Entscheidungsstichwort (Thema)

Letztinstanzliche Entscheidungen ohne Begründung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Grundsätzlich bedürfen mit ordentlichen Rechtsbehelfen nicht mehr anfechtbare letztinstanzliche gerichtliche Entscheidungen von Verfassungs wegen keiner Begründung. Es verletzt weder rechtsstaatliche Grundsätze noch den Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Willkürverbot, daß der Bundesfinanzhof nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch nicht begründeten Beschluß entscheiden kann, wenn er einstimmig die Revision für unbegründet erachtet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

2. Eine Begründung letztinstanzlicher Entscheidungen ist jedoch im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG erforderlich, wenn von dem eindeutigen Wortlaut einer Rechtsnorm abgewichen werden soll und sich der Grund hierfür nicht schon eindeutig aus der den Betroffenen bekannten und für sie ohne weiteres erkennbaren Besonderheit des Falles ergibt.

3. Hat der Bundesfinanzhof auf die Nichtzulassungsbeschwerde hin die Revision bezüglich den Jahres 1985 zugelassen, nicht hingegen in der gleichgelagerten Sache des Jahres 1986, läßt dies keinen Verfassungsverstoß erkennen, weil der Senat dem Beschluß über die Nichtzulassungsbeschwerde die Mitteilung zur Abweisung der anhängigen Revision als einstimmig unbegründet beigefügt hatte.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nrn. 6, 7 S. 2

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 25.08.1989; Aktenzeichen VI B 181/88)

FG München (Urteil vom 15.06.1988; Aktenzeichen IX 223/87 L)

 

Gründe

Die Voraussetzungen für die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung liegen nicht vor (§ 93 a BVerfGG). Durch eine Entscheidung wäre die Klärung einer grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten. Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten oder grundrechtsähnlichen Rechten angezeigt.

Grundsätzlich bedürfen mit ordentlichen Rechtsbehelfen nicht mehr anfechtbare letztinstanzliche gerichtliche Entscheidungen von Verfassungs wegen keiner Begründung (vgl. BVerfGE 50, 287 ≪289≫; 71, 122 ≪135≫; 81, 97 ≪106≫). Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Kammerrechtsprechung verfassungsrechtliche Bedenken gegen Art. 1 Nr. 6 und 7 BFH-EntlG als unbegründet erachtet (vgl. z.B. Beschluß vom 13. April 1992 – 2 BvR 355/92 –, HFR 1993, S. 90; Beschluß vom 4. Dezember 1992 – 1 BvR 326/89 –, HFR 1993, S. 201). Es verletzt weder rechtsstaatliche Grundsätze noch den Gleichheitssatz in seiner Ausprägung als Willkürverbot, daß der Bundesfinanzhof nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch nicht begründeten Beschluß entscheiden kann, wenn er einstimmig die Revision für unbegründet erachtet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Durch diese Verfahrensvereinfachung sollen die Richter in einfacher gelagerten Fällen von häufig recht zeitraubenden Arbeiten entlastet werden, die weder für die Rechtsfindung im Einzelfall noch für die Wahrung der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung wesentlich sind (vgl. BTDrucks V/2849, S. 3; VII/3654, S. 3,5). Diese Erwägung, die auf eine Beschleunigung und Effektivierung des Rechtsschutzes in der Revisionsinstanz abzielt, ist im Hinblick auf die besonderen Aufgaben der obersten Gerichtshöfe des Bundes sachgerecht.

Der Sachverhalt weist hier keine Besonderheiten auf, die eine Begründung letztinstanzlicher Entscheidungen ausnahmsweise erfordern. Eine derartige Pflicht hat das Bundesverfassungsgericht mit Rücksicht auf Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot und der Bindung des Richters an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) dann bejaht, wenn von dem eindeutigen Wortlaut einer Rechtsnorm abgewichen werden soll und sich der Grund hierfür nicht schon eindeutig aus den den Betroffenen bekannten und für sie ohne weiteres erkennbaren Besonderheiten den Falles ergibt (BVerfGE 71, 122 ≪135 f.≫; 81, 97 ≪106≫).

Hiernach bestand im Ausgangsverfahren für den Bundesfinanzhof keine Veranlassung zu einer näheren Begründung der Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision; er wich weder von dem eindeutigen Wortlaut einer Rechtsnorm ab noch änderte er seine bisherige Rechtsprechung, denn die hier aufgeworfene Rechtsfrage hatte er noch nicht entschieden.

Daß der Bundesfinanzhof auf die Nichtzulassungsbeschwerde hin die Revision bezüglich den Jahres 1985 zugelassen hat, nicht hingegen in der gleichgelagerten Sache bezüglich des Jahres 1986 läßt keinen Verfassungsverstoß erkennen. Nachdem er nach Beratung der Sache einstimmig beschlossen hatte, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, stand für den Senat fest, daß auch der mit der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfenen vergleichbaren Rechtsfrage hinsichtlich des Streitjahres 1986 keine grundsätzliche Bedeutung (mehr) zukam. Daß der Senat vor diesem Hintergrund die Nichtzulassungsbeschwerde des Beschwerdeführers angesichts der gleichgelagerten Rechtsproblematik als einfach beurteilte, hält sich im Rahmen seines Einschätzungsspielraums und ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine Begründung des die Nichtzulassungsbeschwerde zurückweisenden Beschlusses war von Verfassungs wegen nicht veranlaßt. Eine nicht begründete Gerichtsentscheidung mag für die Beteiligten unbefriedigend sein, weder das Rechtsstaatsprinzip noch andere Verfassungsbestimmungen gebieten aber in diesen Fällen eine Begründung. Vorliegend konnte im übrigen der Beschwerdeführer auch ohne Begründung unschwer erkennen, daß die von ihm erstrebte Revision gänzlich ohne Erfolgsaussicht war, weil der Senat dem Beschluß die Mitteilung zur Abweisung der anhängigen Revision als einstimmig unbegründet beigefügt hatte. Ob eine andere Beurteilung dann geboten sein kann, wenn eine Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs oder ein Verfahrensfehler als möglich erscheint, kann hier offenbleiben.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1496709

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