OFD Nordrhein-Westfalen, 28.7.2015, S 0316 - 2015/0006 - St 132a

Der BFH hat mit weitgehend inhaltsgleichen Urteilen vom 16.12.2014 (X R 42/13, X R 29/13 und X R 47/13) die Verwaltungsauffassung bestätigt, dass die zu den einzelnen Geschäftsvorfällen bei Einsatz eines PC-Kassensystems (Warenwirtschaftssystem mit integrierten PC-Kassen) erfassten und gespeicherten Einzeldaten aufbewahrungspflichtige digitale Grundaufzeichnungen im Sinne des § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO darstellen.

Zur einheitlichen Anwendung und zur Abstimmung der Vorgehensweise bitte ich, folgendes zu beachten:

 

1. Gewinnermittlungsarten

 

1.1 Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 1 EStG

Die Pflicht zur Erfassung eines jeden Geschäftsvorfalls/Art und Umfang der Einzelaufzeichnungspflicht ergibt sich aus den §§ 140 AO, §§ 238, 239 HGB und den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB). Aus der Pflicht zur Ersichtlichmachung der Handelsgeschäfte und der Lage des Vermögens unter Beachtung der GoB hat der BFH gefolgert, dass grundsätzlich jedes einzelne Handelsgeschäft – einschließlich der sich auf die jeweiligen Handelsgeschäfte beziehenden Kassenvorgänge – einzeln aufzuzeichnen ist, vgl. auch BFH-Urteil vom 24.6.2009, VIII R 80/06. Sollte dies technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch nicht möglich sein – Frage der Zumutbarkeit – und z.B. Waren von geringem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkauft werden, brauchen die Betriebseinnahmen in der Regel nicht einzeln aufgezeichnet werden, vgl. BFH-Urteil vom 12.5.1966, IV 472/60. Die Frage der Zumutbarkeit stellt sich jedoch bei der Verwendung eines modernen PC-Kassensystems, das sowohl sämtliche Kassenvorgänge einzeln und detailliert aufzeichnet als auch eine langfristige Aufbewahrung ermöglicht, nicht.

 

1.2 Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG

Die Abgabenordnung und das Einkommensteuergesetz enthalten jedoch keine Verpflichtung zur Führung eines Kassenberichts/Kassenbuchs für die Überschussermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG. Gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG sind zwar u.a. auch die vereinnahmten Entgelte aufzuzeichnen und nach § 63 Abs. 1 UStDV müssen diese Aufzeichnungen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmens und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten. Eine Regelung, dass vereinnahmte Barentgelte allerdings gesondert in einem Kassenbuch aufzuzeichnen sind, enthält weder § 22 UStG noch die UStDV, vgl. BFH-Beschluss vom 16.2.2006, X B 57/05.

Der Begriff Kassenbuch ist prinzipiell eine Bezeichnung aus der Buchführungspflicht heraus. Bedeutsamer als dieser Terminus sind jedoch vielmehr dessen Funktionen. Neben der Grundaufzeichnungsfunktion wird hierdurch auch die sich anschließende Verbuchung der Geschäftsvorfälle – Erstellung Sachkonten und Bilanz – sichergestellt. Da die Überschussermittlung keine Übersicht zur Lage des Vermögens – Bilanz – erfordert, ist es insoweit schlüssig, dass sie keine vollumfängliche notwendige Verpflichtung zur Führung eines Kassenbuchs zur Folge hat. Der gemeinsame Anknüpfungspunkt ist vielmehr die Sicherung der Belege und deren vollständigen Erfassung.

Dementsprechend setzt die Überschussrechnung voraus, dass die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben durch Aufzeichnungen oder Belege nachgewiesen werden, vgl. BFH-Urteil vom 15.4.1999, IV R 68/98. Auch Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, sind verpflichtet, die ihrer Gewinnermittlung zugrunde liegenden Belege aufzubewahren und deren vollständige Erfassung zu gewährleisten. Eine solche Aufbewahrungspflicht ergibt sich in der Regel aus § 147 AO, aber auch aus der den Steuerpflichtigen obliegenden Feststellungslast, vgl. Weber-Grellet, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 4 Rz. D 54.

Soweit der Steuerpflichtige die nach § 22 UStG und § 63 UStDV erforderlichen Aufzeichnungen digital unter Verwendung eines modernen PC-Kassensystems vornimmt, das sowohl sämtliche Kassenvorgänge einzeln und detailliert aufzeichnet als auch eine langfristige Aufbewahrung ermöglicht, sind diese digitalen Aufzeichnungen nach § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO aufbewahrungspflichtig.

In Fällen, in denen Steuerpflichtigen eine Einzelaufzeichnungspflicht nicht zugemutet werden kann, muss die Einnahmeermittlung – etwa bei Einsatz von Registrierkassen durch Erstellung und Aufbewahrung der Kassenendsummenbons – nachvollziehbar dokumentiert und überprüfbar sein. Die – ggf. freiwillige und im eigenen Interesse liegende – Aufbewahrung aller Belege ist im Regelfall notwendige Voraussetzung für den Schluss, dass nicht nur die geltend gemachten Betriebsausgaben als durch den Betrieb veranlasst angesehen werden, sondern auch die Betriebseinnahmen vollständig erfasst sind. Nur bei Vorlage geordneter und vollständiger Belege verdient eine Einnahmen-Überschussrechnung Vertrauen und kann für sich die Vermutung der Richtigkeit in Anspruch nehmen, vgl. BFH-Urteil vom 15.4.1999, IV R ...

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