1. Anspruch des Mieters

Keine Zahlungspflicht bei stfr. Umsätzen: Im Fall der Nettopreisabrede (typischerweise "Nettoentgelt zzgl. gesetzliche MwSt") muss M zusätzlich zum (Netto-)Mietentgelt nur dann den Betrag der MwSt an V zahlen, wenn der Umsatz steuerpflichtig ist. Hat er also zu Unrecht die MwSt-Beträge gezahlt, besteht ein Anspruch auf deren Rückzahlung.[48] Im o.g. Beispiel wäre V daher im Prinzip auf Verlangen des M verpflichtet, diesem die von ihm in der Vergangenheit monatlich vereinnahmten MwSt-Beträge (d.h. 190 EUR) zurückzuzahlen.[49] Zukünftig sollte V nur noch das Nettoentgelt in Rechnung stellen.[50]

Wegfall des Vorsteuerabzugs bei M: M müsste, wenn er (in Abweichung von einer Übergangsregelung) eine Anpassung auch für die Vergangenheit verlangt, natürlich die Vorsteuerbeträge, die er in der Vergangenheit geltend gemacht hat (also 38 EUR), an sein Finanzamt zurückzahlen.

[48] Anspruchsgrundlage könnte z.B. § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB sein.
[49] Ggf. wäre dieser Betrag um den Betrag des "Vorsteuerschadens" zu reduzieren, den V nun dadurch erleidet, dass er umsatzsteuerfrei vermietet, vgl. unter Punkt VI. 4 b) und c).
[50] Würde er gleichwohl 1.000 EUR zzgl. MwSt i.H.v. 190 EUR fakturieren, könnte M die Zahlung i.H.v. 190 EUR verweigern.

2. "Gegenrechte" des Vermieters

a) Verjährung

Rückzahlungspflicht nur für 3 Jahre: Dem Anspruch des M auf Rückzahlung der MwSt-Beträge für die Vergangenheit könnte V aber die Einrede der Verjährung entgegenhalten. Er wäre also zur Rückzahlung höchstens insoweit verpflichtet als die Ansprüche des M nicht verjährt sind. Soweit die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren gem. § 195 BGB gelten würde, wären die Ansprüche – wenn M sie im Jahr 2024 geltend macht und V die Einrede der Verjährung erhebt – normalerweise für Zeiträume bis Ende 2020 nicht mehr durchsetzbar.[51]

[51] Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt 3 Jahre ab dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (wenn M von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis hatte oder hätte haben müssen; hiervon ist im Beispiel wohl auszugehen).

b) Verwaltungsanweisungen als Vertragsgrundlage

Abrechnung war konform mit "offizieller" Auffassung: Soweit V den Ansprüchen des M die Einrede der Verjährung nicht entgegenhalten könnte, könnte er die Rückzahlung möglicherweise unter Verweis darauf verweigern, dass er sich an die geltenden Verwaltungsanweisungen (und ggf. einschlägige Rechtsprechung) gehalten hat und diese Grundsätze maßgeblich dafür waren, was die Parteien vereinbaren wollten (Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB).[52]

Bislang keine (generelle) Klärung: Die (zivilrechtliche) Frage, ob ein solcher Einwand möglich ist, ist, soweit ersichtlich, bisher nicht geklärt worden. Vermutlich lässt sie sich auch nicht für alle Fälle generell beantworten. Letztendlich wird es darauf ankommen, was sich aus den Vereinbarungen ergibt. So wäre sogar denkbar, in einem Mietvertrag ausdrücklich zu vereinbaren, dass die Parteien sich im Fall von Änderungen der Rechtsprechung bzw. Verwaltungsanweisungen an ggf. von der Finanzverwaltung erlassene Nichtbeanstandungsregelungen halten wollen (oder umgekehrt, dass sie sich nicht daran halten wollen).

[52] Denkbar wäre (zumindest bei Mietern, die vollständig zum Vorsteuerabzug berechtigt sind) auch, dass ein Rückzahlungsverlangen wegen der Nichtbeanstandungsregelungen (s. oben IV.) eine gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßende unzulässige Rechtsausübung darstellt.

c) (Nachträgliche) Teiloption

Wiederherstellung der Steuerpflicht für VuM: Zu überlegen wäre im Weiteren noch, ob V nachträglich (soweit die Veranlagungen noch nicht bestandskräftig sind) bzw. für die Zukunft im Wege der "Teiloption" gem. Abschn. 9.1. Abs. 6 UStAE nur für die VuM zur Steuerpflicht optieren könnte (vorausgesetzt die Option ist nicht vertraglich ausgeschlossen). Damit könnte er sozusagen die "alte Rechtslage" wiederherstellen.

Ausschluss der Option: In dem unter Punkt V. aufgeführten Beispiel wäre die Option bereits nach § 9 Abs. 2 UStG ausgeschlossen.

Keine Teiloption bei einheitlichen Vorgängen: Im Übrigen spräche gegen eine solche Teiloption, dass die Vermietung des GuB bzw. Gebäudes und der VuM einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang darstellt (was auch für die Vergangenheit so zu sehen wäre, wenn die Nichtbeanstandungsregelung nicht zur Anwendung kommen soll).

So könnte auch Abschn. 9.1. Abs. 6 S. 4 UStAE zu verstehen sein, der auf die EuGH-Rechtsprechung verweist, dass die Option bei der Lieferung von Gebäude(-teilen) und dem dazugehörigen GuB nur zusammen für die Gebäude(-teile) und den dazugehörigen GuB ausgeübt werden kann.[53]

[53] EuGH v. 8.6.2000 – C-400/98 – Breitsohl, UR 2000, 329, allerdings für den Fall der Lieferung eines Grundstücks, nicht für den Fall der Vermietung.

3. Erstattung der MwSt vom Finanzamt an den Vermieter und deren Auswirkung auf geltend gemachte Vorsteuern

Soweit V dem M die MwSt-Beträge zurückzahlen muss (bei Geltendmachung der Ansprüche in 2024 regelmäßig also ab 2021, wenn keine anderen "Gegenrechte" des V eingreifen), möchte er die MwSt, die er zu Unrecht an das Finanzamt abgeführt hat, natürlich gern von diesem erstattet bekommen.

a) Rechtliche Situation

Um diese Erstattung zu bekommen, muss V seine MwSt-Erklär...

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