Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Zusammenveranlagung bei ausschließlich im Inland zu versteuernden Einkünften und Wohnsitz in der Schweiz. Verpflichtungsklage auf Zusammenveranlagung. Gemeinschaftswidrigkeit des § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Erzielen Eheleute, die deutsche Staatsangehörige sind, ausschließlich Einkünfte, die im Inland zu besteuern sind, ist ihnen der Splittingtarif auch dann zu gewähren, wenn sie ihren Wohnsitz und gewöhlichen Aufenthalt in der Schweiz haben.

2. § 1a Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG ist gemeinschaftswidrig und gemeinschaftskonform auszulegen.

3. Die Klage auf Zusammenveranlagung ist eine Verpflichtungsklage, so dass die Einzelveranlagungsbescheide aufzuheben sind und das FA verpflichtet wird, die Verlanlagung nach Maßgabe des § 26 Abs. 1 EStG durchzuführen.

 

Normenkette

EStG § 26 Abs. 1 Hs. 1 Alt. 3, § 1 Abs. 3, § 1a Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2, 1a, § 32a Abs. 1 S. 2; AO §§ 8-9

 

Tenor

1. Der Einkommensteueränderungsbescheid für 2008 vom 30. Juni 2011, der Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 22. März 2010 und die Einspruchsentscheidung vom 10. September 2010 (jeweils zur Steuernummer: xxxxx/xxxxx) werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts auf der Grundlage einer Zusammenveranlagung der Klägerin mit René Ettwein die geänderte Einkommensteuer zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Einkommensteuerbescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft diese Urteils neu bekanntzugeben.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung von mehr als 1.500 EUR, darf die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrages erfolgen. In anderen Fällen kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leisten.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist die Ehefrau von B. (im Folgenden: B.). Beide besitzen ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Klägerin ist Unternehmensberaterin, B. gestaltender Künstler (Maler).

Die Eheleute hatten im Veranlagungszeitraum 2008 (Streitjahr) ihren Wohnsitz (§ 1 Abs. 1 Satz 1 der im Streitjahr geltenden Fassung des Einkommensteuergesetzes – EStG 2008 –) in X/Kanton Y/Confoederatio Helvetica (Schweizerische Eidgenossenschaft – im Folgenden auch: CH bzw. Schweiz –). Im Übrigen hatten sie dort auch ihre ständige Wohnstätte und den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Buchstabe a und b des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und Vermögen vom 11. August 1971 (BGBI II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519)– DBA-Schweiz 1971 –.

Aus der Unternehmensberatung erzielte die Klägerin im Streitjahr als Einzelunternehmerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von xxx.xxx EUR. B. übte seine Tätigkeit als Maler im Rahmen der B. GbR (B-GbR) aus, an der die Klägerin mit 49 v.H. und E mit 51 v.H. beteiligt waren. Nach dem Bescheid für das Streitjahr vom 28. Juni 2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte bezüglich der B.-GbR erzielten die Klägerin und E. Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe jeweils von xx.xxx,xx EUR. Die Unternehmensberatung wie auch die Tätigkeit der B.-GbR (im wesentlichen durch den E.) wurden in Konstanz (Bundesrepublik Deutschland – BRD bzw. Inland–) ausgeübt. Die B-GbR und das Einzelunternehmen der Klägerin hatten im Streitjahr jeweils nur eine Betriebsstätte (Art, 7 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 DBA-Schweiz 1971) bzw. eine feste Einrichtung (Art. 14 DBA-Schweiz 1971) im Inland. Sowohl die B-GbR als auch das Einzelunternehmen der Klägerin erbrachten im Streitjahr ausschließlich Leistungen gegenüber im Inland ansässigen Abnehmern.

Im Übrigen wurden Einnahmen aus Kapitalvermögen in Gestalt von Zinsen für eine Kapitalanlage bei der Bank I in Z (im Folgenden: Bank I) in Höhe von x.xxx,xx EUR (durch die Klägerin) und von xx,xx EUR (durch B) erzielt (Hinweis auf das Schreiben der Klägerin vom 28. Juni 2011, Bl. 216-230 der FG-Akten, und die Jahressteuerbescheinigungen der Bank I vom 26. Januar 2009, Bl. 25 und 26 der Einkommensteuerakten Band I zur St.Nr.: xxxx/xxxxx – im Folgenden: ESt-Akten I –).

In ihrer am 15. Oktober 2009 beim FA eigereichten und gemeinsam unterschriebenen Einkommensteuererklärung beantragten die Klägerin und E. die Zusammenveranlagung (Zeile 19 des Mantelbogens zur Einkommensteuererklärung, Bl. 13 der ESt-Akten I). Die Eheleute verwandten bei der Abgabe der Einkommensteuererklärung den Vordruck 2008ESt1A011.

Im – unter dem Vorbehalt der ...

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