Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Miet- und Leasingverträgen war im Jahr 2017 Gegenstand einer vielbeachteten Entscheidung des EuGH.[1] (Erst) im Jahr 2020 hat die Finanzverwaltung den Umsatzsteuer-Anwendungserlass angesichts dieser Entscheidung angepasst. Im Kern geht es bei Miet- und Leasingverträgen um die Frage, ob diese als sonstige Leistungen oder möglicherweise als Lieferungen zu behandeln sind. Die Beantwortung dieser Frage wirkt sich dabei wegweisend auf die Bestimmung des Leistungsorts sowie des Zeitpunktes aus, in welchem die Umsatzsteuer entsteht und an das Finanzamt abzuführen ist. Während sich ersterer bei einer Lieferung gem. § 3 Abs. 6 UStG an dem Ort befindet, an welchem die Beförderung beginnt, werden bei sonstigen Leistungen zwischen Unternehmern gem. § 3a Abs. 2 UStG diese vorbehaltlich der §§ 3b und 3e UStG an dem Ort ausgeführt, an welchem das Unternehmen des Empfängers betrieben wird. Außerdem würde bei einer sonstigen Leistung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 2 UStG die Umsatzsteuer erst mit jeder zu zahlenden Leasingrate und mithin lediglich periodisch entstehen, während bei einer Einordung als Lieferung die Umsatzsteuer auf das gesamte Entgelt gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a S. 1 UStG bereits mit Überlassung des Leasinggegenstandes an den Leasingnehmer entstehen würde. Bei Annahme einer Lieferung müsste der Leistende somit trotz Ratenzahlung durch den Leistungsempfänger die Umsatzsteuer bereits bei Überlassung an das Finanzamt entrichten. Eine solche Vorfinanzierung kann ein wesentliches Cash-Flow-Problem darstellen. Der nachfolgende Beitrag soll anhand praktischer Beispiele wichtige Abgrenzungskriterien anschaulich darstellen und bedeutsame Fallstricke im Umgang mit dieser Thematik aufzeigen. Dem vorangestellt erfolgt eine Darstellung der Entwicklung auf Seiten der Rechtsprechung sowie der Handhabung der Finanzverwaltung.

[1] EuGH v. 4.10.2017 – C-164/16 – Mercedes-Benz Financial Services UK, ECLI:EU:C:2017:734, BStBl. II 2020, 179 = UR 2018, 14.

I. Rechtliche Rahmenvorschriften und Konsequenzen der Handhabung

Sonstige Leistung oder Lieferung? Zunächst erscheint es hilfreich, sich erneut zu verdeutlichen, wann allgemein von einer sonstigen Leistung oder von einer Lieferung auszugehen ist. Hierüber geben die Art. 24 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL[2] Aufschluss. Nach Art. 14 Abs. 1 MwStSystRL gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, als Lieferung von Gegenständen. Zudem gilt gem. Art. 14 Abs. 2 MwStSystRL die "Übergabe eines Gegenstands aufgrund eines Vertrags, der die Vermietung eines Gegenstands während eines bestimmten Zeitraums oder den Ratenkauf eines Gegenstands vorsieht, der die Klausel enthält, dass das Eigentum unter normalen Umständen spätestens mit Zahlung der letzten fälligen Rate erworben wird" als Lieferung eines Gegenstands. Hingegen ist jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen darstellt, gem. Art. 24 Abs. 1 MwStSystRL eine Dienstleistung. Ähnliche Formulierungen finden sich auch in den Vorschriften des UStG. Nach § 3 Abs. 9 UStG liegt eine sonstige Leistung vor, wenn diese keine Lieferung darstellt. Eine Lieferung hingegen ist gem. § 3 Abs. 1 UStG eine Leistung, welche einen Abnehmer oder einen Dritten in dessen Auftrag befähigt, über einen Gegenstand in eigenem Namen zu verfügen (Verschaffen der Verfügungsmacht). Durch den Umstand, dass eine sonstige Leistung vorliegt, wenn der maßgebliche Umsatz keine Lieferung ist, fehlt häufig eine trennscharfe Abgrenzung. Eine gewisse Streitanfälligkeit ist damit vorprogrammiert.

[2] Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem.

II. Die überholte umsatzsteuerrechtliche Orientierung am Ertragsteuerrecht

Einordnung auf Grundlage der sog. "Leasing-Erlasse": Die Frage der Einordnung als Lieferung oder sonstige Leistung bei Leasing-Sachverhalten hat die deutsche Finanzverwaltung in der Vergangenheit zunächst anhand eines einkommensteuerrechtlichen Maßstabes beurteilt. Gemäß Abschn. 3.5 Abs. 5 S. 1 UStAE a.F. sollte es sich bei der Übergabe von Leasinggegenständen im Rahmen eines Leasingverfahrens dann um eine Lieferung handeln, wenn der Leasingnehmer auf Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen sowie deren tatsächlicher Durchführung berechtigt ist, über den Leasinggegenstand wie ein Eigentümer zu verfügen. Gemäß Abschn. 3.5 Abs. 5 S. 2 UStAE a.F. war davon in der Regel dann auszugehen, wenn dem Leasingnehmer der Leasinggegenstand einkommensteuerrechtlich zuzurechnen war. Diese einkommensteuerrechtliche Zuordnung erfolgte wiederum mithilfe der sog. "Leasing-Erlasse".[3] Dazu werden zwei Arten des Leasings unterschieden:

  • das Finanzierungsleasing, bei dem die Finanzierungsfunktion im Vordergrund steht und
  • das Operating-Leasing, bei dem die Verträge meist eine kurze Laufzeit haben oder der Leasingnehmer kurze Kündigungsfristen hat.

Nach den Leasingerlassen wird von einem Finanzierungsleasing gesprochen, wenn der Vertrag auf eine bestimmte Zeit abgeschlossen wird und bei ordnungsgemäßer Erfüllung nicht vorzeitig gekündigt werden kann (Grundmietzei...

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