Entscheidungsstichwort (Thema)

Niedersächsische Vergnügungssteuer für Spiel- und Unterhaltungsautomaten

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Vergnügungssteuer gehört, wie sie in den zur Prüfung vorgelegten Vorschriften geregelt ist, zu den herkömmlichen bei Inkrafttreten des Finanzreformgesetzes am 1. Januar 1970 üblicherweise bestehenden örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, die nach der erkennbaren Vorstellung des Verfassunggebers mit bundesrechtlich geregelten Steuern nicht gleichartig sind. Dem steht nicht entgegen, daß der Gesetzgeber des sechsten Gesetzes zur Änderung des Vergnügungssteuergesetzes auf die Besteuerung anderer herkömmlich von der Vergnügungssteuer erfaßter Tatbestände verzichtet hat.

 

Normenkette

GG Art. 105 Abs. 2a; VergnStG ND §§ 12, 2 Abs. 2 Nr. 10, § 2 Nr. 5 Fassung: 1972-05-05

 

Verfahrensgang

OVG für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein (Vorlegungsbeschluss vom 27.08.1975; Aktenzeichen VII A 51/73)

 

Gründe

Die Vorlage betrifft die Verfassungsmäßigkeit der niedersächsischen Vergnügungssteuer für Automaten.

I.

1. Bis zur Änderung des niedersächsischen Vergnügungssteuergesetzes in der Fassung vom 13. September 1961 (GVBl. S. 297) – VergnStG a. F. – durch das 6. Vergnügungssteueränderungsgesetz vom 28. März 1972 (GVBl. S. 172) – 6. VergnStÄndG – war nach § 2 Abs. 1 Satz 1 VergnStG a. F. „Gegenstand der Besteuerung … die Vergnügungen, die im Gemeindebezirk veranstaltet” wurden. Zu diesen Vergnügungen gehörten nach § 2 Abs. 2 „unbeschadet der Vorschriften über steuerbefreite Veranstaltungen (§ 3) in jedem Falle … 10. der Betrieb von Spiel-, Geschicklichkeits- und Unterhaltungsapparaten und -automaten (einschließlich der Apparate und Automaten zur Ausspielung von Geld und Gegenständen und zur mechanischen Musikwiedergabe) in Gaststätten, Vereinsräumen, Kantinen und an anderen Orten, die der Öffentlichkeit zugänglich sind; …”

Für den Betrieb der in § 2 Abs. 2 Nr. 10 VergnStG a. F. bezeichneten Geräte wurde die Steuer als Pauschsteuer erhoben.

§ 13 VergnStG a. F. lautete:

Nach festen Sätzen

Für den Betrieb von Spiel-, Geschicklichkeits- und Unterhaltungsapparaten und -automaten beträgt die Steuer für jeden angefangenen Betriebsmonat

    1. für Geräte mit Gewinnmöglichkeit 25 Deutsche Mark je Gerät,
    2. für Geräte ohne Gewinnmöglichkeit mit Ausnahme der Geräte zur mechanischen Musikwiedergabe 3 Deutsche Mark je Gerät,
  1. für Geräte zur mechanischen Musikwiedergabe 15 Deutsche Mark je Gerät.

Nach § 2 VergnStG i. d. F. des 6. VergnStÄndG, mit neuer Paragraphenfolge neu bekanntgemacht am 5. Mai 1972 (GVBl. S. 256) – VergnStG n. F. –, sind Gegenstand der Besteuerung nicht mehr „die” im Gemeindegebiet veranstalteten Vergnügungen, sondern nur noch diejenigen, die in der Vorschrift ausdrücklich genannt sind. § 2 Abs. 2 Nr. 10 VergnStG a. F. ist bei der Neuregelung als Nr. 5 unverändert übernommen worden. Geändert hat sich insoweit nur der Steuersatz für Geräte mit Gewinnmöglichkeiten. Dieser beträgt nach § 12 Nr. 1a VergnStG n. F. nicht mehr einheitlich 25 DM, sondern 20 DM für Geräte mit Gewinnmöglichkeit von höchstens 1 DM und 25 DM für Geräte mit Gewinnmöglichkeit von mehr als 1 DM.

2. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens klagt gegen einen Steuerbescheid der Stadt Hannover, durch den sie für den Betrieb von Apparaten und Automaten im Sinne des § 2 Nr. 5 VergnStG n. F. nach dieser Vorschrift i. V. m. § 12 VergnStG n. F. für den Betriebsmonat April 1972 zur Vergnügungssteuer herangezogen worden ist. Das Oberverwaltungsgericht hat das Verfahren über die Berufung der in erster Instanz unterlegenen Beklagten des Ausgangsverfahrens ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt „ob die Vorschriften des § 2 Nr. 5 und des § 12 des niedersächsischen Vergnügungssteuergesetzes i. d. F. vom 5. Mai 1972 (GVBl. S. 256) mit dem Grundgesetz vereinbar sind”. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist die Vergnügungssteuer für Automaten, wie sie die Vorschriften des § 2 Nr. 5 i. V. m. § 12 VergnStG n. F. vorsehen, mit der bundesrechtlichen Mehrwert- (Umsatz)steuer gleichartig im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG. Der Landesgesetzgeber habe deshalb für diese Regelung keine Gesetzgebungsbefugnis gehabt. Nicht mehr zu entscheiden sei, ob die Vergnügungssteuer für Automaten auch dann mit der Mehrwertsteuer gleichartig sei, wenn eigentlicher Gegenstand der Vergnügungssteuer das Vergnügen im Sinne jeglicher Befriedigung des Bedürfnisses nach Zerstreuung und Entspannung und damit ein außerwirtschaftlicher Vorgang wäre, was möglicherweise auf das frühere alle im Gemeindegebiet veranstalteten Vergnügungen erfassende Recht habe zutreffen können. Denn der Gesetzgeber des geltenden niedersächsischen Vergnügungssteuergesetzes habe den Begriff der Vergnügungen in diesem Sinne jedenfalls aufgegeben. Als verbindendes Merkmal der im Katalog des § 2 VergnStG n. F. zusammengefaßten Vorgänge erscheine jetzt nicht mehr etwa. eine höhergradige Belustigung oder ein gesteigerter Aufwand, sondern die Kommerzialisierung eines auf anonymen Konsum zugeschnittenen Vergnügungsbetriebes. Die Vergnügungssteuer für Automaten treffe genauso wie die Umsatzsteuer die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die sich in dem entgeltlichen Spiel oder der entgeltlichen Unterhaltung äußere. Gleich seien bei beiden Steuern ferner der Steuermaßstab und die wirtschaftlichen Auswirkungen. Nicht zu überzeugen vermöge die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 28. Juni 1974 – VII C 22.73), nach der die Ortsbezogenheit der Verbrauch- und Aufwandsteuern als wesentliches Kriterium die Gleichartigkeit mit bundesgesetzlich geregelten Steuern ausschließe. Im übrigen verstoße die Besteuerung von Spiel- und Unterhaltungsapparaten im Vergleich zu den jetzt von der Besteuerung ausgenommenen Theateraufführungen, Kabarett- und Varieté-Vorstellungen usw. nicht gegen den Gleichheitssatz, weil für die unterschiedliche Behandlung nicht jeder einleuchtende Grund fehle.

II.

Im Verfahren nach § 24 BVerfGG kann dahinstehen, ob die Vorlage zulässig ist. Sie ist jedenfalls offensichtlich unbegründet.

§ 2 Nr. 5 und § 12 nds. VergnStG i. d. F, vom 5. Mai 1972 sind mit dem Grundgesetz vereinbar. Maßgebend dafür sind dieselben Erwägungen, die das Bundesverfassungsgericht seinen Entscheidungen vom 4. Juni 1975 – 2 BvR 824/74 – (BVerfGE 40, 56 [60 ff.]); – 2 BvL 16/73 – (BVerfGE 40, 52 [55]) zur Verfassungsmäßigkeit der nordrhein-westfälischen und der hessischen Vergnügungssteuer zugrunde gelegt hat. Danach verstößt die landesrechtliche Regelung der örtlichen Vergnügungssteuer für Automaten, für die der Landesgesetzgeber das ausschließliche Gesetzgebungsrecht hat, nicht gegen das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a GG. Es bedarf hier ebenso wie in den vorerwähnten Verfahren keiner abschließenden Entscheidung darüber, wie das in Art. 105 Abs. 2a GG als zusätzliche Beschränkung der Gesetzgebungsbefugnis der Länder aufgenommene Gleichartigkeitsverbot im einzelnen zu definieren ist. Denn die Besteuerung von Spiel- und Musikapparaten in Gast- und Schankwirtschaften oder ähnlichen Orten gehört zum herkömmlichen Bild der Vergnügungssteuer (vgl. BVerfGE 14, 76 [92]; 31, 119 [127]). Auch war sie schon in § 2 Abs. 2 Nr. 10 VergnStG a. F. dessen Steuertatbestand unverändert in § 2 Nr. 5 VergnStG n. F. übernommen worden ist, vorgesehen. Die Steuer gehört deshalb, wie sie in den zur Prüfung vorgelegten Vorschriften geregelt ist, zu den herkömmlichen bei Inkrafttreten des Finanzreformgesetzes am 1. Januar 1970 üblicherweise bestehenden örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, die nach der erkennbaren Vorstellung des Verfassunggebers mit bundesrechtlich geregelten Steuern nicht gleichartig sind. Dem steht nicht entgegen, daß der Gesetzgeber des sechsten Gesetzes zur Änderung des Vergnügungssteuergesetzes auf die Besteuerung anderer herkömmlich von der Vergnügungssteuer erfaßter Tatbestände verzichtet hat. Der Gegenstand der Vergnügungssteuer für Automaten ist dadurch ebensowenig berührt worden wie durch die Einführung eines zusätzlichen Steuersatzes für Geräte mit Gewinnmöglichkeit.

 

Fundstellen

BVerfGE, 38

VerwRspr 1977, 73

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