Leitsatz

Art. 43 EG steht dem nicht entgegen, dass eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft von ihrer Steuerbemessungsgrundlage nicht die Verluste einer Betriebsstätte abziehen kann, die ihr gehört und in einem anderen Mitgliedstaat belegen ist, sofern nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Einkünfte dieser Betriebsstätte im letztgenannten Mitgliedstaat besteuert werden, in dem diese Verluste bei der Besteuerung der Einkünfte dieser Betriebsstätte für künftige Steuerzeiträume berücksichtigt werden können.

 

Normenkette

Art. 43, Art. 5 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2 DBA-Luxemburg, § 2a Abs. 3 EStG 1997 a.F.

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, betrieb ihre Geschäftstätigkeit – den Handel mit und den Vertrieb von Waren – u.a. in Luxemburg über eine dort belegene Betriebsstätte und erwirtschaftete hieraus im Streitjahr 1999 einen Verlust von 163 382 DM, den sie zunächst bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abzog.

Das FA lehnte den Verlustabzug ab und berücksichtigte den Verlust nur im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts gem. § 32b EStG 1997. Zur Begründung verwies es auf die Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte gem. Art. 5 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 2 S. 1 DBA-Luxemburg und auf die Abschaffung von § 2a Abs. 3 EStG 1997 durch das StEntlG 1999/2000/2002 mit erstmaliger Wirkung vom VZ 1999 an (vgl. § 52 Abs. 3 S. 2 EStG 1997 i.d.F. des StBereinG 1999).

Die anschließende Klage blieb erfolglos.

 

Entscheidung

Der BFH hatte daraufhin an den EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen gerichtet und die Frage gestellt, ob sich der Verlustabzugsausschluss mit der EG-Niederlassungsfreiheit vertrage.

Das hat der EuGH nunmehr bejaht. Er hat sich dabei auf die Rechtsgrundsätze zurückgezogen, die er in der Rechtssache "Marks & Spencer" (BFH/PR 2006, 112)  aufgestellt hat: Zu berücksichtigen seien nur finale Verluste aus Auslandsbetriebsstätten.

 

Hinweis

1. Der EuGH hat nun endlich "Tacheles" geredet und Klarheit darüber geschaffen, ob aus europarechtlicher Sicht und gemessen an der EG-Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EG Verluste aus Auslandsbetriebsstätten im Ansässigkeitsstaat abgezogen werden müssen.

Seine Antwort lautet: Grundsätzlich nein! Eine Ausnahme wird nur für den Fall der sog. finalen Verluste gemacht, also solcher Verluste, die hier wie dort "auf der Strecke" bleiben und im steuerlichen Niemandsland verschwinden.

2. Der EuGH hat damit kurzerhand und ohne viele argumentative Schnörkel seine Linie bekräftigt und auf Betriebsstätten ausgedehnt, die er in der Rechtssache "Marks & Spencer" in seinem Urteil vom 13.12.2005, C-446/03 (BFH/PR 2006, 112) aufgestellt hat, dort allerdings für selbstständige Tochtergesellschaften.

Der EuGH sieht in dem für finale Verluste "gemilderten" Verlustabzugsauschluss einen tauglichen Grund, um den Eingriff in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit zu rechtfertigen. Andernfalls drohe nämlich die Gefahr des doppelten Verlustabzugs gleich in zwei Mitgliedstaaten.

Werde es dem Steuerpflichtigen ermöglicht, den Verlust einmal in einem der beiden Mitgliedsstaaten, hier dem Quellenstaat, abzuziehen, dann stelle der Verlustabzugsausschluss im Ansässigkeitsstaat deswegen auch ein verhältnismäßiges und geeignetes Mittel dar.

Einmal mehr weist der EuGH überdies darauf hin, dass es den Mitgliedstaaten prinzipiell freistehe, das Besteuerungssubstrat untereinander mittels DBA aufzuteilen und so die Einmalbesteuerung zu sichern. Das erstrecke sich auch auf Verluste.

Mit der letzteren Erwägung bestätigt der EuGH zugleich die vom BFH in jahrzehntlanger Rechtsprechung verfochtene sog. Symmetriethese: Nicht nur Gewinne werden im Weg der abkommensrechtlichen Freistellung im Ansässigkeitsstaat außer Ansatz gelassen, sondern auch Verluste.

Im Einzelnen ist dazu auf das seinerzeitige Vorabentscheidungsersuchen des BFH vom 22.08.2006, I R 84/04 zu verweisen, das dem nunmehrigen EuGH-Urteil zugrunde lag und das Ihnen in BFH/PR 2006, 508 vorgestellt worden ist.

3. Fazit:

  • Der EuGH widerspricht mit seinem Urteil den erst am 14.02.2008 vorgelegten Schlussanträgen der Generalanwältin Sharpston, die aus Gründen der (Un-)Vehältnismäßigkeit des Eingriffs einer gemäßigten Abzugslösung das Wort geredet hat: Zunächst Anerkennung der Auslands-Betriebsstättenverluste, sodann ggf. spätere Nachversteuerung im Gewinnfall.
  • Er widerspricht zugleich der entsprechenden Initiative der EG-Kommission in deren Mitteilung vom 19.12.2006 KOM (2006), 824.
  • Hand in Hand damit, die staatensouveräne Aufteilung des Besteuerungssubstrats mittels DBA anzuerkennen, bleiben sowohl das in Deutschland vertretene Abkommensverständnis der Freistellungssymmetrie als auch die Beschränkungen in § 2a EStG im Grundsatz unbeanstandet.
  • Sie sind allerdings für "finale" Auslandsverluste zu "öffnen". Das sollte im Gesetz geregelt werden. Bis dahin lässt sich das Ergebnis aber wohl methodisch im Weg der normerhaltenden Reduktion auch qua Gesetzesauslegung erreichen.
  • Ob die Verluste im Quellenstaat endgültig ("final") sind, ...

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