Dass juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) Unternehmer i.S.d. UStG sein können, war nicht umstritten. Weniger klar war aber der Umfang ihrer unternehmerischen Sphäre. § 2 Abs. 3 UStG verwies auf § 1 Abs. 1 Nr. 6 und § 4 KStG und bestimmte, dass sie nur mit ihren Betrieben gewerblicher Art (BgA) und ihren land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gewerblich oder beruflich tätig seien. Nicht der Umsatzsteuer unterlagen dagegen der vielfältige Bereich der Vermögensverwaltung sowie Tätigkeiten, die in Ausübung hoheitlicher Befugnisse vorgenommen wurden.

Nachdem der EuGH sich bereits in der Rechtssache "Isle of Wight Council"[1] zur Bereitstellung von Parkraum in Ausübung hoheitlicher Gewalt geäußert hatte, nutzte der BFH das Verfahren V R 70/05, um mit Beschluss vom 20.12.2007[2] dem EuGH die Frage nach der Unternehmereigenschaft einer Industrie- und Handelskammer bei der Untervermietung angemieteter Büroräume vorzulegen. Zum Rechtsstreit war es gekommen, weil die für die IHK zuständige Finanzbehörde eine Steuerbarkeit der Untervermietung, und damit auch die Möglichkeit einer Option zur Steuerpflicht gem. § 9 Abs. 2 UStG, bejahte. Die für den – in einem anderen Bundesland ansässigen – Vermieter zuständige Behörde vertrat dagegen die Ansicht, die Untervermietung falle unter die nicht steuerbare Vermögensverwaltung, so dass für den Vermieter eine Option zur Steuerpflicht ausgeschieden wäre.

Der EuGH entschied,[3] dass es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedürfe, damit ein Mitgliedstaat eine ihrer Art nach steuerfreie Tätigkeit (hier: nach § 4 Nr. 12 UStG), wenn sie durch eine Einrichtung des öffentlichen Rechts ausgeübt wird, als nicht steuerbare Tätigkeit im Rahmen der Ausübung öffentlicher Gewalt behandeln könne.[4] Eine solche Regelung kannte das deutsche Recht nicht. Er entschied weiter, dass eine Wettbewerbsverzerrung, die sich aus einer solchen Behandlung als Nichtsteuerpflichtiger ergibt, nicht nur dann schädlich ist, wenn sie zu Lasten privater Wirtschaftsteilnehmer wirkt, sondern dass sich auch eine jPöR auf eine Wettbewerbsverzerrung zu ihren Lasten berufen kann. Das war keineswegs selbstverständlich, wie die Revisionsbegründung der Finanzverwaltung im Verfahren V R 70/05 zeigt.

Mit seiner Nachfolgeentscheidung vom 20.8.2009[5] sowie einem weiteren Urteil vom selben Tag begann der BFH dann, § 2 Abs. 3 UStG im Sinne der MwStSystRL (bzw. vorher der 6. EG-RL) auszulegen. Für den Begriff "Betrieb gewerblicher Art" knüpfte er losgelöst vom Gesetzeswortlaut nicht mehr an das KStG an, sondern definierte ihn eigenständig im Lichte des Art. 13 MwStSystRL (vorher Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie).

Er entschied, dass nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH eine jPöR – wie die IHK – unternehmerisch (wirtschaftlich) tätig ist, wenn sie auf privatrechtlicher Grundlage und nicht im Rahmen der eigens für sie geltenden öffentlich-rechtlichen Regelungen handelt, und dass es einer ausdrücklichen Regelung im Gesetz selbst oder in einer aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassenen Rechtsverordnung bedarf, wenn der Mitgliedstaat eine steuerbefreite Tätigkeit als Tätigkeit behandeln möchte, die den Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegt.

Im Urteil vom 17.3.2010[6] sah er eine Gemeinde als Unternehmerin i.S.d. UStG an, die sich als Gegenleistung für die Übereignung eines mit Werbeaufdrucken versehenen Fahrzeugs (Werbemobil) verpflichtet, dieses für die Dauer von fünf Jahren in der Öffentlichkeit zu bewegen, und zwar auch dann, wenn die dem Körperschaftsteuerrecht entlehnte Umsatzgrenze von 30.678 EUR[7] nicht erreicht wird. Auch eine tätigkeitsbezogene Anwendung der Kleinunternehmer-Regelung hat der BFH verworfen.

Im Urteil vom 15.4.2010[8] entschied der BFH, dass dem Begriff der "Vermögensverwaltung" umsatzsteuerrechtlich für die Unternehmerstellung einer jPöR durch einen "Betrieb gewerblicher Art" keine Bedeutung zukomme. Die Gestattung des Aufstellens von Automaten gegen Entgelt durch privatrechtlichen Vertrag stelle eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung dar. Die Überlassung von Personal und Sachmitteln auf öffentlich-rechtlicher Rechtsgrundlage gegen Entgelt könne unternehmerisch sein, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

Mit Urteil vom 2.3.2011[9] sah der BFH einen kommunalen Zweckverband in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, der eine Wasserversorgungsanlage zur Förderung und Abgabe von Trink- und Gebrauchswasser betrieb, als umsatzsteuerlichen Unternehmer an, und verwies zur Begründung auf Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 und 2, Unterabs. 3 i.V.m. Anhang D Nr. 2 der 6. EG-RL (heute Anhang I der MwStSystRL).

Im Urteil vom 3.3.2011[10] bestätigte der BFH, dass eine jPöR bei richtlinienkonformer Auslegung von § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 KStG Unternehmer ist, wenn sie eine wirtschaftliche und damit eine nachhaltige Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtscha...

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