Die Regelungen in § 43 Abs. 5 EStG sehen verschiedene Fallkonstellationen vor, in denen eine Abgeltungswirkung des Steuerabzugs nicht eintritt. Die Ausnahmen von der Abgeltungswirkung können in drei Fallgruppen differenziert werden (s. hierzu i.E. Gersch in Kirchhof/Söhn/Mellinghof, EStG, § 43 Rz. O 3):

  • Fallgruppe 1: Die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs tritt ausnahmsweise nicht ein (vgl. § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 EStG).
  • Fallgruppe 2: Die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs tritt nie ein (§ 43 Abs. 5 Satz 2 EStG).
  • Fallgruppe 3: Die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs tritt auf Antrag nicht ein (§ 43 Abs. 5 Satz 3 EStG). Nach der hier vertretenen Auffassung führt die Fallgruppe 3 nicht dazu, dass die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs nicht eintritt. Vielmehr sieht § 43 Abs. 5 Satz 3 EStG i.V.m. § 32d Abs. 4, 6 EStG das Recht des Gläubigers der Kapitalerträge vor, die abgeltend besteuerten Kapitaleinkünfte in die Steuerveranlagung einzubeziehen, um eine günstigere Steuerbelastung zu erreichen.

aa) Zu Fallgruppe 1 (§ 43 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 EStG)

Die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs tritt nicht ein, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge nach § 44 Abs. 1 Satz 10 und 11 EStG und § 44 Abs. 5 EStG in Anspruch genommen werden kann.

§ 44 Abs. 1 Satz 10 und 11 EStG: Wenn Kapitalerträge ganz oder teilweise nicht in Geld bestehen und der in Geld geleistete Kapitalertrag nicht zur Deckung der Kapitalertragsteuer ausreicht, hat der Gläubiger der Kapitalerträge dem zum Steuerabzug Verpflichteten den Fehlbetrag zur Verfügung zu stellen. Soweit der Gläubiger der Kapitalerträge seiner Verpflichtung nicht nachkommt, hat der zum Steuerabzug Verpflichtete dies dem für ihn zuständigen Betriebsstätten-FA anzuzeigen. Das FA hat die zu wenig erhobene Kapitalertragsteuer vom Gläubiger der Kapitalerträge nachzufordern.

§ 44 Abs. 5 Satz 2 EStG: Der Gläubiger der Kapitalerträge wird nur in Anspruch genommen, wenn

  • der Schuldner, die den Verkaufsauftrag ausführende Stelle oder die die Kapitalerträge auszahlende Stelle die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat, oder
  • der Gläubiger der Kapitalerträge weiß, dass der Schuldner, die den Verkaufsauftrag ausführende Stelle oder die die Kapitalerträge auszahlende Stelle die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat, und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt oder
  • das die Kapitalerträge auszahlende inländische Kreditinstitut oder das inländische Finanzdienstleistungsinstitut die Kapitalerträge zu Unrecht ohne Abzug der Kapitalertragsteuer ausgezahlt hat.

bb) Zu Fallgruppe 2 (§ 43 Abs. 5 Satz 2 EStG)

Die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs tritt nicht ein, in Fällen des § 32d Abs. 2 EStG und für Kapitalerträge, die zu den

  • Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft,
  • aus Gewerbebetrieb,
  • aus selbständiger Arbeit oder
  • aus Vermietung und Verpachtung gehören.

Die Fallgruppe 2 enthält Fälle, in denen der Tarif nach § 32d Abs. 1 EStG stets ausgeschlossen ist (Hinweis: Die tarifliche Besteuerung bei der unternehmerischen Beteiligung gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG erfolgt nur auf Antrag und ist vor erstmaliger Antragstellung nicht verbindlich vorgeschrieben). Vielmehr werden die betroffenen Kapitalerträge i.S.d. § 20 EStG tariflich nach § 32a EStG besteuert. Kein Ausschluss des Kapitalertragsteuerabzugs: Der Steuerabzug ist auch dann vorzunehmen, wenn die Kapitalerträge beim Gläubiger zu den vorgenannten Einkunftsarten gehören, § 43 Abs. 4 EStG (auf die mögliche Abgeltungswirkung des Steuerabzugs für beschränkt stpfl. Personen gem. § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG und etwaige Entlastungsverfahren gem. § 44a Abs. 9 EStG oder § 43b EStG/§ 50d EStG wird ergänzend hingewiesen). Der Steuerabzug hat Vorauszahlungscharakter, denn die im Wege des Steuerabzugs erhobene Steuer wird auf die festgesetzte Steuer angerechnet (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG).

cc) Zu Fallgruppe 3

Auf Antrag des Gläubigers werden Kapitalerträge i.S.d. § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG in die besondere Besteuerung von Kapitalerträgen nach § 32d EStG einbezogen. Durch die Veranlagungswahlrechte in § 32d Abs. 4 und 6 EStG wird die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs nicht negiert, s. hierzu auch die Ausführungen bei II. 3. a), dritter Punkt. Anders verhält es sich jedoch, wenn ein Antrag gem. § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG i.V.m. § 43 Abs. 5 Satz 2 EStG im Fall der unternehmerischen Beteiligung gestellt wird.

Günstigerprüfung (§ 32d Abs. 6 EStG): Auf Antrag des Steuerpflichtigen (Stpfl.) werden die nach § 20 EStG ermittelten Kapitaleinkünfte den Einkünften i.S.d. § 2 EStG hinzugerechnet und der tariflichen Einkommensteuer unterworfen, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer einschl. Zuschlagsteuern führt. Für den Antrag auf Günstigerprüfung müssen sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen deklariert werden.

Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalt (§ 32d Abs. 4 EStG): Der Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalt ermöglicht dem Stpfl., für bestimmte Kapitalerträge die materielle Rechtmäßigkeit des Steuerabzugs zu überprüfen (s. Haug in HHR, EStG/KStG, § 43 EStG Rz. 93). Ausweislich der Regelung in § 32d Abs. 4 EStG kann der Stpfl. für Kapitalerträge...

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