Leitsatz

Verpflichtet sich die Muttergesellschaft gegenüber Arbeitnehmern einer Tochtergesellschaft zur Gewährung von Aktienoptionen und sonstigen Vorteilen, handelt sie in Erfüllung dieser Verpflichtung nicht als bloße Leistungsmittlerin.

 

Normenkette

§ 38 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG a.F.

 

Sachverhalt

Die Klägerin, ein zu einem amerikanischen Konzern gehörendes ausländisches Unternehmen mit Betriebsstätte im Inland, beschäftigte im Konzern angestellte und ins Inland entsandte Arbeitnehmer. Diesen hatte die Muttergesellschaft Aktienoptionen eingeräumt. Sie gewährte ferner Zuschüsse zu einem der betrieblichen Altersversorgung dienenden Vermögensbildungsplan, bei dem die Arbeitnehmer bis zu 10 % ihres Jahresgrundgehalts zulagenbegünstigt sparen konnten; dabei betrug der Zuschuss der Muttergesellschaft 60 % der monatlichen Einzahlungen.

Nach einer LSt-Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, die bei Ausübung der Aktienoptionen zufließenden geldwerten Vorteile und die gewährten Vermögensbildungszuschüsse seien zu Unrecht nicht dem LSt-Abzug unterworfen worden. Es liege eine echte Lohnzahlung eines Dritten vor. Das FA erließ deshalb einen Haftungsbescheid gegen die Klägerin. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA zurück. Er ließ offen, ob die Zuwendungen im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis zur Klägerin standen und sich für die Arbeitnehmer überhaupt als Frucht ihrer Arbeit für die Klägerin darstellten. Jedenfalls sei die Klägerin als Konzerntochtergesellschaft nach der bis einschließlich 2003 geltenden Gesetzeslage nicht verpflichtet gewesen, für die in Rede stehenden Vorteile LSt einzubehalten.

 

Hinweis

1. Im Besprechungsfall war darüber zu entscheiden, ob ein inländisches Tochterunternehmen (Klägerin) LSt einbehalten muss, wenn seinen ins Inland entsandten Arbeitnehmern geldwerte Vorteile von der (ausländischen) Muttergesellschaft zufließen. Die Entscheidung erging (teilweise) noch zum alten Recht (§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG in der Fassung vor 2004). Der BFH verneinte einen LSt-Abzug bei der Klägerin sowohl nach § 38 Abs.1 Satz 1 EStG als auch nach Satz 2 (a.F.).

2. Nach § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG ist LSt durch Abzug vom Arbeitslohn zu erheben, sofern dieser vom Arbeitgeber gezahlt wird. Die Pflicht zur Einbehaltung der LSt trifft stets nur diejenige Gesellschaft, die aufgrund arbeitsvertraglicher Regelungen Arbeitgeberin ist.

Im Streitfall wurden die geldwerten Vorteile (Aktienbezug, Zuschüsse) jedoch nicht von der Klägerin, sondern von der Muttergesellschaft gewährt. Es handelte sich insoweit (auch) nicht um sog. unechte Lohnzahlungen eines Dritten. Solche sind dann anzunehmen, wenn der Dritte lediglich als Leistungsmittler des Arbeitgebers fungiert. Dies ist der Fall, wenn der Dritte nur die Stellung einer Kasse des Arbeitgebers hat oder im Auftrag des Arbeitgebers handelt. Der Arbeitgeber muss dann den von dem Dritten (Leistungsmittler) im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis geleisteten Arbeitslohn selbst der LSt unterwerfen.

3. Nach § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. unterliegt Arbeitslohn, der nicht vom Arbeitgeber gezahlt wird, nur dann dem LSt-Abzug, wenn er im Rahmen des Dienstverhältnisses üblicherweise von einem Dritten für eine Arbeitsleistung gezahlt wird. Durch diese Vorschrift wird die Einbehaltungspflicht des Arbeitgebers auch auf den Fall der Lohnzahlung durch einen Dritten ausgedehnt (sog. echte Lohnzahlung eines Dritten). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH unterliegen Drittlöhne nach dieser Vorschrift dem LSt-Abzug durch den Arbeitgeber u.a. nur dann, wenn dieser in den Vorgang der Vorteilsgewährung eingeschaltet war oder die Arbeitnehmer ihn über die Vorteile unterrichtet haben. Dies war im Streitfall zu verneinen.

4. Zu erwähnen ist noch, dass der IX. Senat des BFH nahezu zeitgleich in einem ähnlichen Fall in gleicher Weise entschieden hat (Urteil vom 10.5.2006, IX R 82/98, BFH-PR 2006, 352).

5. Nach der – die Arbeitgeberpflichten verschärfenden – Vorschrift des § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG n.F. unterliegen die von einem Dritten im Rahmen eines Dienstverhältnisses gewährten geldwerten Vorteile der LSt, "wenn der Arbeitgeber weiß oder erkennen kann, dass derartige Vergütungen erbracht werden". Das Tatbestandsmerkmal der "Üblichkeit" der Zahlung wurde gestrichen, weil es in der Praxis immer wieder zu Anwendungsproblemen kam. Die Neuregelung zielt in erster Linie auf verbundene Unternehmen in einem Konzern ab.

§ 38 Abs. 4 Satz 3 EStG enthält ferner die Verpflichtung des Arbeitnehmers, seinem Arbeitgeber derartige Lohnzahlungen von dritter Seite am Ende des jeweiligen Lohnzahlungszeitraums anzuzeigen. Unterlässt dies der Arbeitnehmer oder macht er erkennbar falsche Angaben, so hat der Arbeitgeber dies dem Betriebsstätten-FA anzuzeigen. Dies führt zu einer Nachforderung der LSt beim Arbeitnehmer, nicht aber beim Arbeitgeber.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 4.4.2006, VI R 11/03

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