Entscheidungsstichwort (Thema)

Erlass eines Rückforderungsanspruchs von Kindergeld aus Billigkeitsgründen

 

Leitsatz (redaktionell)

Es besteht Anspruch auf Erlass eines Rückforderungsanspruchs von Kindergeld aus sachlichen Billigkeitsgründen, wenn die Familienkasse den Kindergeldberechtigten nicht hinreichend über seine Mitwirkungspflichten belehrt hat und er infolgedessen zu Unrecht Kindergeld bezogen hat unter gleichzeitiger Anrechnung auf ihm gewährte Leistungen nach SGB II.

 

Normenkette

AufenthG § 25 Abs. 3; EStG § 62; AO § 37; EStG § 68; AO § 227

 

Tatbestand

Streitig ist der Erlass einer Rückzahlung von Kindergeld in Höhe von 24.361 EUR zuzüglich Säumniszuschlägen für den Streitzeitraum Oktober 2013 bis März 2015.

Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und Vater von sieben Kindern, nämlich D., E., F., G. H., J., K. L. und M. N.. Er war spätestens seit dem Jahr 2007 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 des AufenthaltsgesetzesAufenthG –. Bis Oktober 2013 war er selbstständig gewerblich tätig und betrieb eine Pizzeria. Das Gewerbe des Betriebs der Pizzeria hatte er am 17.11.2006 bei der Gemeinde O. angemeldet.

Aufgrund eines Kindergeldantrags vom 25.6.2009, dem u.a. ein Bescheid über die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II – beigefügt war, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 4.9.2009 die Festsetzung von Kindergeld zunächst ab. Der Kläger habe nämlich nicht nachgewiesen, so die Beklagte, dass er erwerbstätig sei oder Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch – SGB III – beziehe oder Elternzeit in Anspruch nehme. Mit Einspruchsschreiben vom 25.9.2009 erklärte der Kläger im Namen seiner Familie daraufhin: „Wir sind erwerbstätig seit Ende

2006 im eigenen Betrieb und haben mit dem Aufenthaltstitel § 25 Abs. 3 damit Anspruch auf Kindergeld.”

Nachdem der Kläger auf Anfrage der Beklagten erneut seinen Aufenthaltstitel vorgelegt hatte, setzte die Beklagte aufgrund der aktenkundigen Gewerbeanmeldung sodann mit Abhilfebescheid vom 26.11.2009 zu Gunsten des Klägers Kindergeld ab November 2007 für seine sieben Kinder fest. Zur Begründung gab die Beklagte an, der Kläger sei im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG. Auf die Erwerbstätigkeit wurde im Bescheid nicht explizit Bezug genommen. Zusätzlich enthielt der Bescheid einen Hinweis darauf, dass der Kläger nach § 68 Abs. 1 des EinkommensteuergesetzesEStG – verpflichtet sei, jede Änderung in den Verhältnissen oder zu dem von ihm abgegebenen Erklärungen, die für den Anspruch auf Kindergeld von Bedeutung seien, unverzüglich mitzuteilen. Näheres könne er dem ihm ausgehändigten Merkblatt über Kindergeld entnehmen. Welchen Inhalt dieses Merkblatt hatte, ist der beigezogenen Verfahrensakten allerdings nicht zu entnehmen.

Mit Schreiben vom 5.12.2011 bat die Beklagte den Kläger darum, zur Prüfung des Kindergeldanspruchs eine Kopie der Aufenthaltsgenehmigung, einen Nachweis über die Ausübung einer Erwerbstätigkeit in Deutschland bzw. einen Nachweis über den Bezug von Leistungen nach dem SGB III sowie einen Fragebogen zur Prüfung des Anspruchs auf Kindergeld einzureichen. Diese Unterlagen reichte der Kläger am 13.12.2011 ausgefüllt ein, verbunden mit einer Bestätigung seines Steuerberaters vom 13.12.2011, wonach er als Einzelunternehmer tätig sei.

In der Folgezeit reichte er am 24.7.2012 einen weiteren ausgefüllten Fragebögen und am 30.8.2012 einen neuen Kindergeldantrag aufgrund der Vollendung des 18. Lebensjahres des ältesten Sohnes des Klägers bei der Beklagten ein. Hierbei legte er u.a. einen Bescheid des Jobcenters P. vom 7.5.2012 über Leistungen nach dem SGB II sowie die bereits bekannte Bestätigung seines Steuerberaters vom 13.12.2011 vor, nicht jedoch einen aktualisierten Nachweis seiner Erwerbstätigkeit. Die Beklagte zahlte das Kindergeld für die sieben Kinder des Klägers daraufhin fort, ohne einen weiteren Nachweis der Erwerbstätigkeit zu verlangen.

Zum 23.09.2013 meldete der Kläger seinen Betrieb beim Gewerbeamt der Gemeinde O. ab und beantragte beim zuständigen Jobcenter P. weitere Leistungen nach dem SGB II. Dabei trat er lediglich mit dem Jobcenter P. in Kontakt. Der Beklagten teilte er den Bezug von Leistungen nach dem SGB II hingegen nicht mit. Auch das Jobcenter P. teilte dies der Beklagten nicht mit.

Ausweislich von Bescheiden des Jobcenters P. vom 30.4.2013, 19.12.2013, 15.5.2014 und 29.10.2014 über Leistungen nach dem SGB II wurde das bezogene Kindergeld bei der Berechnung der Leistungen im Zeitraum von Juni 2013 bis Mai 2015 in Abzug gebracht.

Nachdem der Kläger am 26.3.2015 erneut einen ausgefüllten Fragebogen und hierbei u.a. auch seine Gewerbeabmeldung der Beklagten vorgelegt hatte, hob diese mit Bescheid vom 27.3.2015 die Kindergeldfestsetzung für die sieben Kinder des Klägers ab Oktober 2013 gemäß § 70 Abs. 2 EStG auf und forderte das für den Zeitraum von Oktober 2013 bis März 2015 gezahlte Kindergeld i.H.v. 25.524 EUR gemäß § 37 Abs. 2 der AbgabenordnungAO – zu...

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