Tz. 13

Stand: EL 85 – ET: 12/2015

Mit der Umsetzung der Verschmelzungs-R beabsichtigte der dt Gesetzgeber zwar auch, die Anforderungen des EuGH für den wirtsch wichtigen Bereich der grenzüberschreitenden Verschmelzung (s Urt des EuGH v 13.12.2005 in der Rs C–SEVIC Systems) umzusetzen (s BR-Drs 548/06, 19ff). Die Neuregelung der §§ 122aff UmwG reicht indessen nicht über die Verschmelzung von Kap-Ges hinaus (zur Frage, ob infolge der Verschmelzungs-R zusätzlich die Möglichkeit zum grenzüberschreitenden Formwechsel geschaffen werden muss, s Forsthoff, DStR 2006, 614). Andere Umwandlungsarten mit Ausl-Bezug bleiben deswegen einstweilen ungeregelt. Der Gesetzgeber beruft sich darauf, dass insoweit in absehbarer Zeit nicht mit harmonisierendem Gemeinschaftsrecht zu rechnen sei und verweist auf eine bei 28 Mitgliedstaaten und weiteren drei EWR-Staaten nahezu unüberschaubar große Anzahl von gesellschaftsrechtlichen Kombinationsmöglichkeiten sowohl was die möglichen Umwandlungsarten als auch die beteiligten Rechtsformen angeht. Offenbar schwebt dem Gesetzgeber ein kollisionsrechtlicher Ansatz zur Lösung dieser Frage vor (s BR-Drs 548/06, 20f). Zu den aktuellen Entwicklung in diesem Zusammenhang s Tz 5.

 

Tz. 14

Stand: EL 85 – ET: 12/2015

Angesichts der bisherigen Zurückhaltung des Gesetzgebers stellt sich die Frage nach den Wirkungen der europäischen Grundfreiheiten auf das dt Umwandlungsrecht. § 1 Abs 1 UmwG fordert zwar einen "Rechtsträger mit Sitz im Inl", sodass Umwandlungen mit Ausl-Bezug auf den ersten Blick nicht erfasst sind. Der beschr Anwendungsbereich des UmwG wird jedoch infolge der bisherigen Rspr des EuGH zu den Grundfreiheiten des AEUV zunehmend krit gesehen (im Einzelnen s Leible/Hoffmann, DB 2002, 2203; s Forsthoff, DB 2002, 2471; s Paefgen, DB 2003, 487; s Großerichter, DStR 2003, 159; s Bungert, DB 2003, 1043; s Hahn, in Reform des UmwSt-Rechts, Rn 774). Die Aussagen des EuGH sind:

Die Mitgliedstaaten müssen den identitätswahrenden Zuzug anderer EU-Kap-Ges durch Verlegung des Verwaltungssitzes (der weitgehend dem Ort der Geschäftsleitung entspricht) in das Inl erlauben, wenn dies nach dem Recht am statutarischen Sitz der Gesellschaft (Gründungsstatut) möglich ist. Diese Verpflichtung ist den Entsch des EuGH in den Rs Daily Mail (s Urt des EuGH v 27.09.1987, Slg 1988, I-5483), Centros (s Urt des EuGH v 09.03.1999, NJW 1999, 2027), Überseering (s Urt des EuGH v 05.11.2002, NJW 2002, 3614) und Inspire Art (s Urt des EuGH v 30.09.2003, ZIP 2003, 1885) zu entnehmen. Den zivilrechtlich zuziehenden Gesellschaften ausl Rechts muss die gleiche Rechtsposition eingeräumt werden wie Gesellschaften inl Rechts. Die im Wegzugsstaat mit Gründungstheorie erlangte Rechtsfähigkeit der Gesellschaft ist auch im Zuzugsstaat anzuerkennen und darf nicht an zusätzliche nationale Bedingungen geknüpft werden.

Die Rspr des EuGH reicht freilich wohl nicht so weit, Gesellschaften gegen die Regeln ihres Gesellschaftsstatuts den Wegzug in einen anderen Mitgliedstaat zu ermöglichen. Das hat der EuGH in seiner Entscheidung in der Rs Cartesio (s Urt des EuGH v 16.12.2008, NJW 2009, 569) nochmals ausdrücklich klargestellt. Eine Gesellschaft hat damit nach wie vor jenseits der nationalen Rechtsordnung, die ihre Gründung und ihre Existenz regelt, keine Realität. Das gilt auch für dt Kap-Ges. AG und GmbH können zwar nach § 4a GmbHG und § 5 AktG idF des MoMiG (G v 23.10.2008, BGBl I 2008, 2026) ihren Verwaltungssitz ins Ausl verlegen. Insbes ist fraglich, ob damit bereits die bislang geltende Sitztheorie kollisionsrechtlich aufgegeben wurde. Denn zu einer diesbezüglichen Regelung im Internationalen Privatrecht kam es im Zuge des MoMiG nicht. Im Einzelnen hierzu s Schnittker/Benecke (FR 2010, 565ff).

In der Rs Sevic (s Entsch des EuGH v 13.12.2005, GmbHR 2006, 140) befasste sich der EuGH mit dem Fall einer grenzüberschreitenden Verschmelzung und entschied, dass die Eintragung der Verschmelzung einer Gesellschaft durch Auflösung ohne Abwicklung und durch Übertragung ihres Vermögens als Ganzes auf eine andere Gesellschaft in das nationale H-Reg zu erfolgen hat, wenn eine der beiden Gesellschaften ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat und ein vergleichbarer Vorgang mit ausschl inl Gesellschaften eingetragen worden wäre (zu den Folgen dieser Entsch für die Sitztheorie s Kuntz, IStR 2006, 225 ff; s Sedemund, BB 2006, 520ff). Der Entsch lag die Hereinverschmelzung einer luxemburgischen SA auf eine dt Gesellschaft (AG) zugrunde. Deren Eintragung ins H-Reg war vom zuständigen AG Neuwied zunächst mit der Begr zurückgewiesen worden, dass § 1 Abs 1 Nr 1 UmwG nur die Verschmelzung von Rechtsträgern mit Sitz in D vorsehe. Im Beschwerdeverfahren legte das LG Koblenz die Frage dann dem EuGH vor. Auch wenn es in dem Rechtsstreit nur um eine Hereinverschmelzung ging, führte der Generalanwalt des Verfahrens in Rn 30 seiner Schlussanträge v 07.07.2005 sehr allgemein aus: "Deshalb fallen unter die Niederlassungsfreiheit all diejenigen Maßnahmen, die den Z...

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