Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeldanspruch der Großeltern bei Haushaltsaufnahme des Kindes entgegen dem Willen der sorgeberechtigten Mutter. Kindergeld

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nehmen die Großeltern ein minderjähriges Kind, das freiwillig den Haushalt der sorgeberechtigten Mutter verlassen hat, entgegen deren Willen in ihren Haushalt auf und verweigern die Herausgabe des Kindes, obwohl sie dazu nach dem Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtlich aufgefordert wurden, steht ihnen gleichwohl das Kindergeld zu.

2. Weil die Mutter im Hauptsacheverfahren auf die Herausgabe des Kindes verzichtete, blieb offen, wann eine dem Kindergeldanspruch entgegenstehende rechtswidrige Kindesentziehung vorliegt.

 

Normenkette

EStG § 64 Abs. 2 S. 1, § 63 Abs. 1 Nrn. 1, 3, § 70 Abs. 2

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

3. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen werden nicht erstattet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Kindergeld für das Kind … im Zeitraum Dezember 1999 bis März 2001 der Klägerin oder dem beigeladenen Vater der Klägerin zusteht.

Die Klägerin hat die am 1. Juli 1986 nichtehelich geborene … durch Beschluss des Amtsgerichts … vom 20. Oktober 1992 als Kind angenommen. Seither steht ihr die alleinige elterliche Sorge für das Kind zu. … lebte im Haushalt der Klägerin und war unter deren Wohnsitz gemeldet; zunächst in … neben dem Haushalt der Großeltern, seit September 1998 in … verbrachte nach dem Umzug nach … regelmäßig die Wochenenden bei ihren Großeltern in … Es kam in der Folgezeit zu Spannungen zwischen der Klägerin und deren Eltern. Am Abend des 30. November 1999 verließ … gegen den Willen ihrer Mutter deren Wohnung und rief von außerhalb der Wohnung abends gegen 23 Uhr ihre Großeltern an, die sie in … abholten und mit nach … nahmen; seither lebt … im Haushalt der Großeltern in ….

In der Folgezeit kam es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen vor den Familiengerichten:

Zunächst wurden die Großeltern im Verfahren der vorläufigen Anordnung vor dem Amtsgericht … (Beschluss vom 9.12.1999, Geschäftsnummer …)verpflichtet, das Kind an die Mutter herauszugeben. Die Beschwerde der Großeltern wies das Oberlandesgericht … mit Beschluss vom 4.01.2000 (Geschäftsnummer …)zurück. Die Großeltern haben das Kind nicht an die Mutter herausgegeben.

Das Amtsgericht … hat im Hauptsacheverfahren ein psychologische Gutachten zur Klärung der Frage in Auftrag gegeben, ob es dem Wohl des Kindes widerspreche, in den Haushalt der Mutter zurückzukehren. Auf den Inhalt dieses Gutachtens wird Bezug genommen (Bl. 82 bis 110 d.A.). Nach Vorlage des Gutachtens lehnte das Amtsgericht mit Beschluss vom 15.08.2000 (Geschäftsnummer …)sowohl den Antrag der Klägerin auf Herausgabe des Kindes als auch den Antrag der Großeltern auf Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts ab. Auch auf den Inhalt dieses Beschlusses wird Bezug genommen (Bl. 76 bis 81 d.A.). Das Oberlandesgericht … … wies die Beschwerde des Kindes betreffend Änderung der elterlichen Sorge zurück. In diesem Verfahren erledigte sich der Antrag der Mutter auf Herausgabe des Kindes (Beschluss vom 9. Februar 2001, …), weil die Mutter in nichtöffentlicher Sitzung vom 10. November 2000 erklärte, sie gehe davon aus, … wolle aufgrund eigenen Willens in … bleiben und dort die Schule besuchen. Deshalb sei sie mit einem Verbleib von … in … einverstanden.

Am 5.02.2001 beantragte der Beigeladene beim Arbeitsamt … unter der KG-Nr. … Kindergeld, das er seit April oder Mai 2001 auch tatsächlich erhält. Die Klägerin leistete in dem streitbefangenen Zeitraum von Dezember 1999 bis einschließlich März 2001 keinen Barunterhalt für ihre Tochter.

Mit Bescheid vom 27.03.2001 hat die beklagte Behörde die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind … ab 01.12.1999 aufgehoben und das für die Zeit vom 01.12.1999 bis 31.03.2001 gezahlte Kindergeld in Höhe von 4.300 DM zurückgefordert. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens trug der Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor, es könne nicht nur auf die „Haushaltsaufnahme” ankommen, da ansonsten selbst in Entführungsfällen die Entführer kindergeldberechtigt seien. Die Verbringung von … nach … … sei rechtswidrig, weil sie einen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützten Elternrechte darstelle und deshalb einer Entführung vergleichbar sei. Die Tatsache, dass die Klägerin den Aufenthalt des Kindes in … hinnehmen musste, könne nicht zur Folge haben, dass eine anfangs rechtswidrige Kindesvorenthaltung zum rückwirkenden Wegfall des Kindergeldes führe.

In ihrer nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage trägt die Klägerin im wesentlichen vor, das Verhalten der Großeltern sei jedenfalls bis Frühjahr 2001 in einer „schier unerträglichen Weise” rechtsfeindlich und sei einer Kindesentführung gleichzustellen. Schon das Amtsgericht … habe in seinem Beschluss vom 15.08.2000 (Hauptsacheverfahren) ausdrücklich festgestellt, dass das Verhalten des Großvaters, der eine Herausgabe des Kindes verweigerte, rech...

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