Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Mehrwertsteuer. Differenzbesteuerung. Begriff ‚Gebrauchtgegenstände’. Altfahrzeuge, die zum Ausschlachten verkauft werden

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 311 Abs. 1 Nr. 1

 

Beteiligte

Belgischer Staat

IT

État belge

 

Verfahrensgang

Cour de Cassation (Belgien) (Beschluss vom 16.05.2022; ABl. EU 2022, Nr. C 380/2)

 

Tenor

Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem

ist dahin auszulegen, dass

endgültig stillgelegte Kraftfahrzeuge, die ein Unternehmen von in Art. 314 dieser Richtlinie genannten Personen erworben hat und die „zum Ausschlachten” verkauft werden sollen, ohne dass die verwertbaren Teile aus den Fahrzeugen entnommen wurden, Gebrauchtgegenstände im Sinne von Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 dieser Richtlinie darstellen, wenn sie zum einen noch Teile enthalten, die die Funktionen behalten haben, die sie im Neuzustand hatten, so dass sie in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendet werden können, und zum anderen feststeht, dass diese Fahrzeuge aufgrund einer solchen Wiederverwendung der Teile in ihrem Wirtschaftszyklus geblieben sind.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Kassationshof, Belgien) mit Entscheidung vom 16. Mai 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Juni 2022, in dem Verfahren

IT

gegen

État belge

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richter N. Jääskinen und M. Gavalec,

Generalanwältin: L. Medina,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der belgischen Regierung, vertreten durch P. Cottin, J.-C. Halleux und C. Pochet als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Clotuche-Duvieusart und J. Jokubauskaite als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 311 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen IT und dem belgischen Staat über die Weigerung der belgischen Steuerverwaltung, die Regelung über die Differenzbesteuerung auf bestimmte, von IT getätigte Verkäufe von Fahrzeugen anzuwenden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 311 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Für die Zwecke dieses Kapitels gelten unbeschadet sonstiger Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts folgende Begriffsbestimmungen:

1. ‚Gebrauchtgegenstände’ sind bewegliche körperliche Gegenstände, die keine Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten und keine Edelmetalle oder Edelsteine im Sinne der Definition der Mitgliedstaaten sind und die in ihrem derzeitigen Zustand oder nach Instandsetzung erneut verwendbar sind;

5. ‚steuerpflichtiger Wiederverkäufer’ ist jeder Steuerpflichtige, der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zum Zwecke des Wiederverkaufs Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten kauft, seinem Unternehmen zuordnet oder einführt, gleich, ob er auf eigene Rechnung oder aufgrund eines Einkaufs- oder Verkaufskommissionsvertrags für fremde Rechnung handelt;

…”

Rz. 4

In Art. 313 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten wenden auf die Lieferungen von Gebrauchtgegenständen, Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten durch steuerpflichtige Wiederverkäufer eine Sonderregelung zur Besteuerung der von dem steuerpflichtigen Wiederverkäufer erzielten Differenz (Handelsspanne) gemäß diesem Unterabschnitt an.”

Rz. 5

Art. 314 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Die Differenzbesteuerung gilt für die Lieferungen von Gebrauchtgegenständen, Kunstgegenständen, Sammlungsstücken und Antiquitäten durch einen steuerpflichtigen Wiederverkäufer, wenn ihm diese Gegenstände innerhalb der Gemeinschaft von einer der folgenden Personen geliefert werden:

  1. von einem Nichtsteuerpflichtigen;
  2. von einem anderen Steuerpflichtigen, sofern die [Lieferung] des Gegenstands durch diesen anderen Steuerpflichtigen gemäß Artikel 136 von der Steuer befreit ist;
  3. von einem anderen Steuerpflichtigen, sofern für die Lieferung des Gegenstands durch diesen anderen Steuerpflichtigen die Steuerbefreiung für Kleinunternehmen gemäß den Artikeln 282 bis 292 gilt und es sich dabei um ein Investitionsgut handelt;
  4. von einem anderen steuerpflichtigen Wiederverkäufer, sofern die Lieferung des Gegenstands durch diesen anderen steuerpflichtigen Wiederverkäufer gemäß dieser Sonderregelung mehrwertsteuerpflichtig ist.”

Rz. 6

Art. 315 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Die Steuerbemessungsgrundlage bei der Lieferung von Gegenstä...

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