Entscheidungsstichwort (Thema)

Im Ausland bei der Mutter lebendes Kind als Pflegekind. Erfordernis der Haushaltszugehörigkeit. Einkommensteuer 1981

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für das Vorliegen eines Pflegekindschaftsverhältnisses ist die Haushaltszugehörigkeit entscheidend, welche allein nach den tatsächlichen Verhältnissen zu beurteilen ist. Diese setzt eine häusliche Gemeinschaft in Form des Zusammenlebens in einer Wohnung voraus.

2. Mangels Haushaltszugehörigkeit ist ein Pflegekindschaftsverhältnis nicht anzunehmen, wenn das Kind zusammen mit seiner Mutter im Ausland lebt, und der Steuerpflichtige an rund 100 Tagen im Jahr während seiner Ferien ebenfalls dort wohnt. Allein durch diese Urlaubsaufenthalte kann sich ein auf räumlichen Beziehungen gegründetes Gemeinschaftsverhältnis, wie dies beim täglichen Zusammenleben von Eltern und Kind in einer Wohnung („Familienhaushalt”) regelmäßig gegeben ist, nicht entwickeln.

 

Normenkette

AO 1977 § 15 Abs. 1 Nr. 8; EStG 1981 § 32 Abs. 4 Nr. 2

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist das Vorliegen eines Pflegekindschaftsverhältnisses.

Der Kläger (Kl.), ein katholischer Geistlicher, ist im Schuldienst des Landes Baden-Württemberg tätig und unterrichtet am … in …, wo er eine Wohnung unterhält. Fünf Monate nach der Geburt ihres Sohnes … am 18. Januar 1971 in … nahm der Kl. seine Kusine und das Kind in seiner Wohnung in … auf. Mit Rücksicht auf seinen Beruf entschloß er sich, Mutter und Kind in einer von ihm zu diesem Zweck in erworbenen Eigentumswohnung unterzubringen. Der Umzug fand im April 1974 statt. Die alleinstehende Kusine ist vermögenslos und bezog durch gelegentliche Heimarbeit geringes Einkommen. Ihren sowie den Lebensunterhalt ihres Sohnes bestreitet der Kl. Seit 1989 hat sie der Kl. als Haushälterin angestellt. Für den Haushalt in … wandte der Kl. im Jahr 1981 ca. 22.000 DM auf. Er verbringt seinen gesamten Urlaub in seiner Wohnung in …. Im Jahr 1981 hielt er sich dort nach seinen Angaben an 107 Tagen auf. Er trifft für das Kind, welches zu seinem leiblichen Vater keine Verbindung hat, alle mit der Erziehung zusammenhängenden Entscheidungen. Der vom Kl. beabsichtigten Adoption des Kindes stimmte die katholische Kirche nicht zu. Unter dem 23. Juli 1971 bescheinigte das Landratsamt … dem Kl., daß er das Kind zusammen mit der Mutter in seinen Haushalt aufgenommen und sich verpflichtet habe, für den vollen Kindesunterhalt aufzukommen. Der Kl. habe sich auch verpflichtet, für die spätere schulische und berufliche Ausbildung des Kindes zu sorgen. Es handle sich um ein Dauerpflegeverhäitnis. Durch dem Kl. am 15. Februar 1974 bekanntgegebenen Erlaß hat das Kultusministerium Baden-Württemberg im Einvernehmen mit dem Finanzministerium entschieden, daß mit Rücksicht auf den besonders gelagerten Fall unter Zurückstellung von Bedenken dem Kl. für das Kind … als Pflegekind ein Kinderzuschlag nach § 18 Abs. 1 Nr. 5 Bundesbesoldungsgesetz gewährt wird. Die Gemeinde … trug auf der Lohnsteuer (LSt)-Karte 1981 des Kl. ein Kind ein. In der Einkommensteuer (ESt)-Erklärung 1981 beantragte der Kl. die Zuordnung des Kindes … als Pflegekind sowie von den Unterhaltsaufwendungen in Höhe von insgesamt 3.650 DM 600 DM steuerlich als abzugsfähig anzuerkennen. In dem ESt-Bescheid vom 07. Mai 1982 erkannte das beklagte Finanzamt (FA) das Pflegekindschaftsverhältnis nicht an und ließ demgemäß Unterhaltsaufwendungen nicht zum Abzug zu.

Den hiergegen am 10. Mai 1982 eingelegten Einspruch wies das FA durch Entscheidung vom 25. Juni 1982 als unbegründet zurück.

Mit der am 14. Juli 1982 erhobenen Klage begehrt der Kl. weiterhin die Zuordnung des Kindes als Pflegekind und trägt zur Begründung im wesentlichen folgendes vor: Das in seinem Haushalt in … untergebrachte und ihm besoldungsrechtlich zugeordnete Kind sei ihm auch steuerrechtlich zuzuordnen. Von dem Finanzministerium Baden-Württemberg sei das Kind nicht nur besoldungsrechtlich, sondern allgemein als Pflegekind anerkannt worden. Da für ihn als katholischen Geistlichen eine Adoption ausscheide, stünden bürgerlich-rechtliche Möglichkeiten nicht offen, um in den Genuß der Steuerbegünstigung für Kinder zu kommen. Nach den tatsächlichen Gegebenheiten sei jedoch auch steuerrechtlich ein Pflegekindschaftsverhältnis anzuerkennen. Er führe sowohl in … als auch in … einen Haushalt, wobei derjenige in Wien nicht ein nebenrangiger Zweithaushalt sei. Der Haushalt in … sei notwendigerweise durch die Berufstätigkeit bedingt. Sein familiärer und damit eigentlicher Lebensmittelpunkt befinde sich jedoch in …, wo er etwa 1/3 des Jahres zusammen mit seinem Pflegekind verbringe und einen maßgeblichen Teil seines Bekannten- und Freundeskreises habe. Dort halte er sich während seiner gesamten nicht knapp bemessenen Freizeit auf. Gelegentlich sei er auch an Wochenenden in das von … über die Autobahn gut zu erreichende gefahren. Außerdem sei ihm vom Dienstherrn in der Verg...

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