Leitsatz (amtlich)
Zum Umfang des Versicherungsschutzes der nach RVO § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a während einer stationären Behandlung versicherten Personen (Fortführung von BSG 1978-06-27 2 RU 20/78 = SozR 2200 § 539 Nr 47).
Leitsatz (redaktionell)
Unfallversicherungsschutz der Rehabilitanden (RVO § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a):
1. In den Unfallversicherungsschutz nach RVO § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a sind die Risiken einbezogen, denen der Versicherte bei der stationären Behandlung ausgesetzt ist; das Risiko der ärztlichen Behandlung selbst ist ebenso wie das mit der Entwicklung und dem Verlauf der die stationäre Behandlung bedingenden Krankheit verbundene Risiko nicht Gegenstand des Versicherungsschutzes.
2. Bei den durch einen Sturz aus dem Fenster einer Klinik erlittenen Verletzungen handelt es sich um Folgen der die stationäre Behandlung bedingenden Erkrankung und nicht um einen Arbeitsunfall, wenn der Versicherte aus einer depressiven Zwangshaltung in Selbstmordabsicht gehandelt hat.
Normenkette
RVO § 539 Abs. 1 Nr. 17 Buchst. a Fassung: 1974-08-07, § 548 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1963-04-30, § 555 Abs. 1 Fassung: 1974-08-07
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 25.07.1978; Aktenzeichen L 3 U 38/78) |
SG Braunschweig (Entscheidung vom 24.02.1978; Aktenzeichen S 2 U 218/75) |
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. Juli 1978 wird aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 24. Februar 1978 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungs- und Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die im Jahre 1943 geborene Klägerin war seit dem 16. Oktober 1974 wegen einer Depression, die zu einem Selbstmordversuch geführt hatte, in stationärer Behandlung, deren Kosten die Beigeladene trug. Bis zum 4. November 1974 wurde die Klägerin in der geschlossenen und danach in der offenen Abteilung behandelt. Am 16. November 1974 sprang die Klägerin in Selbstmordabsicht gegen 6.00 Uhr aus einem Fenster des 2. Stockwerks und verletzte sich dabei schwer.
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 28. November 1975 Entschädigungsansprüche ab, da die Verletzungen beim Sturz auf die psychische Erkrankung der Klägerin und nicht auf die besonderen Umstände der stationären Behandlung zurückzuführen seien.
Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 24. Februar 1978 die Klage abgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt: Die Klägerin sei einer Gefahr erlegen, die sich aus ihrer Krankheit ergeben habe und für die aus der Sphäre des Krankenhausbetriebes herrührende Risiken ohne Bedeutung gewesen seien.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 25. Juli 1978 das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin wegen der Folgen des Unfalls vom 16. November 1974 zu entschädigen. Es hat ua ausgeführt: Die Klägerin habe beim Sturz aus dem Fenster einen Unfall erlitten, weil sie ihrer Zwangsvorstellung keine freie. Willensentschließung habe entgegensetzen können. Das zwanghafte Handeln der Klägerin habe auf einem Leiden beruht, das Grund für die stationäre Behandlung gewesen sei. Der Aufenthalt der Klägerin im Krankenhaus mit den damit verbundenen Möglichkeiten der Beobachtung ihres Verhaltens bei Beschäftigungen wie auch während Ruhephasen, ihrer Kontaktaufnahmen zu andern Personen, der Reaktionen auf Medikamente und dergleichen stelle sich gerade bei psychischen Leiden schon als Teil der Behandlung dar. Der Aufenthalt der Klägerin in der offenen Abteilung habe auf einer ärztlichen Entscheidung beruht. Bei der weiteren Beobachtung seien weder dem Arzt noch den Schwestern Anzeichen für einen Rückfall in Depressionen mit akuter Selbstgefährdung aufgefallen. Ob dies bei einer individuellen Betreuung durch Angehörige oder Pflegepersonal möglich gewesen wäre, entziehe sich des Beweises. Ein Risiko der stationären Behandlung psychisch Kranker liege jedoch darin, daß die Betreuung und Beobachtung in offenen Abteilungen nicht mit der gleichen Intensität vorzunehmen seien wie bei individueller Krankenpflege durch Angehörige oder einen ausschließlich für eine Patienten tätigen Pfleger oder bei Behandlung in einer geschlossenen Anstalt. Dem Krankenhauspersonal könnten damit Anzeichen für einen Rückfall entgehen oder sie könnten von selbstgefährdenden Handlungen eines Erkrankten überrascht werden, so daß sie weder vorbeugend noch schützend eingreifen könnten. Dieses Risiko sei bei der Klägerin am 16. November 1974 eingetreten. Mit dem Bundessozialgericht (BSG) sei davon auszugehen, daß das Risiko der ärztlichen Behandlung selbst nicht Gegenstand des Versicherungsschutzes sei. Im Gegensatz zu der vom BSG entschiedenen Sachlage sei die Klägerin nicht Opfer eines verfehlten oder eines mißglückten ärztlichen Heileingriffs. Vielmehr gehe der Unfall gerade auf die zu behandelnde Krankheit und die mit stationärer Behandlung psychisch Kranker einhergehenden Risiken zurück.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt.
Sie trägt vor: Der Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a der Reichsversicherungsordnung (RVO) setze voraus, daß zwischen dem Aufenthalt zur stationären Behandlung und dem Unfall ein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Dies sei jedoch bei der Klägerin nicht der Fall, da auch das LSG nicht habe feststellen können, daß der Krankenhausaufenthalt den Selbstmordversuch wesentlich mitgedingt habe.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie tritt dem Urteil des Berufungsgerichts ebenfalls bei und führt ua aus: Die durch § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO geschützte Tätigkeit sei das "Sichaufhalten" in dem Krankenhaus. Die Einweisungskrankheit der Klägerin hätte in der vertrauten häuslichen Sphäre sicher nicht derartige weitreichende Folgen gehabt. Jeder Wechsel der Umgebung könne bei derart kranken Menschen leicht zu Verwirrtheitszuständen der vorliegenden Art führen. Insofern sei ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zum Krankenhausaufenthalt vorhanden; denn ohne diesen Aufenthalt hätte sich die Einweisungskrankheit wahrscheinlich nicht in dieser massiven Weise in schwerer Unglücksfolge ausgewirkt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet.
Die Klägerin gehörte während der ihr vom Träger der gesetzlichen Krankenversicherung gewährten stationären Behandlung im Krankenhaus zu den nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO versicherten Personen (s BSG Urteil vom 31. Oktober 1978 - 2 RU 70/78 -). Auch diese Personen sind jedoch aufgrund dieser Vorschrift nur gegen Arbeitsunfälle versichert. Nach der in Rechtsprechung und Schrifttum seit langem im wesentlichen einhellig vertretenen Auffassung ist Unfall ein körperlich schädigendes zeitlich begrenztes Ereignis (s. ua BSGE 23, 139, 141; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-9. Aufl, S. 479 - mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Dieser Unfallbegriff gilt auch für den Versicherungsschutz der nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO versicherten Personen. Dem Gesetzeswortlaut, der Gesetzessystematik, dem Sinn und Zweck des Gesetzes und auch der Entstehungsgeschichte sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die es rechtfertigen könnten, lediglich für die nach dieser Vorschrift versicherten Personen den Begriff des Unfalls ohne die ihm eigentümliche zeitliche Begrenzung anzuwenden (aA Küchenhoff, SGb 1978, 457, 458) und damit insoweit die Grenze zwischen Unfall und Erkrankung aufzuheben.
Der Versicherungsschutz besteht bei in ursächlichem Zusammenhang mit der stationären Behandlung stehenden Unfällen (vgl BSG SozR 2200 § 539 Nr 47 und 48; BSG Urteil vom 31. Oktober 1978 - 2 RU 70/78 -). Ein nur zeitlicher und örtlicher Zusammenhang zwischen der stationären Behandlung und dem Unfall ist auch hier nicht ausreichend.
Der Senat hat in seinem Urteil vom 27. Juni 1978 (SozR aaO Nr 47) ausgeführt, daß nach Sinn und Zweck des Versicherungsschutzes der nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO versicherten Personen die Risiken in den Versicherungsschutz einbezogen werden sollen, denen der Versicherte bei der stationären Behandlung ausgesetzt ist. Dagegen ist das Risiko der ärztlichen Behandlung selbst nicht Gegenstand des versicherten Risikos (BSG aaO; BSG Urteil vom 31. Oktober 1978 aaO). Der Senat hat dabei auch nicht übersehen, daß der Gesetzeswortlaut allein diese Entscheidung nicht begründet. Dies gilt jedoch gleichfalls für die Gegenmeinung. Die vom Senat auch schon in seinem Urteil vom 27. Juni 1978 (SozR aaO) beachtete systematische Auslegung rechtfertigt entgegen der Auffassung von Küchenhoff (aaO) auch nicht deshalb eine andere Beurteilung, weil nach § 557 Abs 1 Nr 1 RVO die Heilbehandlung insbesondere die ärztliche Behandlung umfaßt. Ein solcher Vergleich scheidet gerade aus rechtssystematischen Gründen aus, da § 557 RVO eine Vorschrift des Leistungsrechts ist, während § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO die dem Leistungsrecht vorangehenden und von ihm losgelösten Regelungen betrifft, welche Personen überhaupt gegen Arbeitsunfall versichert sind. Zur Abgrenzung dieses Personenkreises und nicht zur Bestimmung des Umfanges des Versicherungsschutzes ist in § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO auf § 559 RVO Bezug genommen.
Ebenso rechtfertigt ein Vergleich zu § 555 RVO nicht, wie Küchenhoff (aaO) meint, eine andere Entscheidung. Der Senat hat auch bei seiner Entscheidung vom 27. Juni 1978 (SozR aaO) nicht verkannt, daß der Gesetzgeber bei der Einführung eines - von ihm nicht näher abgegrenzten - Versicherungsschutzes für die Versicherten, die nicht aufgrund eines Arbeitsunfalls stationäre Behandlung erhalten, auch kurz auf § 555 RVO Bezug genommen hat (BT-Drucks 7/1237, S. 67). Der Senat hat jedoch bereits in seinem Urteil vom 27. Juni 1978 näher dargelegt, daß die durch einen Kunstfehler bei der Behandlung der infolge eines Arbeitsunfalls aufgetretenen Gesundheitsstörungen aufgrund der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre wesentlich durch den Arbeitsunfall bedingt und als mittelbare Folgen des Arbeitsunfalls unabhängig von § 555 RVO zu entschädigen sind. Es kann nicht auf sich beruhen (so Küchenhoff aaO), ob der Unfallversicherungsträger für mittelbare Folgen eines Arbeitsunfalls im Rahmen des § 555 RVO oder bereits deshalb haftet, weil der Arbeitsunfall eine wesentliche Bedingung auch dieser Gesundheitsstörung ist. Für den Fall, daß bei der Behandlung von Unfallfolgen neue Gesundheitsstörungen auftreten, hätte es nicht nur keiner Klarstellung in § 555 RVO bedurft, der wesentlich andere Fälle regeln wollte. Entscheidend ist vielmehr, daß der Träger der Unfallversicherung, wie der Senat ebenfalls bereits ausgeführt hat (SozR aaO), mittelbare Folgen eines Arbeitsunfalls nicht nur zu entschädigen hat, wenn die Voraussetzungen einer der in § 555 RVO angeführten Alternativen erfüllt sind. Vor allem daraus ist zu entnehmen, daß die Ansicht (s. Küchenhoff aaO), das versicherte Risiko der nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO versicherten Personen erfasse auch das der ärztlichen Behandlung, nicht damit begründet werden kann, der Schutz, den § 555 RVO den unfallgeschädigten Sozialversicherten einräume, gebe § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO auch den Sozialversicherten, welche ohne einen vorausgegangenen Arbeitsunfall bei der Durchführung einer anderweit notwendig gewordenen Heilbehandlung einen Unfall erleiden.
Der Senat hat in seinem Urteil vom 27. Juni 1978 (SozR aaO) weitere, von Küchenhoff (aaO) nicht erwähnte, Gründe dargelegt, die dagegen sprechen, daß das Risiko der ärztlichen Behandlung selbst Gegenstand des Versicherungsschutzes der nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO versicherten Personen ist. Der Senat hat in seinem Urteil vom 27. Juni 1978 (SozR aaO) insbesondere dargelegt, die gegenteilige Ansicht würde dazu führen, daß die gesetzliche Unfallversicherung für jeden Mißerfolg einer stationären Behandlung einzustehen hätte, soweit das ärztliche Mißgeschick bei der Behandlung die Voraussetzungen des Unfallbegriffs erfüllen würde. Eine Beschränkung des Versicherungsschutzes auf ärztliche Kunstfehler käme schon deshalb nicht in Betracht, weil die Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung allgemein nicht auf Unfälle beschränkt ist, bei denen den Verursacher ein Verschulden trifft. Dies hätte jedoch - sofern in einem mißlungenen operativen Eingriff ein Unfall gesehen werden kann, wovon auch Küchenhoff (aaO) ausgeht und was hier weiterhin dahinstehen kann - zur Folge, daß zB bei einer ohne Verschulden des Operateurs nicht erfolgreichen Nierenoperation, die zum Verlust der Niere führt, der Träger der Unfallversicherung wegen dieser Gesundheitsstörung Entschädigungsleistungen zu gewähren hätte, auch wenn das Nierenleiden selbst nicht Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit wäre. Ein so weitgehender Versicherungsschutz mit den damit zwangsläufig verbundenen weiteren Rechtsfolgen ist gerade aus der von Küchenhoff (aaO S. 458) betonten rechtssystematischen Sicht § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO und den sonstigen im Zusammenhang mit dieser Vorschrift nur für einen bestimmten Personenkreis getroffenen Regelungen jedenfalls nicht zu entnehmen. So sind ua die aufgrund einer mißglückten ärztlichen Behandlung auftretenden Erkrankungen nicht in die nach Inkrafttreten dieser Vorschrift neugefaßte Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung vom 20. Juni 1968 idF vom 8. Dezember 1976 (BGBl I 3329) aufgenommen worden. Es ist aber nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Folgen eines mißlungenen ärztlichen Eingriffs entschädigt werden sollen, wenn sich das schädigende Ereignis auf eine Arbeitsschicht beschränkt und damit den Unfallbegriff noch erfüllen könnte, was der Senat auch hier offenläßt (zB eine mißlungene Operation oder eine eindeutig zu hoch dosierte Injektion), dagegen ein Versicherungsschutz nicht gegeben wäre, wenn sich die mißglückte Behandlung auf mehrere Tage erstreckt (zB eine Strahlentherapie oder eine insgesamt eindeutig zu hoch dosierte Behandlung mit Injektionen über mehrere Tage). Dieses Ergebnis könnte nur durch eine auf den in § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO aufgeführten Personenkreis beschränkte Aufgabe des allgemeinen Unfallbegriffs vermieden werden, wofür aber - wie bereits dargelegt - das Gesetz und seine Entstehungsgeschichte keine Anhaltspunkte bieten. Die gegenteilige Auffassung würde - wie der Senat weiter in seinem Urteil vom 27. Juni 1978 (aaO) ausgeführt hat - außerdem zu einer ebenfalls durch den Wortlaut, der Gesetzessystematik, den Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift nicht gerechtfertigten Besserstellung der in stationärer Behandlung stehenden Personen gegenüber den Kranken führen, die ambulant behandelt werden. Hinsichtlich des Behandlungserfolges oder -mißerfolges besteht jedoch kein wesentlicher Unterschied zwischen Kranken, die stationär behandelt und denen, die ambulant behandelt werden. Der Senat braucht weiterhin zu der vom Bundesgerichtshof noch nicht höchstrichterlich entschiedenen Streitfrage nicht Stellung zu nehmen, ob beim Vorliegen eines Arbeitsunfalls der nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO versicherten Personen eine Haftungsbeschränkung des Arztes und des Krankenhausträgers eintritt (so OLG Braunschweig NJW 1978, 1203, 1204; aA Küchenhoff aaO S. 459, Martin ebenda S. 480). Der Senat hat in seinem Urteil vom 27. Juni 1978 lediglich darauf hingewiesen, daß ausgehend von der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Braunschweig die Versicherten, die durch die Befreiung der Krankenhausträger von der Haftung bei schuldhaft mißlungenen ärztlichen Eingriffen entstehenden Kosten zur Hälfte selbst aufzubringen hätten.
Ebenso sind die mit der Entwicklung und dem Verlauf der die stationäre Behandlung bedingten Erkrankung selbst verbundenen Risiken nicht Gegenstand des Versicherungsschutzes, auch wenn sie zu einem Unfall führen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG war jedoch das auch zum Selbstmordversuch in der Klinik führende zwanghafte Handeln der Klägerin der Grund für die stationäre Behandlung. Die durch den Sturz aus dem Fenster erlittenen Gesundheitsstörungen waren demnach mittelbare Folgen dieser Erkrankung. Für mittelbare Folgen besteht, wie der Senat bereits dargelegt hat, eine Entschädigungspflicht des Unfallversicherungsträgers nur, wenn der Unfall selbst ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall ist (BSG aaO; Brackmann aaO S. 488 b). Das zur stationären Behandlung der Klägerin führende Leiden war jedoch nicht Folge eines Arbeitsunfalls. Die Tatsache, daß die zum Selbstmordversuch führende Erkrankung der Klägerin nicht Folge eines Arbeitsunfalls war, schließt allerdings, worauf das LSG abschließend näher eingegangen ist, den Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO nicht von vornherein aus, da diese Vorschrift gerade für die nicht durch einen Arbeitsunfall bedingte stationäre Behandlung geschaffen worden ist. Wesentliche Ursache eines bei der stationären Behandlung eingetretenen Unfalls müssen um den Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift zu begründen, die Risiken sein, denen der Versicherte bei der stationären Behandlung ausgesetzt ist. Das Berufungsgericht hat jedoch keine Umstände festgestellt, die darauf schließen lassen, daß auch die Risiken, denen die Klägerin bei der stationären Behandlung ausgesetzt gewesen ist, den Selbstmordversuch der Klägerin und dessen Folgen wesentlich mitbedingt haben. Das LSG hat insoweit zunächst ausgeführt, der Aufenthalt der Klägerin im Krankenhaus mit den damit verbundenen Möglichkeiten der Beobachtung ihres Verhaltens bei Beschäftigungen wie auch während der Ruhepausen, ihre Kontaktmöglichkeiten zu anderen Personen, ihre Reaktionen auf Medikamente und dergleichen stellten sich gerade bei psychischen Leiden schon als Teil der Behandlung dar. Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist jedoch nicht zu entnehmen, daß diese Umstände - zB der Kontakt mit anderen Patienten, die Beobachtung während der Beschäftigung und Ruhepausen - neben der Erkrankung der Klägerin deren Selbstmordversuch wesentlich mitbedingten. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen sind auch im übrigen den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts und dem Vorbringen der Beteiligten keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß die stationäre Behandlung neben der Erkrankung der Klägerin eine wesentliche Bedingung für den erneuten Selbstmordversuch war. Dabei ist zu beachten, daß die Klägerin in der von der Beigeladenen erwähnten "vertrauten häuslichen Sphäre" gleichfalls zwei Selbstmordversuche unternommen hatte und auch zu ihrem jedenfalls insoweit besseren Schutz in stationäre Behandlung genommen wurde. Die Reaktion auf Medikamente fällt darüber hinaus in das selbst nicht Gegenstand des Versicherungsschutzes nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO fallende Risiko der ärztlichen Behandlung. Hierzu zählt auch die Entscheidung des Arztes, die Klägerin nicht mehr in der geschlossenen Abteilung zu belassen, sondern in eine offene Abteilung zu verlegen. Das LSG hat außerdem im folgenden festgestellt, daß im Zeitpunkt der Verlegung der Klägerin in eine offene Abteilung keine unmittelbare Selbstmordgefahr bestand und diese erst nach einem "überraschenden" und somit nicht voraussehbaren Rückfall in eine depressive Zwangshaltung wieder eintrat. Das LSG sieht wohl (s. S. 12 oben) ein vom Versicherungsschutz erfaßtes Risiko der stationären Behandlung darin, daß im Krankenhaus durch das Zahlenverhältnis von Patienten einerseits sowie ärztlichem und pflegerischem Personal andererseits eine Betreuung und Beobachtung nicht in der gleichen Intensität vorgenommen werden könne wie bei einer individuellen Pflege zu Hause, so daß dem Krankenhauspersonal Anzeichen für einen Rückfall entgehen oder es von selbstgefährdendem Handeln eines Erkrankten überrascht werden könne, ohne vorbeugend oder schützend eingreifen zu können. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht festgestellt, daß die Betreuung der nach zwei Selbstmordversuchen im häuslichen Bereich und gerade wegen der dort nicht ausreichenden Versorgung in das Krankenhaus aufgenommenen Klägerin durch das Krankenhauspersonal den Selbstmordversuch wesentlich mitbedingt hat. Allerdings hat das LSG ausgeführt, eine mangelhafte Beobachtung oder Sicherung durch das Pflegepersonal komme nicht als alleinige Unfallursache in Betracht, was eine - im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung entscheidende - wesentliche Mitverursachung nicht ausschließen würde.
Das LSG hat danach aber weiter dargelegt, es bestünden keine konkreten Anhaltspunkte gegen die Deutung des Krankenhausarztes, wonach das Verhalten der Klägerin in der Nacht vom 14. zum 15. November 1974 kein sicheres Indiz für eine aufgetretene Verschlimmerung ihres Gesundheitszustandes bildete und der Selbstmordversuch am 16. November 1974 als ein überraschender Rückfall in eine depressive Zwangshaltung zu deuten sei. Entscheidend ist jedoch, daß die Anordnung, die Klägerin auf eine offene Abteilung zu verlegen und die dort dem Arzt bei seiner Entscheidung bekannten vorhandenen Möglichkeiten einer Betreuung durch das allgemein zur Verfügung stehende Pflegepersonal als ausreichend anzusehen, in unmittelbaren Zusammenhang mit der ärztlichen Behandlung steht. Die versicherungsrechtliche Lage ist nicht anders als bei der Verlegung eines herzkranken Patienten aus der Intensivpflegestation in eine allgemein innere Abteilung eines Krankenhauses. Erleidet dort der Patient einen neuen Herzinfarkt, der infolge der auf dieser Abteilung allgemein nicht möglichen und auch vom Arzt nicht besonders angeordneten ständigen apparativen und pflegerischen Beobachtung und Betreuung nicht rechtzeitig erkannt und auch nicht sofort behandelt wird, so fällt dies ebenfalls nicht in den von § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO erfaßten Risikobereich. Es bedarf demnach keiner Entscheidung, inwieweit das nichtärztliche Krankenhauspersonal als Hilfskräfte des Arztes tätig wurde und diese Tätigkeit auch deshalb zu dem vom Versicherungsschutz der nach § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a RVO versicherten Personen nicht erfaßten Risiko der ärztlichen Behandlung selbst gehört.
Die Klägerin hat somit durch den Sturz aus dem Fenster des Krankenhauses keinen Arbeitsunfall erlitten, so daß ihre Berufung gegen das Urteil des SG zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen