Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Der im Jahre 1967 geborene Kläger brach sich im Mai 1976 bei einem Unfall auf einem Spielplatz den rechten Arm. Er wurde auf Kosten dir Beigeladenen zur stationären Behandlung eingewiesen, in der noch am selben Tage ein erster Repositionsversuch unter Lokalanästhesie vorgenommen wurde. Eine Röntgenkontrolle ergab eine fortbestehende Fehlstellung der Bruchstücke. Nach einem weiteren Repositionsversuch stellte sich eine Lähmung im Bereich des rechten Unterarmes heraus (postoperative Radialisparese rechts). In eine m Strafermittlungsverfahren gegen die Ärzte des Krankenhauses führte der medizinische Sachverständige u.a. aus: Die komplette und wahrscheinlich weitgehend endgültige Radialisparese bei dem Kläger sei auf eine tragische Komplikation der chirurgischen Behandlung des Oberarmbruchs zurückzuführen; ein Kunstfehler könne nicht wahrscheinlich gemacht werdet.
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 13. September 1977 einen Anspruch des Klägers auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung für die Folgen der Radialis-Nervenschädigung rechts ab. Zur Begründung führte sie aus: Die Radialis-Nervenschädigung rechts sei nicht Folge eines Arbeitsunfalles. Die in der stationären Heilbehandlung selbst liegenden Risiken - der atypische Heilungsverlauf, das Ausbleiben des erhofften Erfolges, der Eintritt von Komplikationen - gehörten bei den nach §539 Abs. 1 Nr. 17 Buchst. a der Reichsversicherungsordnung (RVO) versicherten Personen nicht in den Bereich der gesetzlichen, Unfallversicherung.
Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 24. Januar 1978 die Klage abgewiesen und ausgeführt: Die Entschädigungspflicht des Unfallversicherungsträgers werde auch im Rahmen des § 539 Abs. 1 Nr. 17 Buchst. a RVO nicht allein dadurch begründet, daß ein Versicherter einen Körperschaden, in zeitlichem und örtlichem Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt erleide. Die Körperschädigung müsse darüber hinaus ihre, innere Ursache gerade in der stationären Behandlung haben, d.h. in der Gewährung von Heilbehandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einem Krankenhaus.
Das SG hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hat dieses Rechtsmittel eingelegt.
Er trägt vor: Zu den gemäß § 539 Abs. Nr. 17 Buchst. a RVO zu entschädigenden Unfällen gehörten, vor allem ärztliche Kunstfehler. Der Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift lasse sich nur von dem Zweck des Aufenthaltes in einer Kur- oder Spezialeinrichtung bzw. in einem Krankenhaus her beantworten. Da als Zweck des Aufenthaltes eine erfolgreiche medizinische Rehabilitation gelten müsse, umfasse die versicherte Tätigkeit alle ärztlichen Maßnahmen und Anwendungen von Kurmitteln. Es sei richtig, das bei Kur- oder Krankenhausaufenthalt wie bei einem Arbeitsunfall bei der beruflichen Tätigkeit die Körperschäden entschädigt würden, die durch das Unfallgeschehen hervorgerufen worden seien, nicht jedoch die Krankheiten, wegen derer man sich in stationäre Behandlung habe begeben müssen. Ein Arbeitsunfall liege auch, nach der Sicht der Beklagten vor, wenn ein Rehabilitand, auf dem Gelände eines Krankenhauses oder einer Kureinrichtung stürze. Anderes könne hier nicht gelten.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagte nach dem Klageantrag zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene beantragt ebenso wie der Kläger,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, aufgrund des Unfalles vom 15. Mai 1976 die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
Unter Bezugnahme auf das, Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig vom I0. März 1978 (NJW 1978, 1203) ist sie der Auffassung, die Behandlung des Klägers habe zu einer erneuten Verletzung geführt, die sich somit durch die stationäre Behandlung, ereignet habe. Als versicherte Tätigkeit für den Personenkreis der Rehabilitanden müsse auch das Erdulden der Behandlung gelten.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision ist nicht begründet.
Der Kläger gehörte während, der ihm vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gewährten stationären Behandlung im Krankenhaus zu den nach § 539 Abs. 1 Nr. 17 Buchst. a RVO versicherten Personen. Auch diese Personen sind jedoch aufgrund dieser Vorschrift nur gegen Arbeitsunfälle versichert (vgl. § 548 RVO). Der Versicherungsschutz besteht demnach insoweit bei in ursächlichem Zusammenhang mit der stationären Behandlung stehenden Unfällen (vgl. das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des Senats vom 27. Juni 1978 - 2 RU 30/78).
Unfall ist ein körperlich schädigend zeitlich begrenztes Ereignis (s. u.a. BSGE 23, 139, 141; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.- 8. Aufl., S. 479, Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3, Aufl., § 548 Anm. 3 und Schönberger, Der Arbeitsunfall im Blickpunkt spezieller Tatbestände, 1965 - jeweils mit weiteren Nachweisen). Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob ein operativer Eingriff die Merkmale eines Unfalles erfüllen kann, sobald dabei weitere Gesundheitsstörungen auftreten, die durch den Eingriff nicht gewollt waren (vgl. BVerwGE 23, 201, 204 zur Blinddarmoperation; s auch OLG Braunschweig, NJW 1978, 1203 zur Parainjektion). Jedenfalls liegt kein neuer Unfall darin, daß die unmittelbare Behandlung eines Unfalles zu weiteren Gesundheitsstörungen führt. Dabei handelt es sich nach der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre vielmehr versicherungsrechtlich um mittelbare Folgen des Unfalles, dessentwegen die Behandlung erforderlich wurde. Für mittelbare Unfallfolgen besteht jedoch eine Entschädigungspflicht des Unfallversicherungsträgers nur, wenn der Unfall selbst ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall ist (Brackmann a.a.O. S. 488 b). Davon ist auch der Gesetzgeber im Rahmen des § 555 RVO ausgegangen. Entgegen der Auffassung des OLG Braunschweig (a.a.O.) betrifft diese Vorschrift nicht die durch einen Kunstfehler bei der Behandlung eines Arbeitsunfalles auftretenden Gesundheitsstörungen. Diese Folgen sind aufgrund der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre wesentlich durch den Arbeitsunfall bedingt und als mittelbare Folgen des Arbeitsunfalles unabhängig von § 555 RVO zu entschädigen. Für eine Entschädigungspflicht des Unfallversicherungsträgers für mittelbare Folgen eines Arbeitsunfalles hätte es demnach des § 555 RVO nicht bedurft. Der Träger der Unfallversicherung hat vielmehr mittelbare Folgen eines Arbeitsunfalles nicht nur zu entschädigen, wenn die Voraussetzungen einer der in § 555 RVO angeführten Alternativen erfüllt sind. Aus dieser Vorschrift kann somit nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe bei den nach § 539 Abs. 1 Nr. 17 Buchst. a RVO Versicherten die bei der Behandlung eines Unfalles auftretenden mittelbaren Unfallfolgen unabhängig davon entschädigen wollen, daß der Unfall ein Arbeitsunfall war. Der Hinweis in dem Entwurf eines Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation, für Unfallversicherte enthalte § 555 RVO eine dem § 539 Abs. 1 Nr. 17 RVO entsprechende Regelung (s. BT-Drucks. 7/1237, S. 67), läßt demnach nicht erkennen, daß der Gesetzgeber abweichend von § 555 RVO den Versicherungsschutz der nach § 539 Abs. 1 Nr. 17 Buchst. a RVO Versicherten auf mittelbare Folgen von Unfällen erstrecken wollte, die nicht Arbeitsunfälle sind. Der Kläger hat sich den Arm jedoch nicht bei einer versicherten Tätigkeit gebrochen.
Sinn und Zweck des Versicherungsschutzes nach § 539 Abs. 1 Nr. 17 Buchst. a RVO rechtfertigen keine andere Auslegung. Danach sollen die Risiken in den Versicherungsschutz einbezogen werden, denen der Versicherte bei der stationären Behandlung ausgesetzt ist. Dagegen ist das Risiko der ärztlichen Behandlung selbst nicht Gegenstand des Versicherungsschutzes. Die gegenteilige Ansicht würde dazu führen, daß die gesetzliche Unfallversicherung für jeden Mißerfolg einer stationären Behandlung einzustehen hätte, soweit daß ärztliche Mißgeschick bei der Behandlung die Voraussetzungen des Unfallbegriffs erfüllen würde. Eine Beschränkung des Versicherungsschutzes auf ärztliche Kunstfehler käme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung allgemein nicht auf Unfälle beschränkt ist, bei denen dem Verursacher ein Verschulden trifft. Ob ein so weitgehender Versicherungsschutz bei einer stationären - nicht aber auch bei einer ambulanten - Behandlung und die damit grundsätzlich verbundene Entbindung der Krankenhausträger von der Schadensersatzpflicht gegenüber dem Patienten rechts- und sozialpolitisch zweckmäßig wären, um den Geschädigten von dem Nachweis eines Kunstfehlers zu befreien,
ist hier nicht zu prüfen. Ein so weitgehender Versicherungsschutz mit den damit zwangsläufig verbunden weiteren Rechtsfolgen ist § 539 Abs. 1 Nr. 17 Buchst. a RVO und den sonstigen im Zusammenhang mit dieser Vorschrift nur für einen bestimmten Personenkreis getroffenen Regelungen jedenfalls nicht zu entnehmen (im Ergebnis ebenso: Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, 3. Aufl., Kennzahl 300, S. 37ff.; Hamacher, BG 1977, 567; a.A. OLG Braunschweig a.a.O.; Vollmar, ZfS. 1975, 336, 338; Martin, Anwaltsblatt 1977, 140; Sanftleben, VersR 1978, 403). Gegen eine Einbeziehung des Risikos der ärztlichen Behandlung in den Unfallversicherungsschutz aufgrund des § 539 Abs. 1 Nr. 17 Buchst. a RVO spricht auch, daß die aufgrund einer mißglückten ärztlichen Behandlung auftretenden Erkrankungen nicht in die nach Inkrafttreten dieser Vorschrift neu gefaßte Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung vom 20. Juni 1968 i.d.F. vom 8. Dezember 1976 (BGBl. I 3329) aufgenommen worden sind. Es ist aber nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Folgen eines mißlungenen ärztlichen Eingriffs entschädigt werden sollen, wenn sich das schädigende Ereignis auf eine Arbeitsschicht beschränkt und damit den Unfallbegriff noch erfüllen könnte, was der Senat auch hier offen läßt (z.B. eine mißlungene Operation oder eine eindeutig zu hoch dosierte Injektion), dagegen ein Versicherungsschutz nicht gegeben wäre, wenn sich die mißglückte Behandlung auf mehrere Tage erstreckt (z.B. eine Strahlentherapie oder eine insgesamt eindeutig zu hoch dosierte Behandlung mit Injektionen über mehrere Tage). Die gegenteilige Auffassung würde entgegen dem OLG Braunschweig außerdem zu einer ebenfalls durch den Wortlaut dieser Vorschrift, der Gesetzessystematik, den Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift nicht gerechtfertigten Besserstellung der in stationärer Behandlung stehenden Personen gegenüber den Kranken führen, die ambulant behandelt werden. Der Versicherungsschutz bei der stationären Behandlung ist im Rahmen des § 539 Abs. 1 Nr. 17 Buchst. a i.V.m. § 548 RVO dadurch begründet, daß der Versicherte sich in eine besondere Einrichtung begeben muß und dort überwiegend anderen Risiken als zu Hause ausgesetzt ist. Hinsichtlich des Behandlungserfolges oder -mißerfolges besteht jedoch kein wesentlicher Unterschied zwischen Kranken, die stationär behandelt und denen, die ambulant behandelt werden. In bezug auf den Behandlungserfolg oder -mißerfolg ist deshalb aus versicherungsrechtlichen Grundsätzen z.B. eine ungleiche Behandlung eines Verletzten, bei dem ein Bruch seines Armes stationär behandelt wird, nicht gerechtfertigt gegenüber dem Patienten, der sich nach der Behandlung des Bruches wieder nach Hause begeben kann und die weitere ärztliche Betreuung ebenfalls ambulant erhält. Ausgehend von der Rechtsauffassung des OLG Braunschweig (a.a.O. S. 1204) könnten sonst sowohl die Patienten - wegen des nur durch ehe stationäre Behandlung erreichbaren Versicherungsschutzes gegen das Mißlingen eines ärztlichen Eingriffs - als auch die Krankenhausträger - wegen der vom OLG Braunschweig (a.a.O.) aus dem Versicherungsschutz gefolgerten Haftungsbefreiung wesentlich aus diesen Erwägungen darauf drängen, soweit wie möglich ärztliche Eingriffe während einer - ggf. nur auf zwei oder drei Tage beschränkten - stationären Behandlung und nicht mehr in der Ambulanz vorzunehmen. Nicht nur die dadurch bedingten Mehrkosten, sondern vor allem die durch die Befreiung der Krankenhausträger von der Haftung bei schuldhaft mißlungenen ärztlichen Eingriffen entstehenden Kostet müßten aber die Versicherten zu Hälfte selbst aufbringen. Unternehmer ist bei Versicherten nach § 539 Abs. 1 Nr. 17 RVO der Rehabilitationsträger (s. § 658 Abs. 2 Nr. 3 RVO). Er hat die Kosten für die Unfallversicherung dieser Versicherten zu tragen (s. § 723 Abs. 1 RVO). Die Beiträge der bei einer gesetzlichen Krankenkasse, oder einem Rentenversicherungsträger versicherten Personen tragen grundsätzlich Arbeitnehmer und Arbeitgeber je zur Hälfte (s. § 381 Abs. 1 Satz 1, § 1385 Abs. 4 Buchst. a RVO). Die Beitragslast der Rehabilitationsträger für die Unfallversicherung der Rehabilitanden ist insoweit systemgerecht, als sie - abweichend von dem Grundgedanken der gesetzlichen Unfallversicherung (s. Brackmann a.a.O. S. 469) - nicht auf einer Haftungsablösung beruht, vielmehr Teil der von den Versicherten und dem Arbeitgeber gemeinsam getragenen Gesamtkosten der Rehabilitation ist. Eine Beitragsbelastung für die Kosten einer Haftungsbefreiung der Krankenhausträger wäre dagegen für die Versicherten, die den an die Stelle ihrer zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche tretenden Schadenausgleich durch eigene Beitragsleistungen finanzieren müßten, und auch für deren Arbeitgeber nicht systemgerecht, da für sie ebenfalls eine Haftungsablösung, für die sie die Kosten zu tragen hätten (vgl. § 723 Abs. 1 RVO; Brackmann a.a.O. S. 469), insoweit nicht in Betracht kommt. Dagegen würde der, welcher von der Haftung freigestellt würde, hierfür nicht durch Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung belastet. Auch die im Zusammenhang mit der Einfügung des § 539 Abs. 1 Nr. 17 RVO getroffenen beitragsrechtlichen Regelungen stützen somit die Auffassung des Senats.
Das SG hat demnach zu Recht die Klage abgewiesen. Die Revision ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.kj
Fundstellen
Haufe-Index 518692 |
NJW 1978, 2357 |
DVBl. 1979, 696 |