Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis der Absendung eines Steuerbescheids kurz vor Ablauf der Festsetzungsfrist. Grunderwerbsteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Soll bei Ablauf der Festsetzungsfrist am 31. Dezember der Steuerbescheid am 28. Dezember per einfachen Brief bekannt gegeben werden, so steht nur dann i.S. von § 169 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 AO fest, dass der Bescheid tatsächlich den Machtbereich des FA verlassen hat, wenn der Abgangszeitpunkt bzw. der Abgang des Bescheids überhaupt in einem Aktenvermerk festgehalten wird oder ein Zeuge den Abgang bestätigen kann.

2. Auch bei einer ordentlich organisierten Poststelle des FA reicht es insoweit nicht aus, wenn der Sachbearbeiter des FA zwar nachweislich den Steuerbescheid gefertigt und in seinem Dienstzimmer einem Bediensteten der Poststelle übergeben hat, wenn es ansonsten aber keine Nachweise für eine tatsächliche Weitergabe an die gelbe Post gibt.

 

Normenkette

AO § 169 Abs. 1 S. 3 Nr. 1

 

Nachgehend

BFH (Entscheidung vom 03.03.2006; Aktenzeichen II B 70/05)

BFH (Beschluss vom 03.03.2006; Aktenzeichen II B 70/05)

 

Tenor

1. Die Einspruchsentscheidungen vom 30. Mai 2000 und die Grunderwerbsteuerbescheide vom 28. Dezember 1994 werden ersatzlos aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, haben die Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet haben, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die ehemalige „… und … Gesellschaft des bürgerlichen Rechts” (im Folgenden Gesellschaft) das Grundstück Flst.Nr. 293 auf der Gemarkung … gemäß § 6 Abs. 1 des baden-württembergischen Grunderwerbsteuergesetzes (bwGrEStG) grunderwerbsteuerfrei erworben hat. Außerdem ist streitig, ob die Grunderwerbsteuer rechtzeitig vor Eintritt der Festsetzungsverjährung festgesetzt worden ist.

Durch notariellen Kaufvertrag vom 29. April 1982 erwarb die Gesellschaft das streitgegenständliche Grundstück, welches mit einem stark beschädigten Gebäude bebaut war. In der Vertragsurkunde wurde die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 6 Abs. 1 bwGrEStG beantragt, da auf dem Grundstück fristgerecht steuerbegünstigter Wohnraum geschaffen werden sollte. Dem Antrag auf Grunderwerbsteuerbefreiung wurde durch den Beklagten mit – vorläufigem – Steuerbescheid vom 14. Juni 1982 entsprochen. Am 18. Juni 1982 sind die Kläger als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden.

Nach Ablauf der zehnjährigen Verwendungsfrist wurde die zur endgültigen Freistellung von der Grunderwerbsteuer nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 bwGrEStG erforderliche Bescheinigung von den Klägern nicht vorgelegt. Deshalb wurde die Nachversteuerung nach § 11 Abs. 1 bwGrEStG durchgeführt und die Grunderwerbsteuer mit Bescheid vom 28. Dezember 1994 festgesetzt. Da die Gesellschaft zwischenzeitlich aufgelöst war, erging je eine Ausfertigung des Bescheids an die ehemaligen Gesellschafter … und … als Gesamtschuldner (§ 44 AO).

Hiergegen wenden sich die Kläger nach erfolglosem Vorverfahren mit vorliegender Klage.

Bereits im Vorverfahren haben sie eine Bescheinigung des Landratsamts vom 12. Mai 1999 – auf die Bezug genommen wird – vor (Blatt 126 der Rechtsbehelfsakte). Nach dieser Bescheinigung, die gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1, 3 oder 14 GrEStG i.V.m. § 10 bwGrEStG zur Vorlage beim Finanzamt bestimmt ist, beträgt die anrechenbare Grundfläche aller Räume des im Juni 1983 fertiggestellten Gebäudes 273,09 qm. Die anrechenbare Grundfläche aller Räume, für die Grunderwerbsteuervergünstigung nach dem II. Wohnungsbaugesetz gewährt wird, beläuft sich danach auf 133,72 qm.

Die Nacherhebung der Grunderwerbsteuer sei rechtswidrig. Zum Einen sei Festsetzungsverjährung eingetreten. Insoweit werde bestritten, dass die angefochtenen Bescheide die Behörde rechtzeitig verlassen hätten. Außerdem sei der Beginn der Verjährungsfrist nicht nach § 35 Satz 2 bwGrEStG hinausgeschoben worden. Die Vorschrift sei mit § 170 AO unvereinbar. Nach Art. 31 GG solle § 170 AO vorgehen. Sei § 170 AO anzuwenden, sei die Festsetzungsfrist erst recht abgelaufen. Schließlich sei der Nacherhebungstatbestand nicht erst mit der Fertigstellung des Gebäudes im Jahre 1983, sondern bereits mit der Aufgabe der begünstigten Zweckbestimmung entstanden. Unterstellt, der Anteil steuerbegünstigten Wohnraums betrage – wie vom Beklagten behauptet – tatsächlich weniger als 66 2/3 vom Hundert der Gesamtfläche, wäre der Wille steuerbegünstigten Wohnraum zu errichten bereits mit der auf eine insoweit nicht ausreichenden Grundfläche gerichteten Baugenehmigung aufgegeben worden. Es hätte festgestanden, dass das Grundstück nicht zu ...

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