Mit seiner jüngst veröffentlichten Entscheidung v. 26.9.2023 rückt der BFH ausdrücklich von dieser Linie ab (BFH v. 26.9.2023 – IX R 13/22). Im Entscheidungsfall war der Kläger Mitglied einer Erbengemeinschaft. Zum Nachlass gehörte auch ein Grundstück. Die zehnjährige Haltefrist des Erblassers war – soweit ersichtlich – bereits abgelaufen. Der Kläger erwarb die übrigen Erbanteile mit den darin enthaltenden Grundstücksanteilen. Im folgenden Jahr veräußerte er das Grundstück. Streitig war, ob durch den Erwerb des Miterbenanteils eine neue Haltefrist begann, gegen die der Kläger durch die Veräußerung verstieß. Der BFH verneinte – im Unterschied zu seiner bisherigen Rspr. – ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft. Er stützt sich auf folgende Überlegungen:

Bisher anerkannte und weiter geltende Voraussetzung eines privaten Veräußerungsgeschäfts sei die Identität zwischen dem erworbenen und veräußerten Wirtschaftsgut (vgl. bereits BFH v. 6.4.2011 – IX R 41/10, BFH/NV 2011, 1850). Diese fehle zwischen dem gekauften Erbanteil und dem später veräußerten Grundstück, auch wenn das Grundstück der Erbengemeinschaft und damit dem gekauften Erbanteil zuzurechnen sei. Der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer gesamthänderischen Beteiligung führe nicht zur (anteiligen) Anschaffung der Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens. Soweit der BFH dies bisher anders sah, hält er hieran maßgeblich unter drei Gesichtspunkten nicht fest:

Maßgeblich sei eine zivilrechtliche Betrachtungsweise. Der Erwerb einer gesamthänderischen Beteiligung sei bei zivilrechtlicher Betrachtung kein Erwerb eines Grundstücks. Eine gesamthänderische Beteiligung vermittele keinen sachenrechtlich fassbaren Anteil und infolgedessen auch kein Verfügungsrecht des einzelnen an den Gegenständen des Gesamthandsvermögens. Dies gelte auch, wenn sich im Gesamthandsvermögen ausschließlich Grundstücke befinden.

Etwas anderes ergebe sich nicht aus § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO. Demnach werden Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft zustehen, den Beteiligten oder Gesellschaftern anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO). Die Norm komme nur zur Anwendung, wenn die Einkünfte von der Gesamthand und nicht (nur) von den Gesamthändern erzielt werden. Hier würden die Einkünfte von den Gesamthändern erzielt.

Ebenfalls begründe die Sondervorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG (s. dazu oben unter 2. b)) keine Steuerpflicht. Erbengemeinschaften seien – so der BFH – keine vom Tatbestand ausdrücklich geforderte "Personengesellschaften". Aufgrund des klaren Wortlauts der Norm scheide eine entsprechende Anwendung aus (so auch Ratschow in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, Stand: 11/2023, § 23 EStG Rz. 111).

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