Kommentar

Werden Einkünfte, die zunächst im Veranlagungszeitraum 1988 der Einkommensteuer unterworfen worden waren, nachträglich im Veranlagungszeitraum 1989 besteuert, ist die Erhebung von Nachzahlungszinsen sachlich unbillig ( Zinsen auf Steuern ).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 15.10.1998, IV R 69/97

Anmerkung:

Die Entscheidung betrifft einen selbständig Tätigen, der beim Verkauf eines Patents einen Veräußerungsgewinn erzielte. Der Gewinn wurde zunächst erklärungsgemäß bei der Einkommensteuerveranlagung für 1988 erfaßt. Im Anschluß an eine Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, der Veräußerungsgewinn sei erst 1989 angefallen, da das Patent nach dem Kaufvertrag erst am 1. Januar 1989 übergegangen sei. Demgemäß wurden die Einkommensteuerbescheide für 1988 und 1989 geändert. Zusammen mit dem geänderten Bescheid für 1989 erließ das FA auch einen Bescheid über Nachzahlungszinsen ( § 233a AO ).

Der Steuerpflichtige begehrte, die Nachzahlungszinsen zu erlassen, soweit sie auf der Erfassung des Gewinns aus der Patentveräußerung beruhten; damit hatte er auch Erfolg.

Grundlage für einen Billigkeitserlaß ist die Vorschrift des § 227 AO ( Erlaß ). Hiernach können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ( § 37 Abs. 1 AO ) ganz oder zum Teil erlassen , wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Erzwingen läßt sich ein Billigkeitserlaß allerdings nicht immer. Denn ein Erlaß steht grundsätzlich im Ermessen der Finanzbehörde. Die Ermessensentscheidung kann nur in eingeschränktem Umfang gerichtlich kontrolliert werden (vgl. § 102 FGO ). Eine Verpflichtung der Behörde zum Erlaß kann das Gericht nur aussprechen, wenn der Ermessensspielraum so eingeengt ist, daß nur eine Entscheidung ermessensgerecht ist (sog. Ermessensreduzierung auf Null; vgl. BFH, Urteil v. 25. 11. 1997, IX R 28/96, BStBl 1998 II S. 550 ).

Die Erhebung einer Steuer bzw. einer steuerlichen Nebenleistung kann aus sachlichen Gründen unbillig sein. Eine solche Unbilligkeit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn nach dem gesetzlichen Tatbestand ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwar besteht, seine Geltendmachung aber mit dem Zweck des Gesetzes nicht zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft ( BFH, Urteil v. 26. 10. 1994, X R 104/92, BStBl 1995 II S. 297 ). Solche Umstände lagen im Streitfall vor.

Die Verzinsungsregelung des § 233a AO bezweckt einen Ausgleich dafür, daß die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Mit Hilfe der sog. Vollverzinsung sollen Liquiditätsvorteile , die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus dem verspäteten Erlaß eines Steuerbescheids entstanden sind, ausgeglichen werden. Grundsätzlich gilt dies auch für den Fall, daß Einkommensteuerbescheide geändert werden, um Einkünfte nachträglich anderen Veranlagungszeiträumen zuzuordnen. Hier ist die dem Steuerpflichtigen zu erstattende Einkommensteuer für das eine Jahr zugunsten des Steuerpflichtigen zu verzinsen, während dem Fiskus Zinsen für die Einkommensteuer-Nachforderung des anderen Jahres zustehen.

Eine Besonderheit ergibt sich allerdings in Fällen der zeitlichen Einkünfteverschiebung, wenn diese über die Schwelle des Inkrafttretens der Vollverzinsungsregelung ( § 233a AO ) stattfindet. Da die Vorschrift erstmals für Steueransprüche gilt, die nach dem 31. 12. 1988 entstanden sind ( § 15 Abs. 4 EGAO ), kann die Anwendung des § 233a AO in solchen Fällen dazu führen, daß der Steuerpflichtige Nachzahlungszinsen zahlen muß, ohne umgekehrt Erstattungszinsen für die „zu früh” gezahlte Einkommensteuer auf den Gewinn zu erhalten. Eine solche einseitige Belastung des Steuerpflichtigen entspricht nicht dem Gesetzesplan; sie ist deshalb unbillig.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge