Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftliche Eingliederung. entgeltliche Überlassung von Personal und Sachmitteln

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die wirtschaftliche Eingliederung als Voraussetzung der umsatzsteuerlichen Organschaft reicht es bei der Vermietung von Bürogebäuden aus, dass die Flächen für die Organgesellschaft von nicht nur geringer Bedeutung sind, weil dort ihr Unternehmen betrieben wird, es also die räumliche und funktionale Grundlage der Geschäftstätigkeit der Organgesellschaft bildet. Es kommt nicht darauf an, ob die Organgesellschaft jederzeit am Markt andere Büroflächen anmieten oder kaufen könnte.

2. Die entgeltliche Überlassung von Personal und Sachmitteln ist weder eine zu den Versicherungsumsätzen gehörende Dienstleistung noch wird damit Versicherungsschutz verschafft. Eine Steuerbefreiung kommt damit weder nach § 4 Nr. 10 Buchst. b UStG noch nach § 4 Nr. 11 UStG in Betracht.

 

Normenkette

UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2, § 4 Nr. 10 Buchst. b, Nr. 11

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Streitig ist die Änderung von Steuerbescheiden im Anschluss an eine Außenprüfung, insbesondere das Bestehen einer umsatzsteuerlichen Organschaft und die Steuerpflicht einer Personal- und Sachmittelgestellung.

1. Der Kläger war in den Streitjahren als selbständiger Versicherungsvertreter unternehmerisch tätig. Das Unternehmen wurde in einem dem Kläger gehörenden Gebäude in A, betrieben.

Der Kläger war außerdem (zunächst über ein Treuhandverhältnis, ab dem 13.12.2000 direkt) allein an der Aer GmbH (A GmbH) beteiligt, deren Geschäftsführer er zugleich war. Er vermietete Büroflächen in dem ihm gehörenden Geschäftshaus in A, an die A GmbH. Die A GmbH erzielte steuerfreie Umsätze im Immobilienbereich.

2. Der Kläger war zudem einziger Aktionär und Vorstand der am 15.12.2000 gegründeten B AG, die ebenfalls in A, ansässig war. Die B AG erzielte steuerfreie Umsätze im Versicherungsbereich.

Bei einer Außenprüfung gab der Kläger gegenüber dem Prüfer an, die B AG habe zunächst über keinen eingerichteten Geschäftsbetrieb verfügt und daher Geschäftsräume sowie Personal seiner Versicherungsagentur genutzt. Seine Angestellten hätten u.a. wegen des Kündigungsschutzes nicht kurzfristig zur B AG wechseln wollen. Das Zurverfügungstellen von Personal, konkret Frau C, die Mitbenutzung der eingerichteten Geschäftsräume, der EDV und der Telefonanlage etc. sei der B AG daher berechnet worden (Stellungnahme des Prüfers zur Einspruchsbegründung, wiedergegeben in der Einspruchsentscheidung, S. 10).

Der Kläger stellte der B AG drei Rechnungen. In der ersten Rechnung vom 31.12.2001 wird „für die Überlassung von Frau C im Jahr 2001” eine „Gesamtsumme pauschal” von 18.082,50 DM berechnet, in der zweiten Rechnung vom gleichen Tag „für erbrachte Dienstleistungen” eine „Gesamtsumme pauschal” von 34.875,01 DM; Umsatzsteuer ist nicht gesondert ausgewiesen. In der Buchführung des Klägers werden insoweit „sonstige Erträge” von 18.082,50 DM für „B AG/Gehalt C” und 30.064,67 DM für „B AG erbrachte Dienstleistungen” erfasst. Die B AG verbuchte den Aufwand von 18.082,51 DM unter „Personalleasing” als „Gehalt C” und einen Aufwand von 34.875,01 DM unter „Weiterbelastung … f. Räume, Tel. EDV etc. Kl”.

Die dritte Rechnung, die vom 31.12.2002 stammen soll, liegt nicht vor. Die B AG verbuchte –entsprechend dem Vorjahr– einen Aufwand von 26.043,63 EUR unter „Weiterbelastung … Kl Rg. für Dienstleistungen 2002”.

Datum

Inhalt

Betrag

31.12.2001

„Überlassung von Frau C”

18.082,50 DM

31.12.2001

„erbrachte Dienstleistungen”

34.875,01 DM

31.12.2002

?

26.043,63 EUR

Der Kläger legte –erst im Einspruchsverfahren (Schriftsatz vom 07.01.2016)– einen zwischen ihm und der B AG unter dem 28.12.2000 geschlossenen Versicherungsvermittlung-/Dienstleistungsvertrag” vor, in dem es heißt: „Die B AG beauftragt Herrn Kl mit der Besorgung von Versicherungsschutz für ihr Produkt B Pass. Es wird eine Reisekrankenversicherung und Haftpflichtversicherung und eventuell weiteres benötigt. Die Firma Kl, Versicherungsvermittlung wird mit dem Vertrieb von dem Versicherungsprodukt beauftragt. Es dürfen ebenfalls Beiträge kassiert werden. Eine etwaige Vergütung wird später geregelt, da der Geschäftsverlauf und Arbeitsumfang nicht vorhersehbar ist (…)”

3. Da der Kläger für die Streitjahre zunächst keine Umsatzsteuererklärungen abgegeben hatte, schätzte der Beklagte (das Finanzamt –FA–) die Besteuerungsgrundlagen im Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 13.01.2004 und im Bescheid für 2002 vom 10.08.2004 jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Das FA hob den Vorbehalt der Nachprüfung für 2001 mit Bescheid vom 10.08.2004 auf.

Der Kläger reichte die Umsatzsteuererklärungen 2001 und 2002 am 18.08.2004 und am 16.08.2004 ein, denen das FA ohne weitere Nachfragen mit geänderten Umsatzsteuerbescheiden 2001 und 2002 vom 18.11.2004 und 27.12.2004 folgte. Der Umsatzsteuerbescheid 2001 wurde nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) geändert, der Bescheid fü...

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