Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbefreiung, Restaurantleistungen einer Bildungseinrichtung, Unterhaltungsleistungen einer Bildungseinrichtung, Begriff der mit Bildungsleistungen eng verbundenen Umsätze

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass Tätigkeiten, die unter Umständen wie jenen des Ausgangsverfahrens ausgeübt werden und darin bestehen, dass Studenten einer höheren Bildungseinrichtung im Rahmen ihrer Ausbildung Dritten gegen Entgelt Restaurant- und Unterhaltungsdienstleistungen erbringen, als mit der Unterrichtsleistung „eng verbunden“ angesehen und folglich von der Mehrwertsteuer befreit werden können, wenn diese Dienstleistungen für die Ausbildung der Studenten unerlässlich und nicht dazu bestimmt sind, dieser Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Umsätze zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Umsätzen von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen bewirkt werden, was das nationale Gericht zu prüfen hat.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. i

 

Beteiligte

Commissioners for HM Revenue and Customs

Brockenhurst College

 

Verfahrensgang

Court of Appeal (Vereinigtes Königreich) (Beschluss vom 02.12.2015; ABl. EU 2016, Nr. C 78/9)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Steuerwesen ‐ Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Befreiungen ‐ Restaurant- und Unterhaltungsdienstleistungen, die eine Bildungseinrichtung einem eingeschränkten Publikum gegen Entgelt erbringt“

In der Rechtssache C-699/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Rechtsmittelgericht [England und Wales] [Zivilabteilung], Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 2. Dezember 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Dezember 2015, in dem Verfahren

Commissioners for Her Majesty’s Revenue & Customs

gegen

Brockenhurst College

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Regan (Berichterstatter), A. Arabadjiev, C. G. Fernlund und S. Rodin,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: X. Lopez Bancalari, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ des Brockenhurst College, vertreten durch L. Poots, Barrister, beauftragt durch R. J. Finlayson, Solicitor,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, zunächst vertreten durch V. Kaye, dann durch S. Brandon als Bevollmächtigte im Beistand von M. Jones, Barrister,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und M. Owsiany-Hornung als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 21. Dezember 2016

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Commissioners for Her Majesty’s Revenue & Customs (Steuer- und Zollverwaltung des Vereinigten Königreichs, im Folgenden: Steuerverwaltung) und dem Brockenhurst College (im Folgenden: College) wegen der Befreiung der vom College erbrachten Restaurant- und Unterhaltungsdienstleistungen von der Mehrwertsteuer.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 unterliegen der Mehrwertsteuer „Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt“.

Rz. 4

Titel IX („Steuerbefreiungen“) der Richtlinie 2006/112 enthält u. a. Kapitel 1 („Allgemeine Bestimmungen“) mit Art. 131 und Kapitel 2 („Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten“) mit den Art. 132 bis 134.

Rz. 5

Art. 131 dieser Richtlinie lautet:

„Die Steuerbefreiungen der Kapitel 2 bis 9 werden unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen.“

Rz. 6

Art. 132 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

i) Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung;

…“

Rz. 7

Art. 133 dieser Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten können die Gewährung der Befreiungen nach Artikel 132 Absatz 1 Buchstaben b, g, h, i, l, m und n für Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, im Ei...

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