Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit bei einem ausländischen Arbeitgeber. Keine Anwendung des Freizügigkeitsabkommens auf Steuergesetze. Vertrauensschutz aufgrund einer Verwaltungsanweisung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit eines im Inland ansässigen Grenzgängers, der bei einem Schweizer Arbeitgeber beschäftigt ist, als fester Bestandteil des Monatslohnes allgemein pauschaliert abgegolten und ist deshalb weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach Prozentsätzen des Grundlohns) möglich, kommt eine Steuerbefreiung nach § 3b EStG nicht in Betracht.

2. Ist eine Zurechnung der Höhe nach nicht möglich, schließt dies aus, lediglich die Differenz zwischen der Pauschale und dem sich bei der Einzelberechnung ergebenden Betrag als steuerpflichtigen Arbeitslohn zu behandeln.

3. Dies gilt auch bei einem ausländischen Arbeitgeber.

4. Das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EG steht dem nicht entgegen, da dieses auf Steuernormen keine Anwendung findet und als völkerrechtlicher Vertrag den Rang eines Bundesgesetzes hat und damit den Steuergesetzen nicht vorgeht.

5. Das FA ist bei einem Zuständigkeitswechsel nicht an die steuerliche Behandlung des bisher zuständigen FA gebunden.

6. Vertrauensschutz aufgrund einer Verwaltungsanweisung wird nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung, sondern im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme gewährt.

 

Normenkette

EStG § 3b; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 59 Abs. 2; FZA Art. 21; AO § 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 24.09.2013; Aktenzeichen VI R 48/12)

BFH (Urteil vom 24.09.2013; Aktenzeichen VI R 48/12)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger (Kl) sind Eheleute, die zusammen veranlagt werden und ihren Wohnsitz im Inland haben. Der Kl ist als Lokomotivführer seit 1. Mai 2004 bei der C GmbH, X/Schweiz, im Schichtdienst tätig. Er fährt „Cargo” und nicht Personenverkehr. Seine wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden ohne Berücksichtigung von Pausen (Ziffer 8 des Arbeitsvertrags). Nach Ziffer „9. Gehalt” des Arbeitsvertrags erhält der Arbeitnehmer ein

„jährliches Bruttosalär von CHF 108.600.–, zahlbar in 12 Monatslöhnen von je brutto CHF 9050,– spätestens am Ende jeden Monats. … In diesen Beträgen sind CHF 13600,– p.a. bzw. CHF 1133,33 p.M. an Sonn-, Feiertags- und Nachtdienstzuschlägen pauschal enthalten, ebenso der Ortszuschlag. …”

Wegen der Einzelheiten wird auf den Arbeitsvertrag Bezug genommen (Klage-Akte, S. 99-101).

Der Lohnausweis des Kl für das Streitjahr 2006 (Einkommensteuer(ESt)-Akte, S. 62) wies einen Bruttolohn von 112.896 Schweizer Franken (SFr.) aus und darauf hin, dass im Bruttolohn 16.000 SFr. Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtdienst enthalten seien. Darüber hinaus hat der Kl Reisespesen von insgesamt 4.898 SFr. erhalten. Diese setzen sich nach den Angaben des Kl aus Reisekosten (3.586,30 SFr. für Hin- und Rückfahrten zum/vom Einsatzort) und einer Ausbleibeentschädigung von 1,30 Sfr. ab der 16. Stunde von insgesamt 1.311,30 SFr. zusammen. Der Steuerberater des Arbeitgebers des Kl bestätigte mit Schreiben vom 8. Oktober 2008, dass es sich bei den Reisespesen um die Erstattung „effektiver Auslagen (z.B. für auswärtige Übernachtungen)” handelt (Rechtsbehelfs(Rb)-Akte, S. 14 f.). Die Spesenabrechnungen, abgezeichnet vom Arbeitgeber, legte der Kl vor (Rb-Akte, S. 58 ff.).

Nach der Lohnabrechnung Januar 2006 in SFr. erhielt der Kl:

„Monatslohn

7 '716.65

Sonn-, Feiertags- und Nachtd.

1 '333.35

Total AHV-pflichtiger Lohn

9'050.00 …

Nettolohn

7'688.80 …

Reisespesen für den Monat Dezember 2005

237,25

Ausbleibeentschädigung für den Monat Dezember 2005

151.05…”

Der Monatslohn sowie der Betrag für Sonn-, Feiertags- und Nachtdienst war in den Monaten Februar 2006 bis Dezember 2006 identisch. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lohnabrechnungen der Monate Januar 2006 bis Dezember 2006 Bezug genommen (Klage-Akte, S. 21-32).

Der Kl reichte einen Einzelnachweis der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden für die Monate Januar 2006 bis Dezember 2006 mit folgenden Angaben ein:

„Tag

Gearbeitet

bis

Std.

Sonntag

Feiertag

Nacht

Davon

von

Std.

Std.

Std.

20,00-6,00

Uhr

Std. 0,00-4,00 Uhr”

Wegen der Einzelheiten wird auf diese Bezug genommen (Klage-Akte, S. 33-50).

In seiner Jahresaufstellung der tatsächlich geleisteten Arbeit 2006 (Klage-Akte, S. 51) gab er Folgendes an:

Monat

Std.

Sonntag Std.

Feiertag Std.

Nacht Std. 20,00-6,00 Uhr

Davon Std. 0,00-4,00 Uhr

Januar

61,36

16,03

5,01

Februar

114,49

2,26

25,13

12,15

März

190,39

1,30

29,37

12,45

April

139,57

11,03

6,13

17,47

6,53

Mai

75,13

15,46

4,45

Juni

124,06

38,06

16,28

Juli

128,36

3,21

36,01

22,32

August

70,33

24,57

13,40

September

58,08

13,07

12,03

Oktober

47,16

15,22

3,50

November

147,47

7,33

39,00

27,30

Dezember

110,53

29,58

16,59

1.269,43

18,20

13,46

300,57

154,41

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