Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnsteuerabzug bei durch die Konzernmutter eingeräumten Aktienoptionen

 

Leitsatz (amtlich)

Verpflichtet sich die Muttergesellschaft gegenüber Arbeitnehmern einer Tochtergesellschaft zur Gewährung von Aktienoptionen und sonstigen Vorteilen, handelt sie in Erfüllung dieser Verpflichtung nicht als bloße Leistungsmittlerin.

 

Normenkette

EStG § 38 Abs. 1 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

FG Köln (Entscheidung vom 17.12.2002; Aktenzeichen 8 K 9351/98; EFG 2003, 571)

 

Tatbestand

I. Streitig ist die Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine zum X-Konzern gehörende Gesellschaft ausländischen Rechts, die in Deutschland eine Betriebsstätte unterhält und zur Durchführung ihrer Aufgaben (Beratung und Dienstleistungen für andere X-Gesellschaften) für befristete Zeit von ausländischen X-Gesellschaften in das Inland entsandte Arbeitnehmer (sog. Foreign Service Employees --FSE--) beschäftigte. Muttergesellschaft der Klägerin ist die Y. Die ursprünglichen Arbeitsverträge der entsandten Mitarbeiter mit der jeweiligen ausländischen X-Gesellschaft wurden für die Zeit der Entsendung nicht aufgehoben.

Y räumte den FSE Optionen auf den Bezug von Aktien oder entsprechender Aktienwertsteigerungsrechte ein. Darüber hinaus gewährte Y den ausländischen Mitarbeitern --auch während ihrer Tätigkeit für die Klägerin-- Zuschüsse zu einem Spar- und Aktienkaufplan (SSIP). Dabei handelt es sich um eine Art Vermögensbildungsplan für Zwecke der betrieblichen Altersversorgung, an dem sich die ausländischen Mitarbeiter aufgrund eigener Entscheidung beteiligen konnten. Die Mitarbeiter konnten bis zu 10 v.H. ihres Jahresgrundgehalts zulagebegünstigt sparen. Sie erhielten auf ihre monatlichen Einzahlungen von der Y einen Zuschuss in Höhe von 60 v.H.

Im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Klägerin vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, die Klägerin habe die im Zeitpunkt der Ausübung der Optionsrechte zufließenden geldwerten Vorteile und die Zuschüsse von Y zu den Einzahlungen zum SSIP zu Unrecht nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen. Das FA nahm die Klägerin im Schätzungswege in Haftung.

Durch die Einspruchsentscheidung setzte das FA die Lohnsteuer-Haftungsbeträge auf … DM fest.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 571 abgedruckt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Die Verpflichtung für die Klägerin zum Lohnsteuereinbehalt ergebe sich sowohl aus § 38 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als auch aus § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin nicht zur Einbehaltung der Lohnsteuer verpflichtet war.

a) Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) kann derjenige, der kraft Gesetzes für eine fremde Steuer haftet, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Im Rahmen des Lohnsteuer-Abzugsverfahrens haftet der Arbeitgeber gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG dafür, dass die von seinen Arbeitnehmern geschuldete Lohnsteuer einbehalten und an das FA abgeführt wird (§ 38 Abs. 3 EStG). Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die Lohnsteuer durch Abzug vom Arbeitslohn zu erheben, sofern dieser vom Arbeitgeber gezahlt wird. Arbeitslohn, der nicht vom Arbeitgeber gezahlt wird, unterliegt nur dann dem Lohnsteuerabzug, wenn er im Rahmen des Dienstverhältnisses üblicherweise von einem Dritten für eine Arbeitsleistung gezahlt wird (§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung --EStG a.F.--). Beide Alternativen sind im Streitfall nicht gegeben. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob, wie vom FG angenommen, die Klägerin als aufnehmendes Unternehmen Arbeitgeberin der entsandten Arbeitnehmer war (zur Frage der Arbeitgebereigenschaft bei einer Konzerngesellschaft vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Februar 2004 VI R 122/00, BFHE 205, 216, BStBl II 2004, 620; zum abkommensrechtlichen Arbeitgeberbegriff vgl. BFH-Urteil vom 25. Februar 2005 I R 46/03, BFHE 209, 241, BStBl II 2005, 547).

b) Die strittigen Zuwendungen sind nicht entsprechend § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG von der Klägerin, sondern von der Muttergesellschaft, der Y, geleistet worden. Es handelt sich entgegen der Auffassung des FA insoweit nicht um unechte Lohnzahlungen eines Dritten.

Eine sog. unechte Lohnzahlung eines Dritten ist dann anzunehmen, wenn der Dritte lediglich als Leistungsmittler fungiert. Der Arbeitgeber muss den von einem Dritten in Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis geleisteten Arbeitslohn selbst der Lohnsteuer unterwerfen, wenn der Dritte in die Zahlung als Leistungsmittler des Arbeitgebers eingeschaltet ist. Der den Dritten als Leistungsmittler einsetzende Arbeitgeber bleibt der den Arbeitslohn Zahlende. Der Dritte ist bloßer Leistungsmittler, wenn er nur die Stellung einer Kasse des Arbeitgebers hat oder im Auftrag des Arbeitgebers handelt (BFH-Urteile vom 30. Mai 2001 VI R 123/00, BFHE 195, 376, BStBl II 2002, 230; vom 21. Februar 2003 VI R 74/00, BFHE 201, 300, BStBl II 2003, 496).

Im Streitfall kann dahinstehen, ob im Hinblick auf die eigenen rechtlichen Beziehungen zwischen den FSE und Y die Zuwendungen aus Sicht von Y im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis zur Klägerin standen und sich für die Arbeitnehmer überhaupt als Frucht ihrer Arbeit für die Klägerin darstellten (vgl. dazu BFH-Urteil vom 24. Januar 2001 I R 100/98, BFHE 195, 102, BStBl II 2001, 509). Denn Y hatte nicht die Stellung einer Leistungsmittlerin. Diese kam vielmehr mit den Zuwendungen jeweils einer eigenen rechtlichen Verpflichtung gegenüber den FSE nach. Der Anspruch der Arbeitnehmer auf Gewährung von Aktienoptionen bzw. auf Zuschüsse zu dem SSIP richtete sich nicht gegen die Klägerin, sondern ausschließlich gegen Y (vgl. BFH-Beschluss vom 23. Juli 2001 VI B 63/99, BFH/NV 2001, 1557). Schließt der Arbeitnehmer eine Vereinbarung über die Gewährung von Aktienoptionen oder sonstigen geldwerten Vorteilen nicht mit seinem Arbeitgeber, sondern mit einem anderen Konzernunternehmen ab, so können Ansprüche aus dieser Vereinbarung nur gegenüber dem vertragsschließenden Konzernunternehmen geltend gemacht werden und werden nicht Bestandteil des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber. Dies hat zur Folge, dass die Leistungen, die das andere Konzernunternehmen --hier: Y-- erbringt, ausschließlich diesem zuzurechnen sind. Es handelt weder als Kasse noch als Beauftragter des Arbeitgebers.

c) Die Klägerin war auch nicht unter den Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. zur Einbehaltung der Lohnsteuer verpflichtet. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH unterliegen Drittlöhne nach dieser Vorschrift dem Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber u.a. nur dann, wenn dieser in den Vorgang der Vorteilsgewährung eingeschaltet war oder die Arbeitnehmer ihn über die Vorteile unterrichtet haben (BFH-Urteile in BFHE 195, 376, BStBl II 2002, 230; in BFHE 201, 300, BStBl II 2003, 496; vom 24. Januar 2001 I R 119/98, BFHE 195, 110, BStBl II 2001, 512; vom 24. Oktober 1997 VI R 23/94, BFHE 184, 474, BStBl II 1999, 323; Portner, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2001, 1331; Schmidt/Drenseck, EStG, 25. Aufl., § 38 Rz. 10). Das war hier nach den den Senat bindenden (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) Feststellungen des FG nicht der Fall. Im Übrigen teilt der Senat die Auffassung der Klägerin, dass es sich bei den streitigen Zuwendungen nicht um "üblicherweise" von einem Dritten für ein Arbeitsverhältnis gezahlten Arbeitslohn handelt (§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG a.F.; vgl. dazu Senatsentscheidung in BFH/NV 2001, 1557; Thomas, Deutsche Steuer-Zeitung 1999, 710, 714).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1538920

BFH/NV 2006, 1556

BStBl II 2006, 668

BFHE 2007, 568

BFHE 212, 568

BB 2006, 1615

BB 2006, 1667

DB 2006, 1594

DStR 2006, 1266

DStRE 2006, 955

DStZ 2006, 535

HFR 2006, 883

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