Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Anwendung von § 42 AO bei höherer Steuerschuld durch unangemessene Gestaltung. unbeschränkt steuerpflichtige Basisgesellschaft. Eintrittspflicht des Gesamtrechtsnachfolgers für Hinterzieherhaftung des Erblassers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Voraussetzung eines Rechtsmissbrauchs im Sinne von § 42 AO ist die Feststellung eines steuerlichen Erfolgs. Führt die Einschaltung einer unbeschränkt steuerpflichtigen Basisgesellschaft dagegen zu einer höheren Steuerbelastung, als dies bei Zurechnung der Geschäfte direkt auf die dahinter stehende Person der Fall wäre, ist für eine Anwendung des § 42 AO auch unter dem Aspekt kein Raum, dass sich eine vom Inland aus ausgeübte steuerpflichtige Tätigkeit infolge Verlagerung auf einen ausländischen Rechtsträger leichter der Besteuerung entziehen lässt.

2. Der Alleinerbe hat als Gesamtrechtsnachfolger für Haftungsschulden einzutreten, die durch Hinterziehungshandlungen des Erblassers begründet sind.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 10, 42, 71, 370, 45; KStG § 1 Abs. 1 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 25.02.2004; Aktenzeichen I B 34/02)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, inwieweit der Kläger als Erbe seines verstorbenen Vaters Herrn … (R.S.) unter dem Gesichtspunkt der Steuerhinterziehung für Steuern aufgrund inländischer Tätigkeit einer ausländischen Gesellschaft haftet (§§ 71, 370, 45, 191 Abgabenordnung –AO–).

Die Firma I. GmbH (Fa. I.) war eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach liechtensteinischem Recht. Sie wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 25. August 1967 mit Sitz in … (Liechtenstein) errichtet. Ihr Stammkapital betrug 25.000 Schweizer Franken (CHF), von denen Herr … (L.M.) 15.000 CHF und Herr … (V.M.) 10.000 CHF übernahmen. Geschäftsführer waren die beiden Gesellschafter, von denen L.M. einzeln zeichnungsberechtigt war. Die Eintragung im Öffentlichkeitsregister des Fürstentums Liechtenstein erfolgte am 7. September 1967.

Vertraglicher Gesellschaftszweck der Fa. I. war der Import und Export von Maschinen und Fahrzeugen und alle im Interesse des Unternehmens zu führenden Geschäfte. Mit Datum vom 1. September 1967 schloss die Fa. I. mit R.S. einen Kommissionsvertrag, in dem sie R.S. mit dem Verkauf der von ihr gekauften Maschinen und Fahrzeuge beauftragte. Als Vergütung wurden 5 % des erzielten Erlöses und ein bestimmter Auslagenersatz vereinbart (Nr. 2 des Vertrags). Nach Nr. 3 des Vertrags sollte R.S. der einzige Kommissionär der Fa. I. in Deutschland sein, durfte aber nach Nr. 4 des Vertrags seine eigenen (gleichartigen) Geschäfte wie bisher durchführen. Nach Nr. 5 des Vertrags hatte R.S. die eingehenden Gelder unverzüglich ohne Abzug auf das Konto der Fa. I. bei der Bank in Liechtenstein … zu überweisen.

Die Fa. I. hat für die Zeit ab 1967 jeweils beim Finanzamt (FA) L., später beim FA K. Umsatzsteuer(USt)-Erklärungen abgegeben und dabei die durch R.S. getätigten Kommissions-Umsätze der USt unterworfen sowie Versteuern für den Einkauf von Fahrzeugen und auch die Kommissions-Vergütungen und sonstigen Kosten im Inland geltend gemacht. Die Fa. I. wurde – teilweise nach Überprüfung von Belegen – jeweils im wesentlichen unverändert zur USt veranlagt.

Nach Ermittlungen durch die Steuerfahndungs(Steufa)-Stelle des FA R., Außenstelle K., stellte sich der Beklagte (das FA K.) entsprechend dem Prüfungsbericht vom 24. März 1981 auf den Standpunkt, die Fa. I. sei als Körperschaft beschränkt steuerpflichtig, da sie im Inland gewerbliche Einkünfte erziele und ein gewerbliches Betriebsvermögen habe. Die Fa. I. unterhalte auf dem Gelände von R.S. in K. ein Warenlager, wo gebrauchte Baufahrzeuge in Stand gesetzt würden und zu besichtigen seien. Darin sei eine Betriebsstätte i.S. von § 12 AO zu sehen. Da die Fa. I. ihre steuerlichen Pflichten insoweit gröblich verletzt habe, liege eine Steuerhinterziehung vor.

Im Anschluss an den Fahndungsprüfer (Anlage 1 zum Prüfungsbericht) ermittelte das FA das Inländische Einkommen der Fa. I. anhand der von dieser erklärten Umsätze und vorsteuerbelasteten Aufwendungen, berücksichtigte ausländische „Regiekosten” mit einer Pauschale, rechnete dem Gewinn Zinsgutschriften aus einem von der Fa. I. an R.S. gewährten Darlehen zu und stellte die anfallende Gewerbesteuer (GewSt) zurück. Dementsprechend ergingen am 21. Mai 1981 gegen die Fa. I. Körperschaftsteuer(KSt)-Bescheide für die Jahre 1968–1979 über insgesamt 1.182.898 DM.

Zum Betriebsvermögen rechnete das FA die Forderungen der Fa. I. gegen R.S. aus einem Darlehen und aus dem Kommissionsgeschäft (Anlage 2 zum Prüfungsbericht). Die entsprechenden Einheitswert- und Vermögensteuer(VSt)-Bescheide zum 1.1.1969 bis 1.1.1980 und für 1969 bis 1980 ergingen am 22. Mai 1981. Dabei wurde insgesamt 64.205 DM VSt festgesetzt und angefordert.

Gegen die Bescheide vom 21. und 22. Mai 1981 legte der damalige Prozessbevollmächtigte der Fa. I. am 2. Juni 1981 u.a. Einspruch „gegen die ...

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