Rz. 2

Jeder Arbeitnehmer hat nach § 1 Abs. 1 MiLoG Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns durch den Arbeitgeber und jeder Arbeitgeber mit Sitz im Inland oder im Ausland ist nach § 20 verpflichtet, seinen im Inland beschäftigten Arbeitnehmern, den Mindestlohn zu zahlen. Auf den ersten Blick scheint es, dass die §§ 1 und 20 MiLoG die 2 Seiten eines Arbeitsverhältnisses jeweils aus Sicht des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers beschreiben. Die Struktur des MiLoG zeigt jedoch, dass das Verhältnis der beiden Normen zueinander komplexer ist. § 1 MiLoG im Abschnitt 1 "Festsetzung des allgemeinen Mindestlohns" bestimmt als zivilrechtliche Anspruchsgrundlage, dass Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Mindestlohns verlangen können. Die Vorschrift ist Teil der zivilrechtlichen Regelungen des MiLoG, zu denen ferner die §§ 23, 13 sowie 2224 MiLoG[1] gehören. § 20 zählt demgegenüber zum öffentlich-rechtlichen Teil des Gesetzes. Dieser umfasst die §§ 412, 1421 sowie 23 MiLoG. Insoweit hat das MiLoG eine Doppelstruktur: Es regelt einerseits den zivilrechtlichen Anspruch des Arbeitnehmers, andererseits öffentlich-rechtliche Pflichten des Arbeitgebers.

[1] § 24 MiLoG ist zum 1.1.2018 außer Kraft getreten.

2.1 Öffentlich-rechtliche Grundverpflichtung

 

Rz. 3

§ 20 ist Grundlage für die öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung des Mindestlohns. Dies folgt aus der systematischen Einordnung der Vorschrift. § 1 MiLoG allein gibt dem Arbeitnehmer nur einen privatrechtlichen Anspruch auf rechtzeitige Zahlung des Mindestlohns. Einzige Möglichkeit des Arbeitnehmers zur Durchsetzung seines Anspruchs ist, vor dem Arbeitsgericht zu klagen. Dies muss der Arbeitnehmer trotz der Verpflichtung aus § 20 zwar auch weiterhin, wenn der Arbeitgeber nicht zahlt. Erst die Verknüpfung des zivilrechtlichen Anspruchs nach § 1 MiLoG mit der öffentlich-rechtlichen Grundverpflichtung des Arbeitgebers nach § 20 macht es allerdings möglich, die rechtzeitige Zahlung des Mindestlohns durch die Behörden der Zollverwaltung nach § 14 MiLoG bzw. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SchwarzArbG kontrollieren und nach § 21 Abs. 4 MiLoG Verstöße verfolgen und ahnden zu lassen.

 

Rz. 4

An die Verletzung der Grundverpflichtungen nach § 20 durch den Arbeitgeber knüpfen die Bußgeldvorschriften des § 21 Abs. 1 Nr. 9 und Abs. 2 MiLoG an.[1] Beide Tatbestände setzen bei unterschiedlichen Normadressaten (Arbeitgeber bzw. Auftraggeber) voraus, dass der Arbeitgeber den Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig zum Fälligkeitszeitpunkt nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 MiLoG zahlt.

 

Rz. 5

Die Grundverpflichtung nach § 20 ist ferner Voraussetzung für weitere Pflichten des Arbeitgebers bzw. im Falle von Arbeitnehmerüberlassung für Pflichten des Entleihers:

[1] BT-Drucks. 18/1558, S. 42.
[2] Riechert/Nimmerjahn, § 20 MiLoG, Rn. 2.

2.2 Eingriffsnorm

 

Rz. 6

Auch im Anwendungsbereich des MiLoG richten sich die gegenseitigen Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis grundsätzlich nach den Vereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden. Dies können der Arbeitsvertrag, die maßgeblichen Tarifverträge oder andere kollektivrechtliche Regelungen wie z. B. Betriebsvereinbarungen sein. In Entsendefällen gilt dies auch für Arbeitsverhältnisse nach ausländischem Recht.[1]

 

Rz. 7

Welches Recht auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung findet, richtet sich für Arbeitsverträge nach deutschem Recht bzw. nach dem Recht des EU-Mitgliedstaates, aus dem der Arbeitnehmer entsandt ist. Sofern die Arbeitsverträge vor dem 17. Dezember 2009 geschlossen wurden, richtet sich das anzuwendende Recht nach dem Kollisionsrecht des EGBGB. Für ab dem 17. Dezember 2009 geschlossene Arbeitsverträge gilt die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (sog. Rom-I-VO).[2]

 

Rz. 8

Ein Arbeitsvertrag unterliegt, unabhängig davon, ob das EGBGB oder die Rom-I-VO Anwendung findet, grundsätzlich dem Recht, das die Arbeitsvertragsparteien gewählt haben.[3] Bei Fehlen einer von den Arbeitsvertragsparteien ausdrücklich oder konkludent getroffenen Rechtswahl gilt, dass Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse dem Recht des Staates unterliegen, in dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet.[4] Dabei darf die Rechtswahl nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm aufgrund zwingender Vorschriften des ohne Rechtswahl anwendbaren Rechts zustünde.[5]

 

Rz. 9

Unabhängig davon, welches Recht für das Arbeitsverhältnis gilt, finden die sogenannten Eingriffsnormen des S...

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