Leitsatz

Es besteht Anspruch auf Erlass eines Rückforderungsanspruchs von Kindergeld aus sachlichen Billigkeitsgründen, wenn die Familienkasse den Kindergeldberechtigten nicht hinreichend über seine Mitwirkungspflichten belehrt hat und er infolgedessen zu Unrecht Kindergeld bezogen hat unter gleichzeitiger Anrechnung auf ihm gewährte Leistungen nach dem SGB II.

 

Sachverhalt

Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und Vater von sieben Kindern. Er war spätestens seit dem Jahr 2007 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Bis Oktober 2013 war er selbstständig gewerblich tätig und betrieb eine Pizzeria. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung für die sieben Kinder des Klägers ab Oktober 2013 gemäß § 70 Abs. 2 EStG auf und forderte das für den Zeitraum von Oktober 2013 bis März 2015 gezahlte Kindergeld i. H. v. 25.524 EUR gemäß § 37 Abs. 2 AO zurück, da der Kläger seit dem Oktober 2013 im Bundesgebiet nicht mehr berechtigt erwerbstätig gewesen sei. Der Kläger beantragt im Klageverfahren den Rückforderungsanspruch aus Billigkeitsgründen gemäß § 227 AO zu erlassen, da das fragliche Kindergeld bei der Berechnung seiner Leistungen nach dem SGB II bereits angerechnet worden, und eine nachträgliche Korrektur der Leistungen nach dem SGB II nicht mehr möglich sei.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des Finanzgerichts hat der Kläger einen Anspruch darauf, die Rückforderung des Kindergeldes aus Billigkeitsgründen gem. § 227 AO in voller Höhe zu erlassen. Die Verwaltung habe Grundsätze des Billigkeitserlasses in die aktuelle Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem EStG aufgenommen (V 25.2 DA-KG 2015). Danach sei ein Erlass auszusprechen, wenn die Überzahlung des Kindergeldes nicht auf das Verhalten des Berechtigten zurückzuführen sei (V 25.2 Abs. 2 Satz 3 DA-KG 2015). Demgegenüber sei ein Erlass regelmäßig zu versagen, wenn der Kindergeldberechtigte die ungerechtfertigte Weitergewährung und damit die Überzahlung des Kindergelds durch die Verletzung seiner Mitwirkungspflicht nach § 68 Abs. 1 EStG selbst herbeigeführt habe. Da dem Kläger die Konsequenzen aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Bezug auf den Wegfall des Kindergeldes nicht bewusst waren, und er auch nicht darauf hingewiesen wurde, sind die Voraussetzungen für einen Erlass der Rückforderung aus sachlichen Billigkeitsgründen im Streitfall erfüllt.

 

Hinweis

Das Finanzgericht weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass auch der aus dem Zeitablauf folgende erhebliche Rückforderungsbetrag von 24.361 EUR zu berücksichtigen sei. Demgegenüber lebe der Kläger angesichts des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II an der unteren Grenze des Existenzminimums.

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Urteil vom 12.12.2016, 13 K 91/16 Kg

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