Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Direkte Besteuerung. Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Immobiliengeschäften. Freier Kapitalverkehr. Bemessungsgrundlage. Diskriminierung. Wahlmöglichkeit, genauso wie Gebietsansässige besteuert zu werden. Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht

 

Normenkette

AEUV Art. 63, 65

 

Beteiligte

MK

MK

Autoridade Tributária e Aduaneira

 

Verfahrensgang

Tribunal Arbitral Tributário (Portugal) (Beschluss vom 30.04.2019; ABl. EU 2019, Nr. C 270/20)

 

Tenor

Art. 63 AEUV in Verbindung mit Art. 65 AEUV ist dahin auszulegen, dass er der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die, um zu ermöglichen, dass Gewinne aus der Veräußerung von in diesem Mitgliedstaat gelegenen Immobilien durch einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen keiner höheren steuerlichen Belastung unterworfen werden als die, die bei einem gleichartigen Geschäft auf Veräußerungsgewinne angewendet wird, die von einem Gebietsansässigen des ersten Mitgliedstaats erzielt werden, die anwendbare Besteuerung von der Wahl dieses Steuerpflichtigen abhängig macht.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Arbitral Tributário (Centro de Arbitragem Administrativa – CAAD) (Schiedsgericht für Steuerangelegenheiten [Zentralstelle für das Verwaltungsschiedsverfahren – CAAD], Portugal), mit Entscheidung vom 30. April 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Mai 2019, in dem Verfahren

MK

gegen

Autoridade Tributária e Aduaneira

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, des Richters L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader sowie der Richter M. Safjan und N. Jääskinen (Berichterstatter),

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: M. Longar, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Oktober 2020,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von MK, vertreten durch A. Gaspar Schwalbach, advogado,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, S. Jaulino, H. Gomes Magno und P. Barros da Costa als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Afonso, N. Gossement und W. Roels als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. November 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 18 und 63 bis 65 AEUV.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen MK und der Autoridade Tributária e Aduaneira (Steuer- und Zollbehörde, Portugal) (im Folgenden: AT) über den von dieser erlassenen Steuerbescheid über die Einkünfte von MK im Jahr 2017.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Art. 43 („Veräußerungsgewinne”) des Código do Imposto sobre o Rendimento das Pessoas Singulares (Einkommensteuergesetzbuch) in seiner auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: CIRS) bestimmte in seinen Abs. 1 und 2:

„1 – Als Veräußerungsgewinn gilt die gemäß den nachstehenden Artikeln ermittelte Differenz zwischen den in demselben Jahr erzielten Gewinnen und Verlusten.

2 – Die im vorstehenden Absatz genannte positive oder negative Differenz der von Gebietsansässigen getätigten Geschäfte im Sinne von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a, c und d wird nur in Höhe von 50 % ihres Wertes berücksichtigt.”

Rz. 4

Art. 68 Abs. 1 CIRS enthält die progressive Tabelle der Steuersätze. 2017 galt der Steuerhöchstsatz von 48 % für steuerpflichtige Einkommen von mehr als 80 640 Euro.

Rz. 5

Gemäß Art. 68a CIRS wurde ein zusätzlicher Solidaritätszuschlag von 2,5 % auf zu versteuernde Einkommen zwischen 80 000 und 250 000 Euro erhoben; oberhalb dieses Betrags belief sich der Solidaritätszuschlag auf 5 %.

Rz. 6

Art. 72 („Besondere Steuersätze”) CIRS sah u. a. vor:

„1 – Zum autonomen Steuersatz von 28 % besteuert werden

a) die in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a und d genannten Veräußerungsgewinne, die von Personen erzielt werden, die nicht im portugiesischen Hoheitsgebiet ansässig sind, sofern sie nicht aus einer in diesem Gebiet gelegenen Betriebsstätte stammen.

9 – Für ihre Einkünfte im Sinne von Abs. 1 Buchst. a und b und 2 können Gebietsansässige eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums [(EWR)] – im letztgenannten Fall, sofern ein Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten stattfindet – die Besteuerung dieser Erträge nach dem Steuersatz wählen, der nach der Tabelle in Art. 68 Abs. 1 anwendbar wäre, wenn sie von Personen erzielt worden wären, die im portugiesischen Hoheitsgebiet ansässig sind.

10 – Bei der Bestimmung des im vorstehenden Absatz genannten Steuersatzes werden alle Einkünfte berücksichtigt, einschließlich der außerhalb des genannten Gebiets erzielten Einkünfte, und zwar zu den gleichen Bedingungen, wie sie für Gebietsansässige gelten.

…”

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

Rz. 7

MK hat seinen steuerlichen Wohnsitz in Frankreich.

Rz. 8

Am 17. Januar 2002 erwarb MK ein in Portugal gelegenes Geb...

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