S 2.3.1 Vorsatz

S 2.3.1.1 Begriffsdefinition

1Der Vorsatz muss in Bezug auf Taterfolg, die Tathandlung und die Kausalität vorliegen. 2Hierzu ist eine ausführliche Prüfung notwendig, deren Ergebnis im Abschlussvermerk festzuhalten ist. 3Der Vorsatz besteht aus einem Wissens- und einem Willenselement, die unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. 4Beim direkten Vorsatz handelt der Täter absichtlich oder wissentlich. 5Ein bedingter Vorsatz ist gegeben, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). 6Eine billigende Inkaufnahme liegt auch dann vor, wenn dem Täter der Taterfolg gleichgültig ist. 7Ist ein direkter Vorsatz gegeben, kann dies strafverschärfend berücksichtigt werden.

S 2.3.1.2 Abgrenzung zum Tatbestandsirrtum

(1) 1Nicht vorsätzlich handelt, wer tatsächliche Umstände, die den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AO oder einer ausfüllenden steuerlichen Vorschrift (z.B. § 90 Abs. 1 AO oder § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG) begründen, nicht kennt (Tatbestandsirrtum, § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB). 2Weiß z.B. der Kindergeldberechtigte bzw. -empfänger eines über 18 Jahre alten Kindes in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG nicht, dass dieses einer anspruchsschädlichen Erwerbstätigkeit i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nachgeht, kann er strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. 3Auch wer nicht weiß, dass ihm Mitwirkungspflichten auferlegt sind, handelt nicht vorsätzlich, aber ggf. fahrlässig.

(2) Erfährt der Kindergeldberechtigte den erheblichen Sachverhalt später und erkennt er erst jetzt die Unrichtigkeit seiner ursprünglichen Angaben, macht er sich ab diesem Zeitpunkt wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung strafbar, wenn er die nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO erforderliche Anzeige und Berichtigung unterlässt.

S 2.3.2 Leichtfertigkeit

S 2.3.2.1 Begriffsdefinition

(1) 1Nicht jede pflichtwidrige Handlung bzw. Unterlassung begründet den Vorwurf der Leichtfertigkeit. 2Leichtfertigkeit ist eine besondere Form der Fahrlässigkeit und liegt vor, wenn jemand in besonders großem Maße gegen Sorgfaltspflichten verstößt und ihm dieser Verstoß besonders vorzuwerfen ist, weil er den Erfolg leicht hätte vorhersehen oder vermeiden können. 3Zu einem außergewöhnlichen Maß an Pflichtwidrigkeit muss sich die Verwirklichung des Tatbestands aufdrängen. 4Die für die Verwirklichung des Tatbestands nachzuweisende Leichtfertigkeit erfordert gründliche Feststellungen zur Verletzung der Sorgfaltspflicht und gebietet daher auch die Aufklärung möglicher entlastender Umstände, soweit sie für die Rechtsfolgen einer Zuwiderhandlung bedeutsam sind (§ 160 Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG). 5Jedenfalls wäre es rechtswidrig, von vornherein Leichtfertigkeit zu unterstellen.

(2) 1Da der objektive Tatbestand in § 378 AO mit dem in § 370 AO übereinstimmt, ist § 378 AO häufig dann anzuwenden, wenn zwar der Verdacht auf Steuerhinterziehung besteht, der für die Verwirklichung des Straftatbestandes erforderliche Vorsatz (§ 15 StGB) aber nicht nachgewiesen werden kann, und die Voraussetzungen für Leichtfertigkeit vorliegen. 2Der Tatbestand des § 378 AO wird daher in der Praxis häufig als Auffangtatbestand in Erscheinung treten, und zwar immer dann, wenn die Durchführung eines Strafverfahrens wegen des Verdachts einer Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AO letztlich daran scheitert, dass Vorsatz bei Beachtung strafrechtlicher Beweisgrundsätze nicht nachgewiesen werden kann, hingegen eine Leichtfertigkeit. 3Im Zweifel ist zu Gunsten des Betroffenen zu entscheiden. 4Das Gleiche gilt, wenn eine Aufklärung aussichtslos erscheint oder mit unverhältnismäßigem Verwaltungsaufwand verbunden wäre. 5Die Ahndung als Ordnungswidrigkeit wegen leichtfertiger Begehung darf jedoch nicht automatisch Folge des nicht beweisbaren Vorsatzes sein, sondern bedarf einer eigenständigen Feststellung.

S 2.3.2.2 Abgrenzung zur einfachen Fahrlässigkeit und zu bedingtem Vorsatz

(1) 1Von wesentlicher Bedeutung für die richtige Rechtsanwendung ist die Unterscheidung zwischen einfacher Fahrlässigkeit (weder Straftat noch Ordnungswidrigkeit) und Leichtfertigkeit (Ordnungswidrigkeit) sowie zwischen Leichtfertigkeit (Ordnungswidrigkeit) und bedingtem Vorsatz (Straftat). 2Für die richtige Einordnung kommt es darauf an, neben dem objektiven Verstoß gegen Sorgfaltspflichten (gemessen an der für den durchschnittlichen Kindergeldempfänger vorhersehbaren Verwirklichung des Tatbestands) die individuelle Vorwerfbarkeit (d.h. die Bewertung des Verhaltens des Betroffenen unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles) nachzuweisen.

(2) 1Der Unterschied zwischen Leichtfertigkeit und einfacher Fahrlässigkeit ergibt sich aus der Schwere der Sorgfaltsversäumnis. 2Nur wenn ein Verstoß in besonders großem Maße vorliegt, kann von einer Leichtfertigkeit ausgegangen werden. 3Hierbei ist zu beachten, dass der Berechtigte verpflichtet ist, auch umfangreiche Formulare und Erläuterungen gewissenhaft zu lesen. 4Er ist außerdem bei Unsicherheit verpflichtet, sich zu erkundigen. 5Auch wenn ein Berechtigter seine Mitwirkungspflichten tatsächlich nicht kannte, entlastet ihn das somit nicht von dem Vorwurf d...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge