Leitsatz

Räume in einem Einfamilienhaus, die nach Art, Lage und Ausstattung in gleicher Weise für Wohn- wie für Geschäftszwecke verwendet werden können (indifferente Räume), sind als Wohnraum zu bewerten.

 

Normenkette

§ 75 Abs. 5 Satz 4, § 76 Abs. 1 Nr. 4, § 79 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 BewG

 

Sachverhalt

Die Kläger sind Eigentümer eines als Einfamilienhaus bewerteten Hauses. Das Erdgeschoss ist zu fremden Wohnzwecken vermietet. Um 2004/2005 wurde das Dachgeschoss ausgebaut und ist seither sowohl zu Wohnzwecken als auch zu gewerblichen Zwecken nutzbar. Seit Juli 2007 ist es als Büro an eine GmbH vermietet, deren Alleingesellschafter-Geschäftsführer der Kläger ist.

Nachdem das FA im Jahre 2014 von dem Dachgeschossausbau erfahren hatte, stellte es mit einem Wertfortschreibungsbescheid auf den 1.1.2010 einen höheren Einheitswert fest. Dabei setzte es für ­das Erdgeschoss einen Mietzins von 3,60 DM/m² (Wohnräume), für das Dachgeschoss einen Mietzins von 5,25 DM/m² (gewerbliche Nutzung) an. Diese Zahlen waren den beim FA geführten Mietspiegeln entnommen, die es im Rahmen des finanzgerichtlichen Verfahrens vorlegte.

Mit Einspruch und Klage begehrten die Kläger die Bewertung des Dachgeschosses mit dem für Wohnräume maßgebenden Mietzins von 3,60 DM/m² pro Monat. Sie hatten damit keinen Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 6.9.2018, 1 K 307/16, Haufe-Index 14058292, EFG 2020, 1591).

 

Entscheidung

Auf die Revision der Kläger gab der BFH der Klage teilweise statt. Die Räume im Dachgeschoss seien als Wohnraum zu bewerten, und zwar mit einem Mietzins von 4,45 DM/m² pro Monat. Für die Räume im Erdgeschoss sei ein Mietzins von 3,80 DM/m² pro Monat anzusetzen.

 

Hinweis

Der BFH befasst sich im Besprechungsurteil mit der Bewertung von Räumen in einem Einfamilienhaus, die nach Art, Lage und Ausstattung nicht nur für Wohn-, sondern auch für Geschäftszwecke verwendet werden können (indifferente Räume).

1. Einfamilienhäuser i.S.d. § 75 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 BewG werden nach § 76 Abs. 1 Nr. 4 BewG vorbehaltlich im Ertragswertverfahren (§§ 78 bis 82 BewG) bewertet, soweit nicht § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG die Bewertung im Sachwertverfahren vorschreibt.

a) Im Ertragswertverfahren umfasst der Grundstückswert nach § 78 Satz 1 BewG den Bodenwert, den Gebäudewert und den Wert der Außenanlagen und ergibt sich nach § 78 Satz 2 BewG durch Anwendung eines Vervielfältigers (§ 80 BewG) auf die Jahresrohmiete (§ 79 BewG) unter Berücksichtigung der §§ 81 und 82 BewG. Es handelt sich um ein vereinfachtes, typisiertes Verfahren. Die teilweise gewerbliche Nutzung steht nach Maßgabe des § 75 Abs. 5 Satz 4 BewG der Bewertung einer wirtschaftlichen Einheit als Einfamilienhaus nicht entgegen.

b) Die maßgebliche Jahresrohmiete richtet sich gemäß § 79 Abs. 1 BewG nach der für das Grundstück aufgrund vertraglicher Vereinbarungen im Hauptfeststellungszeitpunkt gezahlten tatsächlichen Miete. Diese Vorgabe ist nur auf Grundstücke anwendbar, die im Hauptfeststellungszeitpunkt am 1.1.1964 bereits vermietet waren. Fehlt es daran, bestimmt sich die Jahresrohmiete gemäß § 79 Abs. 2 BewG nach der üblichen Miete. Diese ist nach § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Auch bei Fortschreibungen und Nachfeststellungen bleiben nach §§ 27, 79 Abs. 5 BewG die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt zum 1.1.1964 maßgeblich. Bei Gebäuden, die erst nach dem 1.1.1964 errichtet wurden, ist in entsprechender Anwendung von § 79 Abs. 2 BewG im Wege der Schätzung die hypothetische Miete zu ermitteln, die am Hauptfeststellungszeitpunkt für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt worden wäre.

c) Zur Ermittlung der üblichen Miete ziehen die Finanzbehörden überwiegend Mietspiegel heran, die auf den Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 aufgestellt sind und nach den Eigenschaften des Mietobjekts differenzieren. Dies ist eine zulässige Methode zur Schätzung der üblichen Miete i.S.d. § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG, wenn eine Schätzung mangels ausreichender Vergleichsobjekte am 1.1.1964 nicht möglich ist und die Mietspiegel die Kriterien des § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG (u.a. Art, Lage und Ausstattung) ausreichend abbilden.

2. Ist ein Einfamilienhaus im Ertragswertverfahren im Wege der Schätzung mit Hilfe der üblichen Jahresrohmiete i.S.d. § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG zu bewerten, so ist für solche Räume, die nach Art, Lage und Ausstattung in gleicher Weise für Wohn- wie für Geschäftszwecke verwendet werden können (indifferente Räume), die übliche Jahresrohmiete für Wohnraum anzusetzen. Auf die tatsächliche Nutzung zum Wertfeststellungszeitpunkt kommt es insoweit nicht an. Das gilt jedenfalls für solche Räume, die im Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 noch nicht genutzt werden konnten, weil sie noch nicht existierten.

§ 79 Abs. 2 Satz 2 BewG knüpft weder ausdrücklich noch inzident an die aktuelle, tatsächliche Nutzung an. Maßgebend sind nach dieser Vorschri...

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