I. Entwicklung bis zu den Vorlagebeschlüssen des BFH vom 2.3.2011 – II R 23/10 und II R 64/08

 

Rz. 363

[Autor/Stand] Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer ist gem. § 8 Abs. 1 GrEStG der Wert der Gegenleistung (also i.d.R. der Kaufpreis der Immobilie). In den in § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. genannten Ausnahmefällen (also dann, wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist, in Umwandlungsfällen, bei Einbringungen und bei anderen Erwerbsvorgängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage sowie in den Sonderkonstellationen des § 1 Abs. 2a und Abs. 3a GrEStG) wurde die Steuer nach den Bedarfswerten nach § 138 Abs. 2 bis 4 BewG a.F. bemessen, nach Werten also, die das BVerfG im Beschluss v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02[2] für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke mit dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit belegt hat. Obwohl gleichsam "mit Händen zu greifen" war, dass die entsprechenden Vorschriften zur Bedarfsbewertung nicht nur für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer, sondern gleichermaßen auch im Rahmen des § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. zu der verfassungsrechtlich gebotenen realitätsgerechten Ermittlung der Bemessungsgrundlage ungeeignet sind, ordnete der Gesetzgeber des ErbStRG 2009 deren – nunmehr auf die Grunderwerbsteuer beschränkte – Fortgeltung an.

[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2020

II. Vorlagebeschlüsse des BFH vom 2.3.2011 – II R 23/10 und II R 64/08

 

Rz. 364

[Autor/Stand] Vor diesem Hintergrund konnte es nicht verwundern, dass der BFH prompt reagierte: In zwei inhaltsgleichen Beschlüssen v. 2.3.2011[2] holte er eine Entscheidung des BVerfG darüber ein, ob § 11 GrEStG in der im Jahr 2001 geltenden Fassung mit Art. 3 Abs. 1 GG insofern unvereinbar sei, als er die Beteiligten an Erwerbsvorgängen i.S. des § 8 Abs. 2 GrEStG a.F., für die die (Ersatz-)Bemessungsgrundlage nach § 138 Abs. 2 und 3 BewG a.F. in der im Jahr 2001 geltenden Fassung zu ermitteln sei, mit einheitlichen Steuersätzen belaste.

 

Rz. 365

[Autor/Stand] Die vom BFH gegebene Begründung, die gleichermaßen auch für die seinerzeitigen aktuellen Fassungen der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen galt, las sich wie eine Ohrfeige für den Gesetzgeber:

 

Rz. 366

[Autor/Stand] Gemäß § 11 GrEStG gelte ein einheitlicher Steuersatz für sämtliche gemäß § 1 GrEStG steuerbaren Rechtsvorgänge und beide Arten der in § 8 GrEStG a.F. normierten Bemessungsgrundlagen. Eine solche einheitliche Steuersatzregelung verlange eine ausreichend folgerichtig und belastungsgleich ausgestaltete Bemessungsgrundlage. Denn die Belastungswirkung einer Steuer erschließe sich erst aus dem Zusammenwirken des Steuertarifs mit dem ausdifferenzierten Bewertungsrecht.[5]

 

Rz. 367

[Autor/Stand] Ausgehend von der in § 1 GrEStG getroffenen Belastungsentscheidung, grundsätzlich alle Rechtsträgerwechsel an Grundstücken der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen, verlange das Gebot der Gleichheit im steuerlichen Belastungserfolg für alle nach § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. zu besteuernden Rechtsvorgänge ein gleichheitsgerechtes und folgerichtiges Bewertungssystem. Diesen Anforderungen genügten die gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. anzuwendenden Bewertungsvorschriften der §§ 138 ff. BewG a.F. nicht. Die Ersatz-Bemessungsgrundlage des § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. führe für sämtliche dieser Vorschrift unterfallenden Rechtsvorgänge zu Besteuerungsergebnissen, welche die vom Gesetzgeber getroffene Belastungsentscheidung nicht i.S. der Belastungsgleichheit umsetzten. Die gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG a.F. i.V.m. den §§ 138 ff. BewG a.F. anzuwendenden Bewertungsregelungen bewirkten nicht etwa nur Ungleichbehandlungen, die lediglich in einzelnen Regelungen der §§ 138 ff. BewG a.F. angelegt seien. Vielmehr genügten die Bewertungsvorschriften für das Grundvermögen (§ 138 Abs. 3 i.V.m. §§ 139, 145 bis 150 BewG a.F.) in allen Teilbereichen nicht den Vorgaben des Gleichheitssatzes.[7] Entsprechendes gelte auch für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens.[8] Zur näheren (ausführlichen) Begründung wird auf den BFH-Beschluss v. 2.3.2011[9] verwiesen.

 

Rz. 368

[Autor/Stand] Das ganz überwiegende Schrifttum[11] pflichtete dem BFH zu Recht bei. Die von ihm unter Rekurs auf die Erwägungen des BVerfG im Beschl. v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02[12] gegebene Begründung sprach für sich.

 

Rz. 369

[Autor/Stand] Nach den gleich lautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder v. 1.4.2010[14] waren Festsetzungen der Grunderwerbsteuer, die gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG a.F. die Steuer nach den Grundbesitzwerten bemaßen, sowie die hierfür maßgeblichen Feststellungen der Grundbesitzwerte und Feststellungen der Besteuerungsgrundlagen nach § 17 Abs. 2 und 3 GrEStG im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten hinsichtlich der Frage, ob die Heranziehung der Grundbesitzwerte i.S. des § 138 BewG a.F. als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer verfassungsgemäß war, vorläufig nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 AO durchzuführen.

 

Rz. 370– 375

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2020

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