Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzung für eine Zusammenveranlagung von getrennt lebenden Ehegatten bei einem rund drei Wochen dauernden Versöhnungsversuch

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Dauerndes Getrenntleben ist gegeben, wenn die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft endgültig aufgehoben worden ist. Haben Ehegatten durch Aus- und Wegzug aus der Ehewohnung die eheliche Gemeinschaft beendet, kann ein Versöhnungsversuch i. S. d. § 1567 Abs. 2 BGB dazu berechtigen, sie als „nicht dauernd getrennt lebend” anzusehen. Die Voraussetzungen, unter denen ein Versöhnungsversuch zur Wiederherstellung der ehelichen Gemeinschaft führt, sind jedoch nicht allgemein zu bestimmen, insbesondere ist § 1567 Abs. 2 BGB nicht (entsprechend) anwendbar.

2. Ob ein Versöhnungsversuch dauernd getrennt lebender Ehegatten zur Zusammenveranlagung berechtigt, hängt weniger von der Dauer des Versöhnungsversuchs, sondern vielmehr davon ab, ob die Eheleute die vorangegangene Trennung rückgängig machen und die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft auf Dauer wiederherstellen wollen. Dementsprechend können die Voraussetzungen für die Zusammenveranlagung bereits dann vorliegen, wenn die Eheleute im Veranlagungszeitraum drei Wochen lang zusammen in der Ehewohnung wohnen und das Zusammenleben der Versöhnung, d. h. der Begründung einer zum Wesen der Ehe gehörenden neuen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft, dienen soll. Umgekehrt begründen lediglich gelegentliche gemeinsame Übernachtungen, mehrtägige Besuche oder auch gemeinsame Urlaubsreisen noch keine neue Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft und unterbrechen mithin das Getrenntleben nicht.

3. Bei den Voraussetzungen der Zusammenveranlagung handelt es sich um steuermindernde Tatsachen, für die die objektive Darlegungs- und Beweislast bei den Steuerpflichtigen liegt (vgl. BFH, Urteil v. 12.6.1991, III R 106/87). Leben die Eheleute seit über einem Jahr getrennt und haben sie bereits eine Scheidungsfolgenvereinbarung getroffen, können die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nicht mit der bloßen Behauptung, es sei zu einem mehr als dreiwöchigen „Versöhnungsversuch” gekommen und der ausgezogene Ehemann habe während der Dauer von zwei bis drei Wochen zumindest an den Wochenenden bei seiner Frau gewohnt, ausreichend dargelegt werden, wenn sich trotz intensiver Nachfrage des Gerichtes keinerlei objektive und nachvollziehbare Anhaltspunkte für das behauptete Zusammenleben ergeben und auch keine Zeugen hierfür benannt werden können.

4. Allein ein Zusammenleben über kürzere Zeit reicht nicht für die Annahme aus, dass die Eheleute im Veranlagungszeitraum nicht dauernd getrennt gelebt haben, wenn nicht die Eheleute einvernehmlich von der erfolgten Trennung Abstand genommen haben und dies durch die Wiederaufnahme einer mindestens eingeschränkten häuslichen Gemeinschaft manifestieren.

5. Erklärungen der Ehegatten vor dem Familiengericht ist eine wichtige Indizwirkung für die Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzung des nicht dauernden Getrenntlebens beizumessen.

 

Normenkette

EStG § 26 Abs. 1, § 26b; BGB § 1567 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 23.10.2006; Aktenzeichen III B 5/06)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob eine Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer durchzuführen ist.

Der Kläger wurde durch Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – X vom 06. Dezember 1990 von seiner ersten Frau geschieden. Diese reichte am 08. Mai 1991 eine Einkommensteuererklärung für 1990 ein, mit der sie die Durchführung der Einzelveranlagung beantragte. Daraufhin führte das Finanzamt mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 28. Juni 1991 die beantragte Veranlagung durch. Am 28. Februar 1992 gaben der Kläger und seine geschiedene Frau eine gemeinsame Einkommensteuererklärung für 1990 ab, mit der sie die Zusammenveranlagung beantragten. Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) ergangenem Bescheid vom 01. April 1992 entsprach das Finanzamt diesem Antrag. Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei dem Kläger wurde festgestellt, dass dieser bereits im Januar 1989 aus der ehelichen Wohnung ausgezogen war und im Gebäude seiner Firma ein Zimmer bezogen hatte. Mit Vertrag vom 27. Februar 1989 hatte er eine Eigentumswohnung in X erworben, in der er von August 1989 bis Dezember 1990 wohnhaft war. Im Dezember 1990 war er in ein neu erbautes Einfamilienhaus in X eingezogen. Bereits mit notariellem Vertrag vom 26. April 1989 hatten die Eheleute eine Scheidungsfolgenvereinbarung getroffen. Darin hatten sie erklärt, dass sie getrennt leben würden und die Absicht hätten, sich scheiden zu lassen. Ferner hat der Prüfer die in der Wohnung des Klägers in dem Zeitraum von Dezember 1989 bis Oktober 1990 angefallenen Telefonkosten ermittelt.

Aufgrund seiner Feststellungen gelangte der Betriebsprüfer zu der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung im Jahr 1990 nicht mehr vorgelegen hätten. Das Fina...

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