Leitsatz

Regelmäßig wiederkehrende Einnahmen und Ausgaben setzen voraus, dass sie kurze Zeit vor Beginn bzw. kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit nicht nur gezahlt, sondern auch fällig geworden sind.

 

Normenkette

§ 11 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger führt einen Gewerbebetrieb, dessen Gewinn er für das Streitjahr durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelte. Er war zur monatlichen Abgabe von USt-Voranmeldungen verpflichtet. Die Vorauszahlungen für die Voranmeldungszeiträume Mai bis Juli 2017 leistete er erst am 9.1.2018, wollte sie aber im Streitjahr 2017 als Betriebsausgaben abziehen. Das FA lehnte dies ab, da die Voraussetzungen von § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG nicht vorlägen. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (FG München, Urteil vom 15.10.2020, 15 K 2604/19, Haufe-Index 14464011, EFG 2021, 1532).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Der bei einer Gewinnermittlung durch Einnahmen­überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG für den Betriebsausgabenabzug geltende § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG bestimmt, dass Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen sind, in dem sie geleistet worden sind.

2. Hiervon abweichend sind nach dem Ausnahmetatbestand des § 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 2 EStGregelmäßig wiederkehrende Ausgaben in dem Kalenderjahr abzusetzen, zu dem sie wirtschaftlich gehören, sofern sie der Steuerpflichtige kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung jenes Kalenderjahres geleistet hat.

3. Es ist ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, dass es sich bei Umsatzsteuervorauszahlungen im Hinblick auf deren gesetzlich festgelegte Wiederholung um regelmäßig wiederkehrende Ausgaben handelt.

4. Die regelmäßig wiederkehrende Ausgabe muss zudem kurze Zeit vor Beginn bzw. kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit fällig geworden sein. Diese Voraussetzung ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 1 Satz 2 EStG; systematische und teleologische Erwägungen gebieten jedoch eine entsprechende Auslegung.

5. Die Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 1 Satz 2 EStG durchbricht das Kassenprinzip einer Gewinn­ermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG. Sie ist beschränkt auf solche regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen bzw. Ausgaben, die rund um die Jahreswende (10 Tage vor Beginn bzw. nach Ende des Jahres) zugeflossen bzw. geleistet worden sind. Hierdurch sollen Zufälligkeiten vermieden werden, die bei strikter Anwendung des die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG grundsätzlich beherrschenden Zu- und Abflussprinzips entstünden, berücksichtigte man die Zahlung – je nach Zahlungszeitpunkt – mal in dem einen oder mal in dem anderen Jahr. Dieser Gesetzeszweck macht es aber auch erforderlich, dass nicht nur die Zahlung innerhalb des Zehntageszeitraums erfolgen muss, sondern diese auch innerhalb desselben Zeitraums zahlbar, d.h. fällig ist.

6. Dies zeigt eine Kontrollüberlegung: Verzichtete man auf das Fälligkeitskriterium, führten Nachzahlungen für längst fällig gewordene Verpflichtungen zu einem vom Zeitpunkt der Verausgabung unabhängigen Betriebsausgabenabzug – allein entscheidend wäre, dass die Zahlung innerhalb von bis zu zehn Tagen des nachfolgenden Kalenderjahres geleistet würde. Hierdurch erhielten die Ausnahmeregelungen des § 11 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 1 Satz 2 EStG einen über den Gesetzeszweck hinausgehenden Anwendungsbereich.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.2.2022 – X R 2/21

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