Leitsatz

1. Die Art. 56 EG und 58 EG stehen bei der Berechnung der Höhe der Steuergutschrift, auf die ein in einem Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner i.V.m. von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Kapitalgesellschaft gezahlten Dividenden Anspruch hat, in dem Fall, dass die nach den Rechtsvorschriften des erstgenannten Mitgliedstaats erforderlichen Nachweise nicht vorgelegt wurden, der Anwendung einer Vorschrift wie § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 EStG 1990 entgegen, wonach die auf ausländischen Dividenden lastende KSt i.H.d. Bruchteils, der der KSt auf von Gesellschaften des erstgenannten Mitgliedstaats ausgeschüttete Bruttodividenden entspricht, auf die von dem Anteilseigner zu entrichtende ESt angerechnet wird.

Die Steuergutschrift ist nach Maßgabe des KSt-Satzes zu berechnen, der nach dem Recht des Sitzmitgliedstaats der ausschüttenden Gesellschaft auf die ausgeschütteten Dividenden angewandt wird, wobei der gutzuschreibende Betrag indessen nicht den Betrag der ESt übersteigen kann, den der begünstigte Anteilseigner in dem Mitgliedstaat, in dem er unbeschränkt steuerpflichtig ist, auf die bezogenen Dividenden zu entrichten hat.

2. Die Art. 56 EG und 58 EG stehen in Bezug auf das Maß an Präzision, das die Nachweise aufweisen müssen, die erforderlich sind, um in den Genuss einer Steuergutschrift i.V.m. Dividenden zu kommen, die von einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem gezahlt werden, in dem der Empfänger unbeschränkt steuerpflichtig ist, der Anwendung einer Vorschrift wie § 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 S. 4 Buchst. b EStG 1990 entgegen, wonach die Detailliertheit und die Präsentationsform der Nachweise, die ein solcher Empfänger beizubringen hat, der Detailliertheit und der Präsentationsform entsprechen müssen, die verlangt werden, wenn die ausschüttende Gesellschaft ihren Sitz im Besteuerungsmitgliedstaat des Empfängers hat.

Die Steuerbehörden des letztgenannten Mitgliedstaats sind befugt, von dem Empfänger die Vorlage von Belegen zu verlangen, anhand deren sie ein­deutig und genau überprüfen können, ob die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Steuergutschrift vorliegen, ohne dass sie dabei die Steuergutschrift schätzen dürfen.

3. Der Effektivitätsgrundsatz steht einer nationalen Regelung – wie sie sich aus § 175 Abs. 2 S. 2 AO i.d.F. des EURLUmsG i.V.m. Art. 97§ 9 Abs. 3 EGAO in seiner geänderten Fassung ergibt – entgegen, die es rückwirkend und ohne Einräumung einer Übergangsfrist verwehrt, eine Anrechnung der ausländischen KSt auf Dividenden, die von einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat gezahlt wurden, dadurch zu erlangen, dass entweder eine den Anforderungen des Mitgliedstaats, in dem der Empfänger der Dividenden unbeschränkt steuerpflichtig ist, genügende Bescheinigung über diese Steuer oder Belege vorgelegt werden, anhand deren die Steuerbehörden dieses Mitgliedstaats eindeutig und genau überprüfen können, ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Steuervorteils vorliegen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts zu bestimmen, welche Frist für die Vorlage dieser Bescheinigung oder dieser Belege angemessen ist.

 

Normenkette

§ 36 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 S. 4 Buchst. b EStG 1990, § 30 Abs. 2 Nr. 1, § 44 KStG 1991, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, Art. 97 § 9 Abs. 3 EGAO, Art. 56 Abs. 1 EG

 

Sachverhalt

Der verstorbene H. Meilicke, der in Deutschland wohnhaft war, besaß Aktien von Gesellschaften mit Sitz in den Niederlanden und in Dänemark. In den Jahren 1995 bis 1997 erhielt er darauf Dividenden. Er beantragte beim FA eine Steuergutschrift i.H.v. 3/7 dieser Dividenden, die auf die veranlagte ESt angerechnet werden sollte. Das FA lehnte diesen Antrag ab.

Im Rahmen des anschließenden Klageverfahrens kam es nun gleich zweifach zu Anrufungen des EuGH, zum einen die Rechtssache Meilicke I (FG Köln, Beschluss vom 24.06.2004, 2 K 2241/02, EFG 2004, 1374) und jetzt zum anderen die Rechtssache Meilicke II (FG Köln, Beschluss vom 14.05.2009, 2 K 2241/02, EFG 2009, 1491, EFG 2010, 441). All das, was zum Verständnis des Falls …

 

Entscheidung

… erforderlich ist, ergibt sich danach bereits aus den Praxis-Hinweisen.

 

Hinweis

1. Aussage und Rechtswirkung des EuGH-Urteils vom 06.03.2007, C-292/04, in der Rechtssache "Meilicke I" (BFH/NV 2007, Beilage 3, 273) dürften allseits hinreichend geläufig sein; sie wurden auch in dieser Zeitschrift gewürdigt und gedeutet (BFH/PR 2007, 187).

Der tragende Leitsatz jenes Urteils, daran sei ­erinnert, lautete wie folgt:

"Die Art. 56 EG und 58 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer Steuerregelung entgegenstehen, nach der bei einer Ausschüttung von Dividenden durch eine Kapitalgesellschaft ein in einem Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner dann in den Genuss einer Steuergutschrift kommt, die nach Maßgabe des für die ausgeschütteten Gewinne geltenden KSt-Steuersatzes berechnet wird, wenn die ausschüttende Gesellschaft ihren Sitz im selben M...

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