbeschriften gegen Entgelt überlassen. Die Klägerin erwirbt z. B. von Verlagen oder einschlägigen Dienstleistungsfirmen (sog. Listbroking) Adressen von Kunden bestimmter Publikationen oder aus dem Versandhandel, die ihrerseits von Versandhandelsunternehmen der Firmengruppe der Klägerin genutzt werden. Die Preise für die in der Regel einmalige Nutzung derartiger Adressen lagen in der hier fraglichen Zeit im Bereich von knapp 200 DM bis zu rd. 300 DM je 1.000 Adressen. Dabei wurde der Klägerin durch ihren Lieferanten häufig eine sog. Provision als Preisabzug gutgeschrieben. Die Klägerin berechnete ihrerseits an ihre Abnehmer je nach Höhe der Provision die Preise ohne Abschlag oder mit einem Zuschlag weiter. Häufig wurden neben Versand- und Übermittlungskosten auch sog. Selektionskosten berechnet, wenn die Adressen z. B. nach Altersgruppen, Geschlecht, Kundenaktivität sortiert waren. Umgekehrt vermittelte die Klägerin an außenstehende Nutzer, z. B. Lotterieeinnehmer, bestimmte im Firmenverbund der Klägerin gewonnene Adressen.

Die Klägerin arbeitete im streitigen Zeitraum 1993 bis 1995 ständig auch mit der Firma C. S.A.M. (Aktiengesellschaft monegassischen Rechts) mit Sitz in Monaco zusammen. Sie schloss herbei u. a. am 21. Januar 1991 einen „Vertrag über Nutzungsrecht” ab. Nach dessen Nr. 1 sei die Firma C. Eigentümer von 150.000 Postkäuferanschriften aus der ehemaligen DDR. Nach Nr. 2 der Vereinbarung erklärt sich die Firma C. „bereit, die o.a. 150.000 Postkäuferanschriften PM (der Klägerin) zur exklusiven Nutzung zur Verfügung zu stellen. Der Nutzungspreis pro Adresse beträgt DM 2,80.” Nach Nr. 3 der Vereinbarung ist die Klägerin berechtigt, „die Adressen nach Belieben zu verwalten, einzusetzen, zu verändern oder das Nutzungsrecht für die Adressen, im Rahmen der Tätigkeit… als Listbroker, weiterzugeben. C. verpflichtet sich, die Adressen im Zeitraum von vier Jahren nicht zu verkaufen bzw. das Nutzungsrecht keiner anderen Firma einzuräumen.”

Einschließlich der Vergütung aufgrund der genannten Vereinbarung zahlte die Klägerin an die Firma C. für Adressenüberlassungen in den Streitjahren die folgenden Vergütungen. Aufgrund der sog. Nullregelung (§ 52 Abs. 2 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung –UStDV–) wurde Umsatzsteuer weder ausgewiesen noch bezahlt. …

Bei einer am … für die Jahre 1991 bis 1994 angeordneten und … auf 1995 ausgedehnten Außenprüfung (Betriebsprüfung –BP–) vertrat der Prüfer die Ansicht, die Firma C. erziele durch die Vermietung der Adressen inländische Einkünfte gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG i.V.m. § 8 KStG im Sinne der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht nach § 2 KStG. Es hand...

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